Verwaltungsvorschrift

des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus
über die schulpsychologische Beratung im Freistaat Sachsen
(VwV Schulpsychologische Beratung)

Az.: 21-6402.20/167/24

Vom 6. August 1999

1
Grundsätze
1.1
Schulpsychologische Beratung ist Aufgabe des Freistaates Sachsen und erfolgt schulartübergreifend durch Schulpsychologen mit Hilfe von Beratungslehrern (§ 17 Abs. 2 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen ( SchulG) vom 03. Juli 1991, GVBl. S. 213, zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 1998, GVBl. S. 271).
1.2
Schulpsychologische Beratung soll die pädagogische Arbeit an den Schulen unterstützen und dadurch zur Erfüllung des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrages, zur bestmög-lichen Entfaltung der Persönlichkeit der Schüler sowie zur Weiterentwicklung von Schule beitragen.
1.3
Schulpsychologen können darüber hinaus zur Vorbereitung von Entscheidungen der Schulaufsichtsbehörden und der Schulleitungen (§§ 27, 29, 30 SchulG) sowie zur wissenschaftlichen Begleitung von Schulversuchen (§ 15 SchulG) herangezogen werden.
2
Organisation
2.1
Die Regionalschulämter nehmen die Aufgaben der schulpsychologischen Beratung für alle Schulen ihres Amtsbezirkes wahr. Das Referat „Schulpsychologische Beratungsstelle“ ist integrativer Bestandteil der Schulaufsicht.
2.2
Die Organisation der schulpsychologischen Arbeit basiert auf dem Anforderungsbedarf der Schulen, der Schulaufsichtsbehörden, der Eltern und der Schüler. Die Beratung soll, soweit möglich, schulnah erfolgen.
2.3
Als Schulpsychologen sollen Diplom-Psychologen eingesetzt werden, die auf dem Gebiet der pädagogischen Psychologie spezialisiert sind, über entsprechende Erfahrung oder über eine zusätzliche pädagogische Qualifikation verfügen.
2.4
Schulpsychologen sind bei der Durchführung ihrer Untersuchungen und Beratungen den berufsethischen und wissenschaftlichen Standards verpflichtet. Bei der Erstellung schulpsychologischer Gutachten sind sie unabhängig und im Hinblick auf deren sachlichen Inhalt an Weisungen nicht gebunden. Im Übrigen bleibt ihre Weisungsgebundenheit nach allgemeinen dienstrechtlichen Grundsätzen unberührt.
2.5
Jeder Schulpsychologe legt seinem Vorgesetzten zum Schuljahresende einen Tätigkeitsbericht über das abgelaufene Schuljahr vor, dem ein Gliederungsschema des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zugrunde liegt.
3
Aufgaben
3.1
Schulpsychologische Beratung ergänzt andere Formen der Beratung in der Schule. Sie umfasst sowohl die Beratung der Schulaufsichtsbehörden, der Schulleiter und der Lehrer als auch der Schüler und der Sorgeberechtigten. Schulpsychologen nehmen dabei beratende, diagnostische und präventive Aufgaben wahr.
3.2
Schulzentrierte Beratung; Fortbildung
Schulpsychologen unterstützen die Schulen bei der Wahrnehmung ihres Erziehungs- und Bildungsauftrages sowie bei der Gestaltung und Weiterentwicklung von Schule durch
  • Schulentwicklungs- und Organisationsberatung,
  • individuelle Beratung und Supervision für Lehrer, Schulleiter und Gruppen,
  • Mitwirkung bei der schulinternen, regionalen und zentralen Lehrerfortbildung sowie bei der Schulleiterfortbildung,
  • Beratung und Begleitung bei der Durchführung von Schulversuchen,
  • Anfertigung von Gutachten zur Vorbereitung von Entscheidungen der Schulleitung, insbesondere die Schulpflicht (§ 27 SchulG) betreffend.
3.3
Zusammenarbeit mit Beratungslehrern
Schulpsychologen haben insbesondere folgende Aufgaben:
  • fachliche Beratung und Unterstützung der Beratungslehrer bei ihrer Beratungstätigkeit,
  • Leitung von Fallbesprechungs- und Supervisionsgruppen,
  • Mitwirkung bei der Fort- und Weiterbildung der Beratungslehrer.
3.4
Systemische Beratung von Schülern
Schulpsychologen unterstützen Schüler, Sorgeberechtigte, Lehrer und Schulleiter in Fragen der Schullaufbahn sowie bei sich abzeichnenden Lern-, Leistungs- und Verhaltensproblemen durch
  • Analyse des Problems und gemeinsame Zielabklärung,
  • Aufzeigen möglicher Methoden für Veränderungen,
  • Wirkungskontrollen (Evaluation).
3.5
Unterstützung der Schulaufsicht
Schulpsychologen unterstützen die Schulaufsicht durch
  • Beratung in psychologisch-pädagogischen Fragen,
  • Anfertigung von Gutachten zur Vorbereitung von Entscheidungen, insbesondere die Schulpflicht (§§ 27, 29, 30 SchulG) betreffend,
  • Begleitung von Schulversuchen,
  • Mitwirkung bei der Fortbildung der Schulaufsicht.
4
Arbeitsweise
4.1
Schulpsychologen werden im Rahmen ihrer Aufgabenschwerpunkte auf Veranlassung von Lehrern, Schulleitern oder Mitarbeitern der Schulaufsicht, aber auch auf unmittelbare Anforderung von Schülern und Sorgeberechtigten beratend tätig.
4.2
Schulpsychologen gewinnen die für den jeweiligen Beratungsfall erforderlichen personenbezogenen Informationen durch Anamnese, Gespräche, Verhaltensbeobachtungen und weitere psychodiagnostische Verfahren. Dabei sind nur die zur Erfüllung der Beratungsaufgaben erforderlichen personenbezogenen Informationen und Daten zu erheben.
4.3
Schulpsychologische Untersuchungen und Beratungen sind in der Regel unter Ausschluss Dritter durchzuführen. In Ausnahmefällen entscheiden die Schulpsychologen nach pflichtgemäßem Ermessen über das Hinzuziehen dritter Personen und holen dazu das schriftliche Einverständnis des betroffenen Schülers bzw. der Sorgeberechtigten (vgl. 5.1) ein.
4.4
Die Schulleiter und Lehrkräfte gewähren den Schulpsychologen die notwendige Unterstützung bei ihrer Arbeit. Schulpsychologen sind im Rahmen ihrer Tätigkeit berechtigt, mit Zustimmung des Schulleiters und in Absprache mit den beteiligten Lehrkräften Unterrichtsbesuche durchzuführen und an Konferenzen teilzunehmen.
4.5
Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung arbeiten Schulpsychologen eng mit den Beratungslehrern der Schulen zusammen.
4.6
Schulpsychologen nehmen im erforderlichen Fall bei vorliegendem Einverständnis der Betroffenen (vgl. 5.1) Kontakt mit Personen oder Institutionen auf, die an der Erziehung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mitwirken. Insbesondere sind zu nennen:
  • Jugend-, Gesundheits-, Sozial- und Arbeitsämter,
  • Beratungsstellen und Einrichtungen freier Träger.
5
Einverständnis der Betroffenen
5.1
Jede auf die Person eines Schülers bezogene Tätigkeit der Schulpsychologen erfolgt grundsätzlich nur mit Einverständnis
  • der Sorgeberechtigten des betroffenen Schülers, sofern dieser das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
  • der Sorgeberechtigten und des betroffenen Schülers, sofern dieser das l4. Lebensjahr vollendet hat,
  • des betroffenen volljährigen Schülers.
Eine Ausnahme besteht, wenn besondere Rechtsvorschriften vorliegen.
5.2
Führen Schulpsychologen Untersuchungen durch, zu deren Teilnahme der betroffenen Schüler aufgrund von Rechtsvorschriften (§ 27, 29, 30 SchulG) verpflichtet ist, bedarf es keiner Einwilligung des betroffenen Schülers bzw. der Sorgeberechtigten. In diesem Fall sind sie jedoch darauf hinzuweisen, dass der Schulpsychologe gutachterlich und nicht beratend tätig wird.
5.3
Werden Schulpsychologen auf Veranlassung von Lehrern, Schulleitern oder Mitarbeitern der Schulaufsicht beratend tätig und der betroffene Schüler ist zur Teilnahme an erforderlichen Untersuchungen nicht durch Rechtsvorschriften verpflichtet, so dürfen die erforderlichen Untersuchungen nur durchgeführt werden, wenn der betroffene Schüler bzw. die Sorgeberechtigten (vgl. 5.1) vorab schriftlich erklärt, dass sie mit der Untersuchung sowie mit der Bekanntgabe der Ergebnisse an den Auftraggeber in dem für die Fragestellung erforderlichen Umfang einverstanden sind.
5.4
Werden Schulpsychologen auf Wunsch minderjähriger Schüler tätig, ist eine erste Beratung ohne Zustimmung der Sorgeberechtigten zulässig. Sind darüber hinaus weitere Maßnahmen erforderlich, dürfen diese nur durchgeführt werden, wenn das schriftliche Einverständnis der Sorgeberechtigten vorliegt.
5.5
In Ausnahmefällen, in denen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Unterrichtung der Sorgeberechtigten das körperliche, geistige oder seelische Wohl des betroffenen Schülers gefährdet, entfallen die unter Abschnitt 5.1, 5.3 und 5.4 diesbezüglich genannten Auflagen der Schulpsychologen. Der Ausnahmefall ist zu dokumentieren.
6
Verschwiegenheitspflicht und Auskunftserteilung
6.1
Schulpsychologen sind zur Verschwiegenheit über die ihnen in Ausübung ihres Amtes bekanntgewordenen Tatsachen und Ergebnisse verpflichtet. Als Berufspsychologen unterliegen sie darüber hinaus einer besonderen Schweigepflicht gegenüber Dritten, deren Verletzung gemäß § 203 Abs. 1 StGB unter Strafe gestellt ist und von der nur der Betroffene selbst (vgl. 5.1) sie entbinden kann.
6.2
Eine besondere Offenbarungsbefugnis besteht in den Fällen, in denen die Weitergabe von Informationen zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben und Gesundheit des Betroffenen unabdingbar ist (rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB). Im Zweifelsfall entscheidet darüber der Referatsleiter.
6.3
Sollen Auskünfte an Lehrer, Schulleiter, Mitarbeiter der Schulaufsicht oder andere Stellen erteilt werden, so ist dies in den unter 5.2 genannten Fällen in dem für die Fragestellung erforderlichen Umfang unmittelbar zulässig. In allen anderen Fällen ist die schriftliche Zustimmung des betroffenen Schülers bzw. der Sorgeberechtigten (vgl. 5.1) erforderlich. Die Einwilligung muss sich sowohl auf die Person, der eine Auskunft erteilt werden soll, als auch auf den inhaltlichen Umfang beziehen.
6.4
Werden personenbezogene Daten über Schüler unter Beachtung der Festlegungen des Abschnitts 6.2 und 6.3 weitergegeben, so ist darüber ein Weitergabevermerk anzufertigen. In dem Vermerk ist zu begründen, warum Daten übermittelt werden. Es ist die Aufgabe zu benennen, zu deren Erfüllung die Übermittlung der Daten notwendig ist.
6.5
Für Aussagen vor Gericht bedarf der Schulpsychologe der Genehmigung des Behördenleiters. Darüber hinaus ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit zusätzlich die Entbindung von der Schweigepflicht durch den betroffenen Schüler bzw. die Sorgeberechtigten (vgl. 5.1) erforderlich ist.
7
Behandlung von Schriftgut
7.1
Schulpsychologen führen Aufzeichnungen über ihre Tätigkeit und sind zu einer ordentlichen Aktenführung verpflichtet. Die Aufzeichnungen sind nicht Bestandteil der Schülerakte.
7.2
Der zuständige Schulpsychologe ist dafür verantwortlich, dass alle der Schweigepflicht unterliegenden Unterlagen vor dem Zugriff durch Unbefugte gesichert sind. Die Akten sind bis zum Ablauf von drei Jahren nach Beendigung der Schulpflicht des Schülers aufzubewahren. Danach sind sie zu vernichten.
7.3
Die Posteingänge und Postausgänge des Referates „Schulpsychologische Beratungsstelle“ sind vertraulich zu behandeln, soweit sie personenbezogene Daten beinhalten, die der Schweigepflicht (vgl. 6.1) unterliegen.
8
Inkrafttreten
8.1
Die Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
8.2
Gleichzeitg tritt die Verwaltungsvorschrift zur Einrichtung Schulpsychologischer Beratungsstellen im Freistaat Sachsen vom 01.06.92, zuletzt geändert am 04.10.95 (Amtsblatt des SMK Nr. 14/1995 vom 14.11.95, S. 346) sowie die Verwaltungsvorschrift zur Tätigkeit der Schulpsychologen im Freistaat Sachsen vom 01.06.92 (Amtsblatt des SMK Nr. 10/1992, S. 47) außer Kraft.

Dresden, den 6. August 1999

Sächsiches Staatsministerium für Kultus
Günther Portune
Staatssekretär

Änderungsvorschriften