Historische Fassung war gültig vom 30.07.2005 bis 04.02.2008

Verordnung
der Sächsischen Staatsregierung
über die Schiedsstelle gemäß § 81 Abs. 2 SGB XII br> (SchiedVergSozVO) 1

Vom 11. Oktober 2000

Rechtsbereinigt mit Stand vom 30. Juli 2005

Auf Grund von § 94 Abs. 4 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, 2975), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 3. Mai 2000 (BGBl. I S. 632, 633) geändert worden ist, wird verordnet:

§ 1
Bildung, Aufgabe und Rechtsaufsicht der Schiedsstelle

(1) Beim Staatsministerium für Soziales wird eine Schiedsstelle nach § 80 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) – Sozialhilfe – (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), das zuletzt durch Artikel 27 Nr. 2 des Gesetzes vom 21. März 2005 (BGBl. I S. 818, 835) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, errichtet.

(2) Die Schiedsstelle entscheidet gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII über die Gegenstände der Vereinbarungen nach § 76 Abs. 2 SGB XII, über die von den Vertragsparteien keine Einigung erzielt werden konnte.

(3) Die Rechtsaufsicht über die Schiedsstelle führt das Staatsministerium für Soziales. 2

§ 2
Bestellung der Mitglieder

(1) Die Schiedsstelle besteht neben dem unparteiischen Vorsitzenden aus fünf Vertretern der Träger der Einrichtungen und fünf Vertretern der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe (Mitglieder). Es soll auf eine angemessene Beteiligung von Frauen und Männern geachtet werden. Der Vorsitzende hat einen Stellvertreter. Die anderen Mitglieder haben jeweils zwei Stellvertreter.

(2) Der Vorsitzende und dessen Stellvertreter werden von den beteiligten Organisationen gemeinsam bestellt.

(3) Die Vertreter der Träger der Einrichtungen und deren Stellvertreter werden wie folgt bestellt:

  1. Drei Vertreter und deren Stellvertreter bestellt die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Sachsen.
  2. Einen Vertreter und dessen Stellvertreter bestellen der Sächsische Städte- und Gemeindetag sowie der Sächsische Landkreistag gemeinsam.
  3. Einen Vertreter und dessen Stellvertreter bestellen die im Freistaat Sachsen tätigen Verbände der privaten Einrichtungsträger.

(4) Die Vertreter der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe und deren Stellvertreter werden wie folgt bestellt:

  1. Drei Vertreter und deren Stellvertreter bestellt der Kommunale Sozialverband Sachsen.
  2. Einen Vertreter und dessen Stellvertreter bestellt der Sächsische Städte- und Gemeindetag.
  3. Einen Vertreter und dessen Stellvertreter bestellt der Sächsische Landkreistag.

(5) Werden bis spätestens sechs Wochen nach Beginn einer Amtsperiode von den beteiligten Organisationen keine Vertreter bestellt oder keine Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden und seines Stellvertreters benannt, bestellt das Staatsministerium für Soziales auf Antrag einer der beteiligten Organisationen die Vertreter und benennt die Kandidaten. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters nicht zustande, werden sie durch Los bestimmt. 3

§ 3
Wirksamkeit der Bestellung

(1) Die Bestellung des Vorsitzenden und seines Stellvertreters wird wirksam, sobald diese ihre Bereitschaft zur Amtsübernahme schriftlich erklärt haben und die Bestellung unter Vorlage der Bereitschaftserklärung gegenüber dem Staatsministerium für Soziales angezeigt wurde.

(2) Die Bestellung der weiteren Mitglieder und deren Stellvertreter wird wirksam, sobald ihre Namen der Geschäftsstelle bekannt gegeben worden sind. 4

§ 4
Amtsperiode

(1) Die Amtsperiode der Schiedsstelle beträgt vier Jahre. Für den Beginn der ersten Amtsperiode ist der 1. Juli 1994 zugrunde zu legen.

(2) Die Amtsdauer der Mitglieder und deren Stellvertreter endet mit dem Ablauf der Amtsperiode; bis zur Bestellung der neuen Mitglieder und deren Stellvertreter führen sie jedoch die Geschäfte weiter. Satz 1 gilt auch für die während einer Amtsperiode neu hinzugetretenen Mitglieder und Stellvertreter.

§ 5
Abberufung

(1) Die beteiligten Organisationen können gemeinsam den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter abberufen. Sprechen sich nicht alle der beteiligten Organisationen für die Abberufung nach Satz 1 aus, kann das Staatsministerium für Soziales auf Antrag einer der beteiligten Organisationen aus wichtigem Grund den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter nach deren Anhörung abberufen. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer der antragstellenden Organisation unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen der übrigen Organisationen die Fortdauer der Bestellung des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters bis zum Ablauf der Amtsperiode nicht zugemutet werden kann.

(2) Jede beteiligte Organisation kann aus wichtigem Grund ihre Vertreter und Stellvertreter nach vorheriger Anhörung der Betroffenen mit Zustimmung des Vorsitzenden abberufen. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles der Organisation die weitere Amtsführung ihres Vertreters oder eines Stellvertreters bis zum Ablauf der Amtsperiode nicht zugemutet werden kann. Die Abberufung wird mit der Zustimmung des Vorsitzenden wirksam. 5

§ 6
Amtsniederlegung

(1) Die Mitglieder sowie deren Stellvertreter können jederzeit ihr Amt niederlegen.

(2) Die Niederlegung des Amtes ist der für die Bestellung zuständigen Organisation gegenüber zu erklären; diese hat den Vorsitzenden zu benachrichtigen. Die Niederlegung des Amtes des Vorsitzenden ist der Geschäftsstelle gegenüber zu erklären; diese hat die beteiligten Organisationen und das Staatsministerium für Soziales zu benachrichtigen. 6

§ 7
Amtsführung

Die Mitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen oder bei Verhinderung ihre Stellvertreter zu benachrichtigen. Die Verhinderung ist der Geschäftsstelle anzuzeigen. Im Verhinderungsfall eines Mitgliedes trifft die Teilnahme- und Anzeigepflicht nach Satz 1 und 2 dessen Stellvertreter.

§ 8
Geschäftsstelle

Die Geschäftsstelle der Schiedsstelle wird beim Staatsministerium für Soziales unterhalten. 7

§ 9
Antrag

Das Schiedsverfahren ist einzuleiten, wenn eine der beteiligten Vertragsparteien die Festsetzung der streitigen Gegenstände der Vergütungsvereinbarung bei der Geschäftsstelle schriftlich beantragt. Vertragsparteien sind der Träger der Sozialhilfe und der Träger der Einrichtung oder dessen Verband. Im Antrag sollen der Tag der Aufforderung zu Vertragsverhandlungen, die Ergebnisse der vorangegangenen Verhandlungen und die Gegenstände angegeben werden, über die eine Einigung nicht zu Stande gekommen ist.

§ 10
Verfahren

(1) Der Vorsitzende bestimmt Zeit und Ort der Sitzungen und veranlasst die Ladung der Vertragsparteien und der Mitglieder durch die Geschäftsstelle. Die Ladungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen. Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben einer Vertragspartei auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann.

(2) Die Schiedsstelle entscheidet auf Grund mündlicher, nicht öffentlicher Verhandlung.

(3) Die Schiedsstelle ermittelt den Sachverhalt auf der Grundlage der von den Verfahrensbeteiligten vorgelegten Unterlagen. Zur Klärung des Sachverhaltes können auch Zeugen und Sachverständige vom Vorsitzenden sowie auf Beschluss der Schiedsstelle hinzugezogen werden.

(4) Eine Aussetzung des Schiedsverfahrens ist nur mit Zustimmung der Vertragsparteien zulässig.

§ 11
Ablehnung von Mitgliedern

(1) Ein Mitglied der Schiedsstelle ist von der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen:

  1. in Sachen, in denen es selbst Partei ist;
  2. in Sachen, in denen es als Verfahrensbevollmächtigter einer Partei bestellt ist oder als gesetzlicher Vertreter aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
  3. in Sachen, in denen sein Ehegatte Partei oder gesetzlicher Vertreter der Partei ist, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
  4. in Sachen, in denen es mit der Partei oder deren gesetzlichem Vertreter in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert ist oder war;
  5. in Sachen, in denen es als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist.

Die vorangegangene Tätigkeit als Bevollmächtigter oder Beistand im Vergütungsverfahren berechtigt nicht zur Ablehnung.

(2) Im Übrigen gelten für den Ausschluss von der Mitwirkung an der Entscheidung und die Ablehnung von Mitgliedern der Schiedsstelle §§ 42, 43 und 44 Abs. 2, 3 und 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(3) Das Ablehnungsgesuch ist bei der Schiedsstelle anzubringen, die hierüber entscheidet. Anstelle des abgelehnten Mitglieds nimmt dessen Stellvertreter an der Beratung und Beschlussfassung über die Ablehnung teil. Scheidet ein Mitglied durch Ablehnung aus, nimmt sein Stellvertreter am weiteren Verfahren teil.

§ 12
Beratung und Entscheidung

(1) Die Schiedsstelle ist beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen wurden und neben dem Vorsitzenden mindestens drei Vertreter der Träger der Einrichtungen und mindestens drei Vertreter der Träger der Sozialhilfe anwesend sind. Wird die Schiedsstelle mit dem gleichen streitigen Gegenstand erneut befasst, ist sie ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen beschlussfähig. Bei der Ladung zur zweiten oder weiteren Befassung muss auf die Bestimmung des Satzes 2 hingewiesen werden.

(2) Jedes Mitglied hat eine Stimme. Die Entscheidungen werden mit der Mehrheit der Mitglieder getroffen. Ergibt sich keine Mehrheit, gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(3) Die Beratung und Beschlussfassung erfolgt in Abwesenheit der Vertragsparteien. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung der Schiedsstelle.

(4) Die Entscheidung der Schiedsstelle, mit der die streitigen Gegenstände festgesetzt werden (Schiedsspruch), ist innerhalb von drei Monaten nach der mündlichen Verhandlung schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und den Vertragsparteien unverzüglich zuzustellen. 8

§ 13
Gebühr

(1) Für jedes Verfahren der Schiedsstelle wird eine Gebühr in Höhe von 750 bis 3 000 EUR erhoben. Die Schiedsstelle setzt die Gebühr im Schiedsspruch nach der Bedeutung und Schwierigkeit des Falles unter angemessener Berücksichtigung der Kosten und Auslagen der Geschäftsstelle fest. Soweit sich der Antrag vor Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung erledigt, kann der Vorsitzende die Gebühr bis auf 250 EUR reduzieren. Erledigt sich das Verfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Schiedsspruch, kann die Festsetzung der Gebühr im Umlaufverfahren erfolgen.

(2) Die Gebühr wird fällig, sobald die Schiedsstelle über den streitigen Gegenstand eine Festsetzung getroffen hat oder das Verfahren sich auf andere Weise erledigt hat.

(3) Die nach § 13 Abs. 1 festgesetzte Gebühr trägt die unterliegende Vertragspartei. Soweit eine Vertragspartei nur teilweise unterliegt oder ein Vergleich geschlossen wird, werden die Gebühren verhältnismäßig geteilt. Gleiches gilt, sofern der Antrag noch vor Beratung der Schiedsstelle zurückgezogen wird, weil mittlerweile eine Einigung erzielt werden konnte. Sofern dem Antragsteller nach Ablauf der Frist nach § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII noch kein Angebot des Antragsgegners vorgelegen hat, wird bei der Aufteilung der Gebühr das bisherige Entgelt als Angebot gewertet. 9

§ 14
Entschädigung der Mitglieder

(1) Der Vorsitzende oder im Vertretungsfall sein Stellvertreter erhalten von der Geschäftsstelle nach Abschluss jedes Verfahrens eine Vergütung in Höhe von 40 Prozent der gemäß § 13 festgesetzten Gebühr. Damit sind sämtliche Kosten mit Ausnahme der Reisekosten abgegolten. Die Erstattung von Reisekosten, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden der Schiedsstelle anfallen, erfolgt gemäß dem Sächsischen Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter (Sächsisches Reisekostengesetz – SächsRKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 1998 (SächsGVBl. S. 346), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 6. Juni 2002 (SächsGVBl. S. 168, 170), in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Wirken der Vorsitzende und sein Stellvertreter am gleichen Schiedsverfahren mit, erfolgt die Vergütung entsprechend dem jeweiligen Arbeitsaufwand, der in deren gegenseitigen Einvernehmen festzustellen und der Geschäftsstelle bekannt zu geben ist.

(3) Die übrigen Mitglieder oder im Vertretungsfall deren Stellvertreter erhalten Reisekosten sowie Ersatz für sonstige Barauslagen und Zeitaufwand von den Organisationen, die sie bestellt haben. Es gelten die bestehenden Regelungen der jeweiligen Organisationen, hilfsweise diejenigen des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1969 (BGBl. I S. 1753), zuletzt geändert durch Artikel 1 Abs. 4 des Gesetzes vom 22. Februar 2002 (BGBl. I S. 981), in der jeweils geltenden Fassung. 10

§ 15
Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen

Zeugen und Sachverständige, die vom Vorsitzenden oder auf Beschluss der Schiedsstelle hinzugezogen worden sind, erhalten von der Geschäftsstelle eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1969 (BGBl. I S. 1756), zuletzt geändert durch Artikel 1 Abs. 5 des Gesetzes vom 22. Februar 2002 (BGBl. I S. 981), in der jeweils geltenden Fassung. 11

§ 16
Geschäftsordnung

Die Schiedsstelle gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Staatsministeriums für Soziales bedarf. 12

§ 17
Übergangsvorschriften

(1) Abweichend von § 4 Abs. 1 beginnt die erste Amtsperiode der neu hinzu tretenden zweiten Stellvertreter mit deren Bestellung. Abweichend von § 4 Abs. 2 endet ihre erste Amtsperiode mit Ablauf der Amtsperiode des Vorsitzenden und der anderen Mitglieder und Stellvertreter.
(2) Für Anträge, die vor dem Tag des In-Kraft-Tretens dieser Verordnung bei der Geschäftsstelle der Schiedsstelle eingegangen sind, ist § 13 in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden. 13

§ 18
In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten

Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Schiedsstelle gemäß § 94 Abs. 5 Bundessozialhilfegesetz – Schiedsstelle für Pflegesätze in der Sozialhilfe – (SchiedPflSozV) vom 8. Juli 1994 (SächsGVBl. S. 1350) außer Kraft.

Dresden, den 11. Oktober 2000

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister
für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie
Dr. Hans Geisler