Gesetz
zur Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen, zur Änderung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes und zur Änderung des Sächsischen Versammlungsgesetzes sowie zur Änderung weiterer Gesetze

Vom 17. Dezember 2013

Der Sächsische Landtag hat am 17. Dezember 2013 das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen

Das Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (SächsPolG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1999 (SächsGVBl. S. 466), zuletzt geändert durch Artikel 20 und 20a des Gesetzes vom 27. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 130, 141), wird wie folgt geändert:

1.
In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 42 wie folgt gefasst:
 
„§ 42
Erhebung von Telekommunikationsdaten“.
2.
Nach § 37 Abs. 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:
„(1a) Der Polizeivollzugsdienst kann bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen unter freiem Himmel, die nicht dem Sächsischen Versammlungsgesetz unterliegen, Übersichtsbildübertragungen nur offen und nur dann anfertigen, wenn und soweit dies wegen der Größe der Veranstaltung oder Ansammlung oder der Unübersichtlichkeit der Lage zur Lenkung und Leitung eines Polizeieinsatzes im Einzelfall erforderlich ist. Eine Identifikation von Personen oder Aufzeichnung der Übertragung findet hierbei nicht statt.“
3.
§ 42 wird wie folgt gefasst:
 
„§ 42
Erhebung von Telekommunikationsdaten
 
(1) Zur Abwehr einer im Einzelfall vorliegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darf der Polizeivollzugsdienst von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt (Diensteanbieter), Auskunft über die nach den §§ 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S.1190), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154, 3200) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, erhobenen Daten verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 TKG). Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die Endgeräte oder Speichereinrichtungen der Beschlagnahme unterliegen und tatsächliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass ohne den Zugriff auf gespeicherte Daten die Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates, das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer Person sowie wesentliche Vermögenswerte aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Die Auskunft nach Absatz 1 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 3 TKG).
(3) Auskunftsverlangen nach Absatz 1 Satz 1 dürfen nur durch den Leiter des Landeskriminalamtes, einer Polizeidirektion oder des Präsidiums der Bereitschaftspolizei angeordnet werden; dieser kann die Anordnungsbefugnis auf einen Bediensteten der zuständigen Polizeidienststelle übertragen.
(4) Auskunftsverlangen nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 bedürfen der richterlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch die in Absatz 3 genannten Personen angeordnet werden. Deren Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht innerhalb von drei Tagen richterlich bestätigt wird; die Bestätigung ist unverzüglich zu beantragen. Wird der Antrag rechtskräftig abgelehnt, dürfen die zuvor erhobenen Daten nicht verwertet werden; sie sind unverzüglich zu löschen.
(5) Die betroffene Person ist von der Beauskunftung nach den Absätzen 1 und 2 zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung erfolgt, soweit und sobald hierdurch der Zweck der Auskunft nicht vereitelt wird. Sie unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen. Wird die Benachrichtigung nach Satz 2 zurückgestellt oder nach Satz 3 von ihr abgesehen, sind die Gründe zu dokumentieren.
(6) Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Buches 1 FamFG entsprechend. Für eine richterliche Anordnung oder Bestätigung ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die beantragende Polizeidienststelle ihren Sitz hat. Die Entscheidungen des Gerichts können ohne vorherige Anhörung der Betroffenen ergehen; sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntmachung an die Betroffenen.
(7) Aufgrund eines Auskunftsverlangens nach Absatz 1 oder 2 hat der Diensteanbieter die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich, vollständig und richtig zu übermitteln.
(8) Der Diensteanbieter erhält für Auskünfte nach den Absätzen 1 und 2 eine Entschädigung, deren Umfang sich nach § 23 und Anlage 3 JVEG bemisst. § 2 Abs. 1 und 4 JVEG sind entsprechend anzuwenden.
(9) Die Auswirkungen dieser Vorschrift und die praktische Anwendung werden nach einem Erfahrungszeitraum von drei Jahren durch die Staatsregierung unter Mitwirkung eines unabhängigen wissenschaftlichen Sachverständigen geprüft. Die Staatsregierung berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.“
4.
§ 79 wird wie folgt geändert:
 
a)
In Nummer 6 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt.
 
b)
Folgende Nummer 7 wird angefügt:
 
 
„7.
das Recht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes, Artikel 27 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen).“

Artikel 2
Änderung des Sächsischen Kontrollgesetzes

In § 2 Satz 2 des Gesetzes zur Ausübung der parlamentarischen Kontrolle hinsichtlich der Überwachung von Wohnungen unter Einsatz technischer Mittel und anderer polizeilicher Maßnahmen unter Einsatz besonderer Mittel im Freistaat Sachsen (Sächsisches Kontrollgesetz – SächsKontrollG) vom 22. April 2003 (SächsGVBl. S. 106), geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. Oktober 2011 (SächsGVBl. S. 370, 376), wird die Angabe „und § 42“ gestrichen.

Artikel 3
Änderung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes

Das Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (Sächsisches Verfassungsschutzgesetz – SächsVSG) vom 16. Oktober 1992 (SächsGVBl. S. 459), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. April 2006 (SächsGVBl. S. 129), wird wie folgt geändert:

1.
In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 11a folgende Angabe eingefügt:
 
„§ 11b
 
Weitere Informationsübermittlungen durch nicht-öffentliche Stellen an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen“.
2.
§ 7 Abs. 4 wird wie folgt gefasst:
„(4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die nicht in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten gemäß Absatz 2 zu löschen. Die Löschung ist zu dokumentieren. Die Daten sind zu sperren, wenn die Löschung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. Sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen.“
3.
Nach § 11a wird folgender § 11b eingefügt:
 
„11b
Weitere Informationsübermittlungen durch nicht-öffentliche Stellen an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen
 
(1) Soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz im Einzelfall erforderlich ist, darf von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt (Diensteanbieter), Auskunft über die nach den §§ 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154, 3200) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, erhobenen Daten verlangt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 TKG). Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der geschützten Daten vorliegen.
(2) Die Auskunft nach Absatz 1 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 3 TKG). Für Auskunftsverlangen nach Satz 1 und Absatz 1 Satz 2 gilt § 11a Abs. 6 Satz 1 und 2 sowie Abs. 7 bis 9 Satz 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass über den Antrag das Staatsministerium des Innern entscheidet.
(3) Die betroffene Person ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 2 Satz 1 durch das Landesamt für Verfassungsschutz von der Beauskunftung zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung erfolgt, soweit und sobald eine Gefährdung des Zwecks der Auskunft und der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes ausgeschlossen werden können. Wurden personenbezogene Daten an eine andere Stelle übermittelt, erfolgt die Benachrichtigung im Benehmen mit dieser. Die Benachrichtigung unterbleibt, sofern einer der Hinderungsgründe in Satz 2 auch nach fünf Jahren nach Beauskunftung nicht ausgeschlossen werden kann, er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, und die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen. Die Benachrichtigung unterbleibt auch, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen. Wird die Benachrichtigung nach Satz 2 zurückgestellt oder nach Satz 4 oder Satz 5 von ihr abgesehen, sind die Gründe aktenkundig zu machen.
(4) Aufgrund eines Auskunftsverlangens nach Absatz 1 oder 2 hat der Diensteanbieter die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich, vollständig und richtig zu übermitteln.
(5) Der Diensteanbieter erhält für Auskünfte nach den Absätzen 1 und 2 eine Entschädigung, deren Umfang sich nach § 23 und Anlage 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586, 2681), in der jeweils geltenden Fassung, bemisst; die Vorschriften über die Verjährung in § 2 Abs. 1 und 4 JVEG finden entsprechende Anwendung.“

Artikel 4
Änderung des Sächsischen Versammlungsgesetzes

Das Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Versammlungsgesetz – SächsVersG) vom 25. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 54) wird wie folgt geändert:

1.
§ 12 wird wie folgt geändert:
 
a)
In Absatz 1 Satz 1 werden nach dem Wort „nur“ die Wörter „offen und nur dann“ eingefügt.
 
b)
Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Die Unterlagen sind nach Beendigung der öffentlichen Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu vernichten, soweit sie nicht für die Verfolgung von Straftaten von Teilnehmern benötigt werden.“
2.
§ 20 wird wie folgt gefasst:
 
„§ 20
 
(1) Die Polizei darf von Personen bei oder im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug Bild- und Tonaufnahmen nur offen und nur dann anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von diesen Personen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung ausgeht. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2) Die Polizei darf Übersichtsbildübertragungen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen sowie ihrem Umfeld nur offen und nur dann anfertigen, wenn und soweit dies wegen der Größe der Versammlung oder Unübersichtlichkeit der Versammlungslage zur Lenkung und Leitung eines Polizeieinsatzes im Einzelfall erforderlich ist. Eine Identifikation von Personen oder Aufzeichnung der Übertragung findet hierbei nicht statt.
(3) § 12 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.“

Artikel 5
Einschränkung von Grundrechten

Durch Artikel 1 Nr. 3, Artikel 3 Nr. 3 und Artikel 4 dieses Gesetzes können eingeschränkt werden:

1.
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen)
2.
das Recht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 27 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen .
3.
das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes und Artikel 23 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen).

Artikel 6
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Dresden, den 17. Dezember 2013

Der Landtagspräsident
Dr. Matthias Rößler

Der Ministerpräsident
Stanislaw Tillich

Der Staatsminister des Innern
Markus Ulbig

Änderungsvorschriften