Sächsisches Gesetz zur Regelung
polizeilicher Zuverlässigkeitsüberprüfungen
(SächsPolZÜG)

erlassen als Artikel 3 des Gesetzes zur Stärkung der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst und zur weiteren Änderung dienstrechtlicher Vorschriften

Vom 12. April 2024

§ 1
Zuverlässigkeitsüberprüfung für Personal der Polizei

(1) 1Vor jeder Einstellung in der Fachrichtung Polizei und vor jeder Bestellung als Angehörige oder Angehöriger der Sächsischen Sicherheitswacht wird die Zuverlässigkeit der vorgesehenen Bewerberinnen und Bewerber überprüft. 2Bei Personen, die als Bedienstete für eine Tätigkeit in Dienststellen oder Einrichtungen der Polizei im Freistaat Sachsen verwendet werden sollen, wird eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nicht durchgeführt, wenn im Einzelfall wegen der Art und der Umstände der durch die Person wahrzunehmenden dienstlichen Tätigkeit ausgeschlossen werden kann, dass durch den Missbrauch in Ausübung des Dienstes erlangter Kenntnisse und Einflussmöglichkeiten abstrakte Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Polizei oder die Integrität der polizeilichen Arbeit entstehen. 3Satz 2 gilt entsprechend, wenn eine Person erstmalig in eine Dienststelle oder Einrichtung der Polizei abgeordnet oder versetzt werden soll.

(2) 1Zuständig für die Zuverlässigkeitsüberprüfung ist die Behörde, die für die Einstellung oder Bestellung der zu überprüfenden Person zuständig ist oder in die die zu überprüfende Person abgeordnet oder versetzt werden soll. 2Ist das Sächsische Staatsministerium des Innern Einstellungsbehörde, bedient sich dieses zur Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung einer Dienststelle der Polizei im Wege der Amtshilfe.

(3) Die Zuverlässigkeitsüberprüfung ist vor Einstellung oder Bestellung der betroffenen Person, im Fall der erstmaligen Abordnung oder Versetzung in eine Dienststelle oder Einrichtung der Polizei vor der Verfügung der Personalmaßnahme abzuschließen.

§ 2
Zuverlässigkeitsüberprüfungen bei anderen Personen

(1) Die Organisationseinheit der betroffenen Dienststelle oder Einrichtung, bei der der Bedarf für die Zuverlässigkeitsüberprüfung entsteht (Bedarfsträger), kann bei anderen Personen eine von ihrer Dienststelle oder Einrichtung durchzuführende Zuverlässigkeitsüberprüfung anordnen, wenn der betroffenen Person Zugangs-, Nutzungs- oder Einwirkungsmöglichkeiten auf technische Systeme, IT-Infrastrukturen, Datenbestände, Einsatzmittel, Asservate oder sonstige sicherheitsrelevante Strukturen der Polizei eröffnet werden sollen und eine anlässlich der Tätigkeit entstehende abstrakte Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Polizei nicht durch geeignete Maßnahmen, insbesondere nach Personal- und Kostenaufwand verhältnismäßige Kontroll- oder Überwachungsmaßnahmen, beseitigt werden kann.

(2) 1In Bezug auf ein von der Polizei als gefährdet bewertetes Objekt kann eine andere öffentliche Stelle, der dieses Objekt zugeordnet ist, eine Zuverlässigkeitsüberprüfung anderer Personen anordnen, wenn diesen Zugangs-, Nutzungs- oder Einwirkungsmöglichkeiten auf sicherheitsrelevante Strukturen im Sinne des Absatzes 1 eröffnet werden sollen und anlässlich der Tätigkeit entstehende Gefahren nicht durch geeignete Maßnahmen, insbesondere nach Personal- und Kostenaufwand verhältnismäßige Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen, beseitigt werden können. 2Gleiches gilt für ein Objekt einer öffentlichen Stelle, in dem sich regelmäßig Personen aufhalten, für die von der Polizei eine Gefährdungsstufe festgelegt worden ist. 3Die Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung erfolgt auf Ersuchen der öffentlichen Stelle im Wege der Amtshilfe durch die Polizeidirektion, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich die öffentliche Stelle ihren Sitz hat.

(3) Eine erneute Zuverlässigkeitsüberprüfung nach den Absätzen 1 und 2 findet nicht statt, wenn eine Person

1.
geltend macht, dass innerhalb der letzten zwei Jahre bei ihr eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nach diesem Gesetz mit einer positiven Abschlussbewertung durchgeführt wurde und diese Angaben von der jeweiligen Dienststelle oder Einrichtung der Polizei bestätigt werden, oder
2.
nachweist, dass eine Sicherheitsüberprüfung oder eine andere der Zuverlässigkeitsüberprüfung gleichwertige Zuverlässigkeitsüberprüfung mit noch gültigem Ergebnis durchgeführt wurde, und die Person einwilligt, dass die nach § 2 zuständige Stelle die erforderlichen Daten zur Überprüfung dieser Angaben bei der anderen Stelle erhebt und diese die Daten an die nach § 2 zuständige Stelle übermittelt.

§ 3
Bewertung der Zuverlässigkeit

(1) 1Die Polizei gibt eine Einschätzung zum Vorliegen von Zuverlässigkeitsbedenken hinsichtlich der zu überprüfenden Person ab. 2Bedenken gegen die Zuverlässigkeit liegen im Fall des § 2 vor, wenn es Anhaltspunkte für die Annahme gibt, dass von der überprüften Person Gefahren für die Funktionsfähigkeit der zu schützenden Institutionen oder Liegenschaften ausgehen können.

(2) An der erforderlichen Zuverlässigkeit fehlt es im Fall des § 1 Absatz 1 Satz 1 stets, in den Fällen des § 1 Absatz 1 Satz 2 und 3 sowie des § 2 in der Regel bei

1.
einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer schweren Straftat im Sinne des § 100a Absatz 2 der Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 21. Februar 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 54) geändert worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
einer Mitgliedschaft der zu überprüfenden Person
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 30. November 2020 (BGBl. I S. 2600) geändert worden ist, als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt,
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 Absatz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1724) geändert worden ist, festgestellt hat oder deren Ausschluss von staatlicher Finanzierung das Bundesverfassungsgericht nach § 46a Absatz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
wenn seit dem Ende der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind.

(3) 1Bei sonstigen Verurteilungen oder Erkenntnissen ist im Wege der Gesamtwürdigung zu prüfen, ob sich daraus Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der zu überprüfenden Person ergeben können. 2Die Prüfung erfolgt einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der sich aus den Überprüfungsanlässen nach § 1 und § 2 jeweils ergebenden Anforderungen in Bezug auf Art, Inhalte und Modalitäten der zu verrichtenden Tätigkeit. 3Hierbei sind Anhaltspunkte, die auf eine Rausch- oder Arzneimittelabhängigkeit oder den regelmäßigen Missbrauch dieser Substanzen schließen lassen, einzubeziehen. 4Ebenfalls einzubeziehen sind Verurteilungen oder Erkenntnisse, die im Einzelfall auf eine Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließen lassen. 5Fahrlässigkeitsdelikte sind in der Regel nicht geeignet, Bedenken gegen die Zuverlässigkeit zu begründen.

§ 4
Erkenntnismittel

1Die Polizei ist berechtigt, die zur Feststellung der Identität der zu überprüfenden Person erforderlichen Maßnahmen zu treffen. 2Sie kann mit Zustimmung der Person auch von ihr vorgelegte Ausweisdokumente kopieren oder Kopien von Ausweisdokumenten anfordern. 3Die Polizei führt die Zuverlässigkeitsüberprüfung durch einen Datenabgleich mit den Datenbeständen der Polizeien des Bundes und der Länder durch und darf Ersuchen um Datenübermittlungen bei

1.
den Polizeien des Bundes und der Länder,
2.
den Justizbehörden und Gerichten, wenn Erkenntnisse über Strafverfahren vorliegen,
3.
dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach dem AZR-Gesetz vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2265), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. April 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 106) geändert worden ist, sofern die zu überprüfende Person Ausländer ist,
4.
den zuständigen Polizeien im Ausland, sofern die zu überprüfende Person einer Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 für die Ernennung in der Fachrichtung Polizei unterzogen werden soll und ihren Wohnsitz im Ausland hat oder Ausländer ist,

stellen sowie im Fall des § 1 Absatz 1 Satz 1 auch Inhalte öffentlich zugänglicher Internetseiten und öffentlich zugänglicher Seiten sozialer Netzwerke auswerten. 4Bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 bleiben die Regelungen des § 4 Absatz 5 und Absatz 6 des Sächsischen Beamtengesetzes vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 970, 971), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. April 2024 (SächsGVBl. S. 405) geändert worden ist, unberührt.

§ 5
Informationspflicht und Zustimmungserfordernis

(1) 1Die betroffene Person ist über

1.
den konkreten Ablauf und den Inhalt der Überprüfung,
2.
die mit der Überprüfung verbundenen Datenverarbeitungen,
3.
die Empfänger nach § 4,
4.
die Bewertungskriterien nach § 3 und
5.
das nach Artikel 77 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1, L 314 vom 22.11.2016, S. 72, ABl. L 127 vom 23.5.2018, S. 2, ABl. L 74 vom 4.3.2021, S. 35) bestehende Recht zur Anrufung der Aufsichtsbehörde sowie das Recht zum Widerruf der Zustimmung

zu informieren. 2Diese Informationspflicht obliegt in den Fällen des § 1 der jeweiligen personalverwaltenden Stelle, in den Fällen des § 2 Absatz 1 dem Bedarfsträger. 3Erfolgt die Zuverlässigkeitsüberprüfung aufgrund eines Ersuchens nach § 2 Absatz 2, obliegt die Informationspflicht der ersuchenden Stelle.

(2) 1Die Zuverlässigkeitsüberprüfung darf nur durchgeführt werden, wenn die betroffene Person ihr schriftlich zugestimmt hat und nachgewiesen ist, dass sie nach Absatz 1 informiert wurde, bevor sie ihre Zustimmung erteilt hat. 2Wird die Zustimmung widerrufen, ist die Zuverlässigkeitsüberprüfung abzubrechen; die bis dahin aufgrund der Zuverlässigkeitsüberprüfung erhobenen personenbezogenen Daten sind zu löschen.

(3) Bei fehlender oder widerrufener Zustimmung darf im Fall

1.
des § 1 Absatz 1 Satz 1 die Person nicht eingestellt oder bestellt werden,
2.
des § 1 Absatz 1 Satz 3 die Personalmaßnahme nicht verfügt werden,
3.
des § 2 Absatz 1 und 2 die Person mit der Tätigkeit nicht betraut werden.

§ 6
Verarbeitung personenbezogener Daten

(1) 1Die Polizei ist berechtigt, personenbezogene Daten einschließlich der Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung der zu überprüfenden Person zu verarbeiten, soweit dies für die Zuverlässigkeitsüberprüfung erforderlich ist. 2Die Polizei darf die personenbezogenen Daten der zu überprüfenden Person an die in § 4 genannten Stellen zum Zweck der Abfrage übermitteln. 3Die im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung verarbeiteten personenbezogenen Daten sind gesondert zu speichern.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn Einstellungsbehörde das Sächsische Staatministerium des Innern ist.

(3) 1Im Fall des § 2 Absatz 2 darf die ersuchende öffentliche Stelle die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten verarbeiten. 2Die Polizei darf personenbezogene Daten zur Antwort an die ersuchende öffentliche Stelle übermitteln.

(4) Erfolgt die Zuverlässigkeitsüberprüfung für eine Person, deren Tätigkeit in den Fällen des § 2 auf einem Arbeits- oder Vertragsverhältnis mit einem Dritten beruht, dürfen ihre personenbezogenen Daten zur Antwort an den Dritten übermittelt werden.

§ 7
Stellungnahmegelegenheit und Mitteilungsinhalte

(1) 1Die personalverwaltende Stelle informiert die betroffene Person im Fall des § 1 vor der abschließenden Entscheidung über die Personalmaßnahme über das Ergebnis der Zuverlässigkeitsüberprüfung und, soweit Zuverlässigkeitsbedenken bestehen, über die diese tragenden Gründe und gibt ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. 2Die Mitteilung der Gründe unterbleibt, soweit Geheimhaltungspflichten entgegenstehen oder bei Auskünften durch die Strafverfolgungsbehörden eine Gefährdung des Strafverfahrens zu besorgen ist. 3Die personalverwaltende Stelle führt eine Abschlussbewertung durch und teilt der betroffenen Person das abschließende Ergebnis der Zuverlässigkeitsüberprüfung im Rahmen der Personalmaßnahmeentscheidung mit.

(2) 1Die Mitteilung an die betroffene Person über das Ergebnis der Zuverlässigkeitsüberprüfung und, soweit Zuverlässigkeitsbedenken bestehen, der diese tragenden Gründe, erfolgt im Fall des § 2 Absatz 1 vor der Mitteilung an den Bedarfsträger und im Fall des § 2 Absatz 2 vor der Mitteilung an die anfragende öffentliche Stelle. 2Die Mitteilung der Gründe unterbleibt, soweit Geheimhaltungspflichten entgegenstehen oder bei Auskünften durch die Strafverfolgungsbehörden eine Gefährdung des Strafverfahrens zu besorgen ist. 3Der betroffenen Person ist Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. 4Die Polizei führt eine Abschlussbewertung durch.

(3) 1Im Fall des § 2 Absatz 1 beschränkt sich die Mitteilung an den Bedarfsträger auf das Ergebnis der Überprüfung ohne Begründung. 2Der Bedarfsträger der Dienststelle oder Einrichtung informiert die Person darüber, ob sie für die vorgesehene Tätigkeit eingesetzt werden kann.

(4) Im Fall des § 2 Absatz 2 beschränkt sich die Mitteilung an die ersuchende öffentliche Stelle auf das Ergebnis der Überprüfung, ob Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Person bestehen.

(5) Erfolgt die Zuverlässigkeitsüberprüfung für eine Person, deren Tätigkeit in den Fällen des § 2 auf einem Arbeits- oder Vertragsverhältnis mit einem Dritten beruht, beschränkt sich die Mitteilung an den Dritten auf das Ergebnis der Überprüfung, ob Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der überprüften Person bestehen.

§ 8
Datenlöschung

1Die im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfungen erhobenen Daten sind im Fall des § 1 fünf Monate, im Übrigen drei Jahre nach Abschluss der durchgeführten Zuverlässigkeitsüberprüfung zu löschen. 2Eine darüber hinaus gehende Speicherung ist nur zulässig, soweit dies aufgrund eines bereits anhängigen oder zu erwartenden Rechtsstreits erforderlich ist.

§ 9
Anwendungsausschluss

Die §§ 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn das Sächsische Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 19. Februar 2004 (SächsGVBl. S. 44), das zuletzt durch Artikel 21 des Gesetzes vom 27. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 130) geändert worden ist, oder ein anderes Gesetz eine Sicherheitsüberprüfung vorsieht.

§ 10
Einschränkung von Grundrechten

Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 33 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen) eingeschränkt werden.

Änderungsvorschriften