Historische Fassung war gültig vom 01.02.2014 bis 24.05.2018

Archivgesetz
für den Freistaat Sachsen
(SächsArchivG) 1

Vom 17. Mai 1993

Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. Februar 2014

Der Sächsische Landtag hat am 22. April 1993 das folgende Gesetz beschlossen:

Erster Abschnitt
Allgemeines

§ 1
Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt die Archivierung von Unterlagen im Sächsischen Staatsarchiv und in den Archiven der der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie die Archivierung von Unterlagen im Archiv des Sächsischen Landtages nach Maßgabe des § 12 Abs. 2.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die öffentlich-rechtlichen Unternehmen, die am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen, sowie deren Zusammenschlüsse. 3

§ 2
Begriffsbestimmungen

(1) Archivgut sind alle in das Archiv übernommenen archivwürdigen Unterlagen mit den zu ihrer Nutzung nötigen Hilfsmitteln. Archivwürdige Unterlagen entstehen beim Landtag, bei Gerichten, Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen, bei natürlichen Personen oder bei juristischen Personen des Privatrechts. Zum Archivgut zählt auch Dokumentationsmaterial, das von den Archiven ergänzend gesammelt wird.

(2) Unterlagen sind unabhängig von ihrer Speicherungsform alle Aufzeichnungen, insbesondere Urkunden, Amtsbücher, Akten, Einzelschriftstücke, Karten, Risse, Pläne, Medaillen, Bilder, Filme, Tonaufzeichnungen.

(3) Archivwürdig sind Unterlagen, denen ein bleibender Wert für Gesetzgebung, Rechtsprechung, Regierung und Verwaltung, für Wissenschaft und Forschung oder für die Sicherung berechtigter Belange betroffener Personen und Institutionen oder Dritter zukommt.

(4) Das Archivieren beinhaltet das Erfassen und Bewerten von Unterlagen und das Übernehmen, Verwahren, Erhalten, Erschließen sowie Nutzbarmachen und Auswerten von Archivgut.

(5) Als Entstehung gilt der Zeitpunkt der letzten Bearbeitung der Unterlagen. 4

Zweiter Abschnitt
Staatliches Archivwesen

§ 3
Organisation des staatlichen Archivwesens

(1) Der Freistaat Sachsen unterhält für die Erfüllung aller staatlichen Archivaufgaben das Sächsische Staatsarchiv.

(2) Oberste Aufsichtsbehörde für das staatliche Archivwesen ist das Staatsministerium des Innern.

(3) Die oberste Aufsichtsbehörde kann die Erfüllung einzelner Aufgaben des Sächsischen Staatsarchivs durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung auf andere Archive öffentlich-rechtlicher Trägerschaft übertragen, wenn dies besonderen historischen Interessen entspricht. 5

§ 4
Aufgaben des Sächsischen Staatsarchivs

(1) Das Sächsische Staatsarchiv ist Fachbehörde für alle Aufgaben des Archivwesens.

(2) Das Sächsische Staatsarchiv archiviert die Unterlagen der Gerichte, Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Sachsen nach Maßgabe dieses Gesetzes. Diese Aufgabe erstreckt sich auch auf die Unterlagen der Rechtsvorgänger des Freistaates Sachsen und der Funktionsvorgänger der in Satz 1 genannten Stellen sowie aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 auf die Unterlagen der ehemaligen staatlichen oder wirtschaftsleitenden Organe, der Kombinate, Betriebe, Genossenschaften, Einrichtungen und Parteien, gesellschaftlichen Organisationen und juristischen Personen, soweit diese Unterlagen nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 durch kommunale Archive archiviert werden. Es archiviert auch das Archivgut der ehemaligen Deutschen Zentralstelle für Genealogie.

(3) Das Sächsische Staatsarchiv kann, soweit das Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz – BArchG) vom 6. Januar 1988 (BGBl. I S. 62), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 2013 (BGBl. I S. 1888), in der jeweils geltenden Fassung, es zulässt, Unterlagen von Stellen des Bundes und Archivgut des Bundes übernehmen, wenn hierfür ein öffentliches Interesse des Freistaates Sachsen besteht. Die Benutzung des Archivgutes richtet sich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit Rechtsvorschriften des Bundes nichts anderes bestimmen.

(4) Das Sächsische Staatsarchiv kann auch von anderen als den in § 5 Abs. 1 genannten Stellen oder Personen Archivgut aufgrund von besonderen Rechtsvorschriften, Vereinbarungen oder letztwilligen Verfügungen übernehmen. Die §§ 7 und 8 gelten in diesen Fällen sinngemäß, sofern die Rechtsvorschriften, Vereinbarungen oder letztwilligen Verfügungen nichts anderes bestimmen.

(5) Im Rahmen seiner Zuständigkeit berät das Sächsische Staatsarchiv die Gerichte, Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Sachsen bei der Verwaltung und Sicherung ihrer Unterlagen. Dieses ist bei der Einführung neuer oder wesentlicher Änderung bestehender Systeme der Informationstechnologie anzuhören, wenn diese Bezüge zur Archivierung elektronischer Unterlagen enthalten.

(6) Das Sächsische Staatsarchiv berät nichtstaatliche Archive. Wenn ein öffentliches Interesse gegeben ist, kann das Sächsische Staatsarchiv private Eigentümer von Archivgut beraten.

(7) Das Sächsische Staatsarchiv nimmt Aufgaben im Rahmen der archivarischen Aus- und Fortbildung wahr.

(8) Das Staatsministerium des Innern kann dem Sächsischen Staatsarchiv weitere Aufgaben übertragen, die in sachlichem Zusammenhang mit dem Archivwesen oder der wissenschaftlichen Forschung stehen. 6

§ 5
Anbietung und Übernahme

(1) Die Gerichte, Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Sachsen (anbietungspflichtige Stellen) haben dem Sächsischen Staatsarchiv alle Unterlagen zur Übernahme anzubieten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigen. Abweichend von Satz 1 sind die Unterlagen jedoch spätestens 30 Jahre nach ihrer Entstehung dem Sächsischen Staatsarchiv anzubieten, sofern nicht durch Bundes- oder Landesrecht oder Verwaltungsvorschriften der obersten Bundes- oder Staatsbehörden längere Aufbewahrungsfristen bestimmt werden. Abweichend von Satz 1 sind elektronische Unterlagen, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen, ebenfalls anzubieten. Näheres regeln das Sächsische Staatsarchiv und die fachlich zuständige Behörde einvernehmlich.

(2) Soweit Bundes- oder Landesrecht nichts anderes bestimmt, erstreckt sich die Anbietungspflicht auch auf Unterlagen, die dem Datenschutz oder dem Geheimschutz unterliegen, sowie auf Unterlagen, die personenbezogene Daten enthalten, welche nach Bundes- oder Landesrecht gesperrt, gelöscht oder vernichtet werden müssten oder könnten. Soweit die Speicherung der Daten unzulässig war, ist dieses besonders zu kennzeichnen.

(3) Werden gemäß Absatz 1 anbietungspflichtige Stellen in eine nichtstaatliche Trägerschaft überführt oder deren Aufgaben auf eine nichtstaatliche Stelle übertragen, haben sie alle Unterlagen, die zum Wirksamwerden der Änderung vorhanden sind, unverzüglich zu erfassen und dem Sächsischen Staatsarchiv ein Verzeichnis dieser Unterlagen zu übermitteln. Die Unterlagen sind dem Sächsischen Staatsarchiv anzubieten, sobald sie zur Erfüllung der Aufgaben nicht mehr benötigt werden. Absatz 1 Satz 3 und 4 sowie die Absätze 6 und 7 gelten entsprechend.

(4) Zur Anbietung sind auch alle Personen und Stellen im Freistaat Sachsen verpflichtet, die die tatsächliche Verfügungsgewalt über Unterlagen im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 besitzen.

(5) Die anbietungspflichtigen Stellen sind verpflichtet, die von ihnen herausgegebenen Veröffentlichungen unmittelbar nach Erscheinen einfach an das Sächsische Staatsarchiv abzugeben.

(6) Das Sächsische Staatsarchiv entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 und 2 innerhalb von sechs Monaten über die Archivwürdigkeit der Unterlagen. Zur Feststellung der Archivwürdigkeit ist den Bediensteten des Sächsischen Staatsarchivs Einsicht in die Unterlagen und die dazugehörigen Registraturhilfsmittel zu gewähren. Nach Ablauf dieser Frist entfällt die Verpflichtung zur weiteren Aufbewahrung.

(7) Wird die Archivwürdigkeit bejaht, hat die anbietende Stelle die Unterlagen anhand von Ablieferungsnachweisen innerhalb von sechs Monaten an das Sächsische Staatsarchiv zur Übernahme zu übergeben. Wird die Archivwürdigkeit verneint, so hat die anbietende Stelle die Unterlagen zu vernichten, wenn weder Rechtsvorschriften noch schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen. Über die Vernichtung ist ein Nachweis zu fertigen, der 30 Jahre aufzubewahren ist.

(8) Das Sächsische Staatsarchiv kann Unterlagen bereits vor Ablauf der für die abgebende Stelle jeweils geltenden Aufbewahrungsfrist übernehmen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegten Aufbewahrungsfristen werden auch durch die Aufbewahrung im Archiv eingehalten.

(9) Das Sächsische Staatsarchiv kann auf die Anbietung von Unterlagen ohne bleibenden Wert verzichten und für diese unbefristete Vernichtungsgenehmigungen erteilen. Absatz 7 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Das fachlich zuständige Staatsministerium kann im Einvernehmen mit dem Sächsischen Staatsarchiv durch Verwaltungsvorschrift Art und Umfang der anzubietenden Unterlagen bestimmen.

(10) Das Sächsische Staatsarchiv hat nach der Übernahme ebenso wie die abgebende Stelle die schutzwürdigen Belange Betroffener zu berücksichtigen; insbesondere hat es bei Unterlagen mit personenbezogenen Daten bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Vorschriften über die Verarbeitung und Sicherung dieser Unterlagen zu beachten, die für die abgebende Stelle gelten. 7

§ 6
Rechtsansprüche Betroffener

(1) Rechtsansprüche Betroffener auf Auskunft über die im Archivgut zu ihrer Person enthaltenen Daten bleiben unberührt, soweit das Archivgut durch Namen der Personen erschlossen ist. Anstelle einer Auskunft kann Einsicht in das Archivgut gewährt werden.

(2) Wird die Unrichtigkeit personenbezogener Daten festgestellt, ist dies in den betreffenden Unterlagen auf geeignete Weise zu vermerken. Wer die Richtigkeit von Angaben zu seiner Person bestreitet, kann verlangen, dass dem Archivgut seine Gegendarstellung beigefügt wird, wenn er ein berechtigtes Interesse daran glaubhaft macht. Nach seinem Tod steht dieses Recht den Angehörigen nach § 10 Abs. 4 Satz 2 zu.

(3) Jedermann hat das Recht, vom Sächsischen Staatsarchiv Auskunft darüber zu verlangen, ob in dem Archivgut nach § 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Daten zu seiner Person enthalten sind, soweit das Archivgut durch Namen erschlossen ist oder sonst mit vertretbarem Aufwand ermittelt werden kann. Ist das der Fall, hat er das Recht auf Einsicht und Herausgabe von Kopien der Unterlagen. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 sowie 3 bis 6 gelten entsprechend. 8

§ 7
Deposita

(1) Die in den § 13 aufgeführten Stellen können ihr Archivgut dem Sächsischen Staatsarchiv als Depositum unter Wahrung des Eigentums zur Übernahme anbieten. Das Gleiche gilt für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und ihre Untergliederungen sowie für natürliche und juristische Personen des Privatrechts. Zwischen dem Eigentümer des Archivgutes und dem Sächsischen Staatsarchiv ist ein Depositalvertrag abzuschließen.

(2) Das Sächsische Staatsarchiv ist zur Übernahme nicht verpflichtet.

(3) Depositalgut unterliegt den gleichen Bestimmungen wie das öffentliche Archivgut, sofern nicht durch Depositalverträge etwas anderes bestimmt wird. 9

§ 8
Verwaltung und Sicherung des Archivgutes

(1) Das Sächsische Staatsarchiv hat das Verfügungsrecht über das Archivgut und ist verpflichtet, das Archivgut nach archivwissenschaftlichen Erkenntnissen zu bearbeiten und einer ordnungsgemäßen Benutzung zugänglich zu machen.

(2) Durch die Feststellung der Archivwürdigkeit und die Übernahme der Unterlagen gemäß § 5 Abs. 7 erfolgt ihre Widmung zu öffentlichem Archivgut. Die Widmung begründet eine hoheitliche Sachherrschaft, die durch bürgerlich-rechtliche Verfügungen nicht berührt wird. Das Sächsische Staatsarchiv kann von dem Besitzer die Herausgabe des öffentlichen Archivgutes verlangen.

(3) Das Archivgut ist in seiner Entstehungsform zu erhalten, soweit nicht archivfachliche Belange entgegenstehen. Es ist nachhaltig vor Schäden, Verlust, Vernichtung oder unbefugter Nutzung zu schützen.

(4) Archivgut ist ein Bestandteil des Landeskulturgutes; seine Veräußerung ist verboten. 10

§ 9
Benutzung des Archivgutes

(1) Jedermann hat vorbehaltlich der Rechte aus § 6 nach Maßgabe der aufgrund von § 16 Nr. 1 erlassenen Rechtsverordnungen das Recht, das Archivgut des Freistaates Sachsen zu nutzen.

(2) Die Benutzung ist einzuschränken oder zu versagen, wenn

1.
Grund zur Annahme besteht, dass das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde,
2.
Grund zur Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen,
3.
Rechtsvorschriften über Geheimhaltung verletzt würden,
4.
der Erhaltungszustand des Archivgutes entgegensteht,
5.
ein nicht vertretbarer Arbeitsaufwand entstehen würde oder
6.
Vereinbarungen mit gegenwärtigen oder früheren Eigentümern entgegenstehen.

Die Nutzung kann aus anderen wichtigen Gründen eingeschränkt oder versagt werden. Die Entscheidung trifft das Sächsische Staatsarchiv.

(3) Der Benutzer ist verpflichtet, ein Belegexemplar eines Werkes, das er unter wesentlicher Verwendung von Archivgut des Sächsischen Staatsarchivs verfasst oder erstellt hat, unentgeltlich an das Sächsische Staatsarchiv abzugeben. 11

§ 10
Schutzfristen

(1) Die Benutzung von Archivgut ist unbeschadet § 9 Abs. 2 erst nach Ablauf von Fristen (Schutzfristen) zulässig. Für die Benutzung von Archivgut gelten folgende Schutzfristen:

1.
eine allgemeine Schutzfrist von 30 Jahren nach Entstehung der Unterlagen,
2.
eine Schutzfrist von 60 Jahren nach Entstehung der Unterlagen, die sich nach ihrer Zweckbestimmung auf einen durch ein Berufsgeheimnis, ein besonderes Amtsgeheimnis oder einen durch sonstige Rechtsvorschrift über Geheimhaltung geschützten Lebenssachverhalt beziehen, und
3.
eine Schutzfrist von
 
a)
10 Jahren nach dem Tod der Person oder
 
b)
100 Jahren nach der Geburt der Person, wenn das Todesjahr nur mit unverhältnismäßigem Aufwand feststellbar ist, oder
 
c)
60 Jahren nach der Entstehung der Unterlagen, wenn weder das Todesjahr noch das Geburtsjahr feststellbar ist,
 
für Archivgut, das sich seiner Zweckbestimmung oder seinem wesentlichen Inhalt nach auf eine oder mehrere natürliche Personen bezieht (personenbezogenes Archivgut).

Für Archivgut, das Rechtsvorschriften des Bundes über die Geheimhaltung unterliegt, gelten die Schutzfristen des § 5 BArchG entsprechend.

(2) Die Schutzfristen nach Absatz 1 gelten nicht für solche Unterlagen, die bereits bei ihrer Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt waren. Die Schutzfristen nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 gelten nicht für Archivgut nach § 4 Abs. 2 Satz 2. Für Amtsträger in Ausübung ihrer Ämter und absolute Personen der Zeitgeschichte, soweit nicht ihr schutzwürdiger privater Lebensbereich betroffen ist, gilt die Schutzfrist des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 3 nicht. Entsprechendes gilt auch für Mitarbeiter der in § 4 Abs. 2 Satz 2 genannten Stellen.

(3) Die in Absatz 1 festgelegten Schutzfristen gelten auch bei der Benutzung durch öffentliche Stellen. Für die abgebenden öffentlichen Stellen gelten die Schutzfristen des Absatzes 1 nur für Unterlagen, die bei ihnen aufgrund besonderer Vorschriften hätten gesperrt, gelöscht oder vernichtet werden müssen.

(4) Eine Benutzung personenbezogenen Archivgutes ist unabhängig von den in Absatz 1 genannten Schutzfristen zulässig, wenn die Person, auf die sich das Archivgut bezieht, eingewilligt hat. Nach dem Tod der Person ist die Einwilligung von dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner, nach dessen Tod von den geschäftsfähigen Kindern der betroffenen Person und, wenn weder ein Ehegatte noch Kinder vorhanden sind, von den Eltern der betroffenen Person zu erklären.

(5) Die Schutzfristen nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 können im Einzelfall verkürzt werden, wenn es im öffentlichen Interesse liegt. Bei personenbezogenem Archivgut ist eine Verkürzung nur zulässig, wenn die Benutzung für ein konkretes Forschungsvorhaben oder zur Wahrnehmung berechtigter Belange einer anderen Person oder öffentlichen Stelle erforderlich ist und wenn das öffentliche Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens oder die berechtigten Belange einer anderen Person oder öffentlichen Stelle die schutzwürdigen Belange der Person, auf die sich das Archivgut bezieht, überwiegen. Soweit der Forschungszweck es zulässt, sind die Forschungsergebnisse ohne personenbezogene Angaben aus dem Archivgut zu veröffentlichen. 12

§ 11
Übermittlung von Vervielfältigungen von Archivgut in besonderen Fällen

(1) Das Sächsische Staatsarchiv kann Archiven, Museen und Forschungsstellen, die zu dem Zweck unterhalten werden, das Schicksal natürlicher Personen unter staatlicher Gewaltherrschaft darzustellen und zu erforschen, Vervielfältigungen von Archivgut vor Ablauf der Schutzfristen übermitteln, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Übermittlung besteht. Die Übermittlung ist nur zulässig, wenn die empfangende Stelle ausreichende Garantien hinsichtlich des Schutzes des Persönlichkeitsrechts und der Ausübung der damit verbundenen Rechte bietet und sich in einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Sächsischen Staatsarchiv verpflichtet, die §§ 6 und 10 entsprechend anzuwenden.

(2) Die Übermittlung bedarf der Zustimmung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte ist vor der Übermittlung in Drittländer im Sinne des § 17 des Gesetzes zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Datenschutzgesetz – SächsDSG) vom 25. August 2003 (SächsGVBl. S. 330), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Juli 2011 (SächsGVBl. S. 270), in der jeweils geltenden Fassung, anzuhören. 13

Dritter Abschnitt
Archive sonstiger öffentlicher Stellen

§ 12
Archiv des Landtages

(1) Der Sächsische Landtag unterhält ein eigenes Archiv. Er ist für die Archivierung der Unterlagen des Landtages, seiner Ausschüsse und sonstigen Gremien sowie seiner Verwaltung zuständig. § 3 Abs. 2 gilt nicht. Für die Unterlagen des Sächsischen Datenschutzbeauftragten gelten § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1.
(2) Für das Archiv des Sächsischen Landtages gelten § 5 Abs. 2 und 10, §§ 6, 8 bis 10 und § 11 Abs. 1 und 2 Satz 2 sinngemäß. Die Einzelheiten der Archivierung und Benutzung regelt der Sächsische Landtag in eigener Zuständigkeit.
(3) Der Sächsische Landtag kann Archivgut und bei ihm entstandene Unterlagen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht mehr benötigt, dem Sächsischen Staatsarchiv zur Übernahme anbieten. 14

§ 13
Kommunale Archive

(1) Die kommunalen Träger der Selbstverwaltung, deren Verbände sowie kommunale Stiftungen archivieren ihr Archivgut im Sinne von § 2 einschließlich des von ihnen übernommenen Archivgutes nach § 4 Abs. 2 zur allgemeinen Nutzung in eigener Zuständigkeit. Die Archive der Landkreise und Gemeinden sind auch zuständig für die Archivierung der vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 entstandenen Unterlagen der staatlichen oder wirtschaftsleitenden Organe, Kombinate, Betriebe, Genossenschaften und Einrichtungen der Kreise, Städte und Gemeinden.

(2) Die kommunalen Träger der Selbstverwaltung, deren Verbände sowie kommunale Stiftungen unterhalten zu diesem Zweck eigene oder gemeinsame Archive in öffentlich-rechtlicher Form, die den archivfachlichen Anforderungen hinsichtlich Personal, Räumen und Ausstattung entsprechen müssen. Die Archive sind durch Bedienstete mit einer archivfachlichen Ausbildung zu führen.

(3) Unterhalten kreisangehörige kommunale Körperschaften keine eigenen oder gemeinsamen Archive, übernimmt das zuständige Archiv des Landkreises archivwürdige Unterlagen und Archivgut. Die abgebende Körperschaft ist zum Kostenausgleich verpflichtet. Das Eigentum am Archivgut bleibt unberührt.

(4) § 4 Abs. 4 und 5 Satz 2, § 5 Abs. 1 bis 3 und 5 bis 10 sowie §§ 6 bis 11 gelten entsprechend. Die Rechtsträger der Archive erlassen eine Archivsatzung. 15

§ 14
Archive von Hochschulen und Akademien

(1) Die staatlichen Hochschulen und die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig verwahren, erhalten und erschließen ihr Archivgut im Sinne von § 2 zur allgemeinen Nutzung in eigener Zuständigkeit.

(2) § 13 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend. 16

§ 15
Andere öffentliche Archive

(1) Die sonstigen der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts können mit Zustimmung des Staatsministeriums des Innern eigene fachlich geleitete Archive oder zusammen mit anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder anderen öffentlichen Archiven gemeinsame Archive unterhalten, die der Fachaufsicht des Sächsischen Staatsarchivs unterstehen. Sofern sie keine eigenen oder gemeinsamen Archive unterhalten, haben sie die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigten Unterlagen dem Sächsischen Staatsarchiv nach Maßgabe des § 5 zur Übernahme anzubieten. Das Eigentum am Archivgut bleibt unberührt.

(2) § 13 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend. 17

Vierter Abschnitt
Schlussbestimmungen

§ 16
Verordnungsermächtigung

Das Staatsministerium des Innern regelt durch Rechtsverordnung

1.
die Benutzung des Sächsischen Staatsarchivs einschließlich der dafür zu erhebenden Gebühren und Auslagen sowie
2.
die Anbietung und Übernahme elektronischer Unterlagen sowie
3.
eine Ablieferungspflicht von Belegexemplaren von im Freistaat Sachsen hergestellten oder herausgegebenen Medaillen an das Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden. Dabei ist vorzusehen, dass das Münzkabinett dem Ablieferungspflichtigen auf Antrag bis zur Hälfte des Ladenpreises oder mangels eines solchen der Herstellungskosten erstattet, wenn für ihn die unentgeltliche Abgabe insbesondere wegen der hohen Herstellungskosten und der geringen Auflage im Einzelfall unzumutbar ist. 18

§ 17
Besondere personenbezogene Daten

Die §§ 5, 6, 9, 10 und 11 finden auch Anwendung auf personenbezogene Daten nach § 4 Abs. 2 SächsDSG. 19

§ 18
Einschränkung eines Grundrechts

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs.1 des Grundgesetzes, Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen) wird durch dieses Gesetz eingeschränkt.

§ 17
Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

(2) Gleichzeitig tritt die Verordnung über das staatliche Archivwesen der DDR vom 11. März 1976 (GBl. I Nr. 10 S. 165) außer Kraft. 20

Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.

Dresden, den 17. Mai 1993

Der Landtagspräsident
Erich Iltgen

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert