Bekanntmachung
der Neufassung des Polizeigesetzes
des Freistaates Sachsen
Vom 13. August 1999
Auf Grund des Artikels 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen vom 21. Juni 1999 (SächsGVBl. S. 330) wird nachstehend der Wortlaut des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen in der seit 1. Juli 1999 geltenden Fassung bekannt gemacht.
Die Neufassung berücksichtigt:
- 1.
- das Polizeigesetz des Freistaates Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. August 1994 (SächsGVBl. S. 1541),
- 2.
- den am 31. Dezember 1998 in Kraft getretenen § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Regierungspräsidien im Freistaat Sachsen vom 10. Dezember 1998 (SächsGVBl. S. 661),
- 3.
- den am 1. Juli 1999 in Kraft getretenen Artikel 1 des eingangs genannten Gesetzes vom 21. Juni 1999.
Dresden, den 13. August 1999
Der Staatsminister des Innern
Klaus Hardraht
Polizeigesetz
des Freistaates Sachsen
(SächsPolG)
Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. Januar 2013
Inhaltsübersicht 1
Teil 1
Das Recht der Polizei
Abschnitt 1
Aufgaben der Polizei
- § 1
- Allgemeines
- § 2
- Tätigwerden für andere Stellen
Abschnitt 2
Befugnisse der Polizei
Unterabschnitt 1
Allgemeines
- § 3
- Polizeiliche Maßnahmen
- § 4
- Maßnahmen gegenüber dem Verursacher
- § 5
- Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt
- § 6
- Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme
- § 7
- Maßnahmen gegenüber Unbeteiligten
- § 8
- Ausweispflicht
Unterabschnitt 2
Polizeiverordnungen
- § 9
- Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen
- § 9a
- Ermächtigung zum Erlass örtlich und zeitlich begrenzter Alkoholkonsumverbote
- § 10
- Inhalt
- § 11
- Formerfordernisse
- § 12
- Zuständigkeit
- § 13
- Eintritt der zur Fachaufsicht zuständigen Behörde
- § 14
- Polizeiverordnungen der Orts- und Kreispolizeibehörden
- § 15
- Prüfung durch die Fachaufsichtsbehörde
- § 16
- Außer-Kraft-Treten
- § 17
- Ordnungswidrigkeiten
Unterabschnitt 3
Einzelmaßnahmen
- § 18
- Befragung, Vorladung, Vernehmung
- § 19
- Identitätsfeststellung
- § 19a
- Anlassbezogene mobile automatisierte Kennzeichenerkennung
- § 20
- Erkennungsdienstliche Maßnahmen
- § 21
- Platzverweis, Aufenthaltsverbot, Wohnungsverweisung
- § 22
- Gewahrsam
- § 23
- Durchsuchung von Personen
- § 24
- Durchsuchung von Sachen
- § 25
- Betreten und Durchsuchung von Wohnungen
- § 26
- Sicherstellung
- § 27
- Beschlagnahme
- § 28
- Einziehung
- § 29
- Verwahrung und Notveräußerung sichergestellter und beschlagnahmter Sachen
Unterabschnitt 4
Polizeizwang
- § 30
- Allgemeines, Zuständigkeit
- § 31
- Begriff und Mittel des unmittelbaren Zwangs
- § 32
- Voraussetzungen und Durchführung des unmittelbaren Zwangs
- § 33
- Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs
- § 34
- Schusswaffengebrauch gegenüber Personen
- § 34a
- Zurückbehaltungsbefugnis
Abschnitt 3
Datenverarbeitung des Polizeivollzugsdienstes
Unterabschnitt 1
Allgemeines
- § 35
- Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Unterabschnitt 2
Erhebung von Daten
- § 36
- Grundregeln der Erhebung von Daten
- § 37
- Erhebung von Daten bei öffentlichen Veranstaltungen, Ansammlungen und besonders gefährdeten Objekten
- § 38
- Längerfristige Observation, Bild- und Tonaufnahmen und -aufzeichnungen, Verdeckte Ermittler und polizeiliche Beobachtung
- § 39
- Besondere Bestimmungen über den Einsatz Verdeckter Ermittler
- § 40
- Besondere Bestimmungen zur polizeilichen Beobachtung
- § 41
- Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen
- § 42
- (aufgehoben)
Unterabschnitt 3
Sonstige Verarbeitung von Daten
- § 43
- Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten
- § 44
- Datenübermittlung zum Zwecke einer Zuverlässigkeitsüberprüfung
- § 45
- Datenübermittlung an nichtöffentliche Stellen
- § 46
- Datenabgleich
- § 47
- Rasterfahndung
- § 48
- Automatisiertes Abrufverfahren
- § 49
- Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten
- § 50
- Errichtungsanordnung
- § 51
- Auskunft
Abschnitt 4
Entschädigung
- § 52
- Voraussetzungen
- § 53
- Inhalt, Art und Umfang der Entschädigung
- § 54
- Ansprüche mittelbar Geschädigter
- § 55
- (aufgehoben)
- § 56
- Entschädigungspflichtiger
- § 57
- Rückgriff gegen den Verantwortlichen
- § 58
- Rechtsweg
Teil 2
Die Organisation der Polizei
Abschnitt 1
Gliederung und Aufgabenverteilung
- § 59
- Allgemeines
- § 60
- Zuständigkeitsabgrenzung
- § 61
- Vollzugshilfe
- § 62
- Verfahren
- § 63
- Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung
Abschnitt 2
Die Polizeibehörden
- § 64
- Arten der Polizeibehörden
- § 65
- Dienstaufsicht
- § 66
- Fachaufsicht
- § 67
- Weisungsrecht und Unterrichtungspflicht
- § 68
- Allgemeine sachliche Zuständigkeit
- § 69
- Besondere sachliche Zuständigkeit
- § 70
- Örtliche Zuständigkeit
Abschnitt 3
Der Polizeivollzugsdienst
- § 71
- Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst
- § 72
- Aufgaben des Staatsministeriums des Innern
- § 73
- Aufgaben und Gliederung der Polizeidienststellen
- § 74
- Dienstaufsicht und Fachaufsicht
- § 75
- Weisungsrecht der Kreis- und Ortspolizeibehörden
- § 76
- Örtliche Zuständigkeit
- § 77
- Amtshandlungen von Polizeibediensteten anderer Länder und des Bundes im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen
- § 78
- Amtshandlungen von Polizeibediensteten des Freistaates Sachsen außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs
Teil 3
Sonstige Bestimmungen
- § 79
- Einschränkung von Grundrechten
- § 80
- Gemeindliche Vollzugsbedienstete
- § 81
- Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft
- § 82
- Obere Verwaltungsbehörde
- § 83
- Verweisungen
- § 84
- Inkrafttreten
Teil 1
Das Recht der Polizei
Abschnitt 1
Aufgaben der Polizei
§ 1
Allgemeines
(1) Die Polizei hat die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Sie hat insbesondere
- 1.
- die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen und die ungehinderte Ausübung der Grundrechte und der staatsbürgerlichen Rechte zu gewährleisten,
- 2.
- Straftaten zu verhindern und vorbeugend zu bekämpfen und
- 3.
- Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können.
(2) Außerdem hat die Polizei die ihr durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben wahrzunehmen.
§ 2
Tätigwerden für andere Stellen
(1) Ist zur Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe im Sinne des § 1 Abs. 1 nach gesetzlicher Vorschrift eine andere Stelle zuständig und erscheint deren rechtzeitiges Tätigwerden bei Gefahr im Verzug nicht erreichbar, so hat die Polizei die notwendigen vorläufigen Maßnahmen zu treffen. Die zuständige Stelle ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
Abschnitt 2
Befugnisse der Polizei
Unterabschnitt 1
Allgemeines
§ 3
Polizeiliche Maßnahmen
(1) Die Polizei kann innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit die Befugnisse der Polizei nicht besonders geregelt sind.
(2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei diejenige zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheint und den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.
(3) Durch eine polizeiliche Maßnahme darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.
(4) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.
§ 4
Maßnahmen gegenüber dem Verursacher
(1) Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch das Verhalten von Personen bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber demjenigen zu treffen, der die Bedrohung oder die Störung verursacht hat.
(2) Ist die Bedrohung oder die Störung durch eine Person verursacht worden, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber demjenigen treffen, dem die Sorge für diese Person obliegt. Ist für eine Person ein Betreuer bestellt, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber dem Betreuer im Rahmen seines Aufgabenbereichs treffen.
(3) Ist die Bedrohung oder die Störung durch eine Person verursacht worden, die von einem anderen zu einer Verrichtung bestellt worden ist, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber dem anderen treffen.
§ 5
Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt
Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt.
§ 6
Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme
(1) Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei ist nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 4 und 5 bezeichneten Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Der von der Maßnahme Betroffene ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Entstehen der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die in den §§ 4 und 5 bezeichneten Personen zu deren Ersatz verpflichtet.
§ 7
Maßnahmen gegenüber Unbeteiligten
(1) Gegenüber anderen als den in den §§ 4 und 5 bezeichneten Personen kann die Polizei ihre Maßnahmen nur dann treffen, wenn
- 1.
- auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen, oder
- 2.
- durch Maßnahmen nach den §§ 4 bis 6 ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.
(2) Die Maßnahmen dürfen nur aufrechterhalten werden, solange die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.
§ 8
Ausweispflicht
Auf Verlangen des Betroffenen haben sich Bedienstete der Polizeibehörden und des Polizeivollzugsdienstes auszuweisen. Das gilt nicht, wenn die Umstände es nicht zulassen oder dadurch der Zweck der Maßnahme gefährdet wird.
Unterabschnitt 2
Polizeiverordnungen
§ 9
Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen
(1) Die allgemeinen Polizeibehörden können zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz polizeiliche Gebote oder Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (Polizeiverordnungen).
(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes über Polizeiverordnungen sind auch dann anzuwenden, wenn ein anderes Gesetz ausdrücklich zum Erlass von Polizeiverordnungen ermächtigt.
§ 9a
Ermächtigung zum Erlass örtlich und zeitlich begrenzter Alkoholkonsumverbote
(1) Die Ortspolizeibehörden können durch Polizeiverordnung verbieten, auf öffentlichen Flächen außerhalb von genehmigten Außenbewirtschaftungsflächen alkoholische Getränke zu konsumieren oder zum Zwecke des Konsums innerhalb dieser Fläche mitzuführen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich dort Personen aufhalten, die alkoholbedingte Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum begangen haben und künftig begehen werden.
(2) Das Verbot ist auf bestimmte Tage innerhalb einer Woche und Stunden des Tages zu beschränken. Ein generelles Verbot an allen Tagen und über mehr als zwölf Stunden am Tag ist unzulässig. Das Verbot ist örtlich auf den zur Verhütung von Straftaten erforderlichen Umfang zu beschränken. Die örtliche Verbotsbeschränkung nach Satz 3 darf sich lediglich auf einen räumlichen Bereich beziehen, der höchstens durch zwei Plätze und drei Straßen im Sinne des Straßengesetzes für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Straßengesetz – SächsStrG) vom 21. Januar 1993 (SächsGVBl. S. 93), zuletzt geändert durch Artikel 30 des Gesetzes vom 15. Dezember 2010 (SächsGVBl. S. 387, 403), begrenzt wird. Von einer nach Satz 1 und 3 festgesetzten Beschränkung kann die nach Absatz 1 zuständige Behörde in besonderen Fällen Ausnahmen zulassen.
(3) Polizeiverordnungen nach Absatz 1 müssen mindestens einen Monat und dürfen höchstens ein Jahr gelten. Der Erlass einer erneuten Polizeiverordnung ist zulässig, wenn dies zur Abwehr der in Absatz 1 genannten Gefahr zwingend geboten ist. 2
§ 10
Inhalt
Polizeiverordnungen dürfen nicht mit Rechtsvorschriften höheren Ranges in Widerspruch stehen.
§ 11
Formerfordernisse
(1) Polizeiverordnungen müssen
- 1.
- die Rechtsgrundlage angeben, die zu ihrem Erlass ermächtigt,
- 2.
- die erlassende Behörde bezeichnen,
- 3.
- ihren örtlichen Geltungsbereich festlegen,
- 4.
- den Tag bestimmen, an dem sie in Kraft treten.
(2) Polizeiverordnungen sollen
- 1.
- eine ihren Inhalt kennzeichnende Überschrift tragen,
- 2.
- in der Überschrift als Polizeiverordnung bezeichnet sein.
§ 12
Zuständigkeit
Polizeiverordnungen werden von den zuständigen Staatsministerien oder den übrigen allgemeinen Polizeibehörden für ihren Dienstbezirk oder Teile ihres Dienstbezirks erlassen.
§ 13
Eintritt der zur Fachaufsicht zuständigen Behörde
Weigert sich eine Polizeibehörde, eine nach Ansicht einer zur Fachaufsicht zuständigen Behörde erforderliche Polizeiverordnung zu erlassen, so kann die Polizeiverordnung von der nächsthöheren zur Fachaufsicht zuständigen Behörde (§ 66) erlassen werden.
§ 14
Polizeiverordnungen der Orts- und Kreispolizeibehörden
(1) Polizeiverordnungen der Ortspolizeibehörden werden, wenn sie nicht länger als einen Monat gelten sollen, vom Bürgermeister, im Übrigen vom Gemeinderat, erlassen. Sie werden in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinde bestimmten Form verkündet.
(2) Für Polizeiverordnungen der Kreispolizeibehörden gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend. Sie werden in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen des Landkreises, bei Kreisfreien Städten in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinde bestimmten Form, verkündet.
§ 15
Prüfung durch die Fachaufsichtsbehörde
(1) Polizeiverordnungen der Kreispolizeibehörden und der Ortspolizeibehörden sind der nächsthöheren zur Fachaufsicht zuständigen Behörde unverzüglich nach ihrem Erlass vorzulegen.
(2) Beeinträchtigt eine Polizeiverordnung das Wohl des Gemeinwesens, verletzt sie die Rechte Einzelner oder verstößt sie gegen Anordnungen übergeordneter Behörden, so ist sie aufzuheben; verstößt sie gegen § 10, so ist ihre Nichtigkeit festzustellen.
§ 16
Außer-Kraft-Treten
Polizeiverordnungen treten spätestens zehn Jahre nach ihrem In-Kraft-Treten außer Kraft.
§ 17
Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Polizeiverordnung zuwiderhandelt, soweit die Polizeiverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.
(3) Verwaltungsbehörden im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind die Ortspolizeibehörden.
(4) Das fachlich zuständige Staatsministerium kann die Zuständigkeiten nach Absatz 3 durch Rechtsverordnung auf andere Behörden übertragen.
Unterabschnitt 3
Einzelmaßnahmen
§ 18
Befragung, Vorladung, Vernehmung
(1) Die Polizei kann eine Person befragen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben machen kann, die zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind. Für die Dauer der Befragung kann die Person angehalten werden.
(2) Die Polizei kann eine Person vorladen, wenn
- 1.
- Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben machen kann, die zur Wahrnehmung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind,
oder - 2.
- dies zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.
(3) Eine Person, deren Befragung oder Vorladung nach den Absätzen 1 oder 2 zulässig ist, hat auf Verlangen der Polizei anzugeben:
- 1.
- Familiennamen,
- 2.
- Vornamen, unter Kennzeichnung des gebräuchlichen Vornamens (Rufname),
- 3.
- frühere Namen,
- 4.
- Tag und Ort der Geburt,
- 5.
- Anschrift, gegebenenfalls Haupt- und Nebenwohnung,
- 6.
- Staatsangehörigkeiten.
(4) Bei der Vorladung ist deren Grund anzugeben. Bei der Festsetzung des Zeitpunktes soll auf die beruflichen Verpflichtungen und die sonstigen Lebensverhältnisse des Betroffenen Rücksicht genommen werden.
(5) Leistet ein Betroffener der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden, wenn dies
- 1.
- zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte oder
- 2.
- zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.
(6) Eine über Absatz 3 hinausgehende Auskunftspflicht besteht, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur in den Fällen des Absatzes 5 Nr. 1. In entsprechender Anwendung der §§ 52, 53, 53a und 55 Abs. 1 der Strafprozessordnung ( StPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2302) ist ein Betroffener zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, sofern die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leben oder Freiheit einer Person oder einer erheblichen Gesundheitsgefahr zwingend erforderlich ist. Ein Geistlicher ist auch in diesem Fall nicht verpflichtet, Auskunft über Tatsachen zu geben, die ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden sind. Das Speichern, Verändern und Nutzen der nach Satz 3 erhobenen Daten ist nur zulässig, wenn es für den Zweck erfolgt, für den die Daten erhoben worden sind. Vor der Vernehmung ist der Betroffene über ein bestehendes Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
(7) Für die Entschädigung oder Vergütung eines auf Vorladung erscheinenden Zeugen oder Sachverständigen gilt das Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten ( Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 18 Abs. 4 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840, 2859), in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend.
(8) Die Polizei darf keinen unmittelbaren Zwang zur Herbeiführung einer Aussage anwenden.
(9) Für Vernehmungen durch die Polizei, die nicht der Verfolgung einer mit Strafe oder Geldbuße bedrohten Handlung dienen, gelten die §§ 68a, 136a und 69 Abs. 3 StPO entsprechend. 3
§ 19
Identitätsfeststellung
(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen,
- 1.
- um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen,
- 2.
- wenn sie sich an einem Ort aufhält, an dem erfahrungsgemäß Straftäter sich verbergen, Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen oder der Prostitution nachgehen,
- 3.
- wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen,
- 4.
- wenn sie an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 35 Abs. 2) oder im Sinne des § 28 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Versammlungsgesetz – SächsVersG) vom 25. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 54), in der jeweils geltenden Fassung, zu verhindern,
- 5.
- zum Zwecke der vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität im Grenzgebiet zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern, darüber hinaus in öffentlichen Anlagen, Einrichtungen oder Verkehrsmitteln des internationalen Verkehrs oder in unmittelbarer Nähe hiervon sowie auf Bundesfernstraßen und anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität,
- 6.
- wenn sie sich innerhalb eines Kontrollbereichs aufhält, der von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten im Sinne des § 100a StPO oder § 28 SächsVersG zu verhindern.
(1a) außer Kraft
(2) Die Polizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten und verlangen, dass er mitgeführte Ausweispapiere vorzeigt und zur Prüfung aushändigt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
(3) Die Polizei kann verlangen, dass ein Berechtigungsschein vorgezeigt und zur Prüfung ausgehändigt wird, wenn der Betroffene aufgrund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diesen Berechtigungsschein mitzuführen. 4
§ 19a
Anlassbezogene mobile automatisierte Kennzeichenerkennung
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann durch den Einsatz technischer Mittel zur mobilen automatisierten Kennzeichenerkennung Kraftfahrzeugkennzeichen sowie Informationen über Ort, Zeit und Fahrtrichtung erfassen und die Kraftfahrzeugkennzeichen sofort und unmittelbar mit polizeilichen Datenbeständen aus folgenden Anlässen automatisiert abgleichen:
- 1.
- zur Abwehr einer im einzelnen Falle bestehenden Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte,
- 2.
- zur Sicherstellung gestohlener oder sonst abhanden gekommener Kraftfahrzeuge oder Kraftfahrzeugkennzeichen,
- 3.
- zur Verhinderung der Weiterfahrt von Kraftfahrzeugen ohne ausreichenden Pflichtversicherungsschutz,
- 4.
- zur Verhinderung von Straftaten, die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen stehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Personen solche Straftaten begehen werden,
- 5.
- zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität,
- 6.
- zur Verhinderung von Straftaten an Kriminalitätsschwerpunkten bei Vorliegen entsprechender dokumentierter Lageerkenntnisse.
Der dauerhafte und flächendeckende Einsatz der technischen Mittel nach Satz 1 ist unzulässig. Der Einsatz technischer Mittel nach Satz 1 ist zeitlich und örtlich zu begrenzen, insbesondere im Falle von
- 1.
- Satz 1 Nr. 2 auf Stichproben; Nummer 4 bleibt unberührt,
- 2.
- Satz 1 Nr. 3 auf Stichproben,
- 3.
- Satz 1 Nr. 4 auf die räumliche Nähe zur Veranstaltung,
- 4.
- Satz 1 Nr. 5 auf Maßnahmen im Grenzgebiet zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern sowie auf Bundesfernstraßen; Maßnahmen auf anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität sind nur bei Vorliegen entsprechender dokumentierter Lageerkenntnisse zulässig.
Die automatisierte Kennzeichenerkennung erfolgt offen, es sei denn, eine verdeckte Maßnahme ist zur Zweckerreichung zwingend erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 4 darf ein Abgleich nur mit den diesen Zweckbestimmungen dienenden Dateien, in den anderen Fällen auch mit der Sachfahndungsdatei im Informationssystem der Polizei (INPOL) sowie im Nationalen Schengener Informationssystem erfolgen. Liegt für das vollständig erfasste Kraftfahrzeugkennzeichen keine Datenübereinstimmung vor, sind die erfassten Daten sofort, technisch spurenlos, anonym und ohne die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, automatisiert zu löschen.
(2) Bei Datenübereinstimmung für das erfasste Kraftfahrzeugkennzeichen kann der Polizeivollzugsdienst das betreffende Kraftfahrzeug anhalten und die Identität der Insassen feststellen. § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Maßnahmen nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 sind unzulässig. Die Zusammenführung von Daten zu Bewegungsbildern ist unzulässig.
(3) Sobald eine Maßnahme nach Absatz 2 erfolgt ist oder nicht mehr erfolgen kann, sind die nach Absatz 1 erfassten Daten sofort zu löschen.
(4) Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur durch den Leiter einer Polizeidirektion oder des Landeskriminalamtes angeordnet werden. Dieser kann die Anordnungsbefugnis auf einen Bediensteten der zuständigen Polizeidienststelle übertragen.
(5) Der Staatsminister des Innern berichtet dem Landtag jährlich über die Anzahl der Einsätze technischer Mittel nach Absatz 1 und deren Ergebnisse. 5
§ 20
Erkennungsdienstliche Maßnahmen
(1) Die Polizei kann erkennungsdienstliche Maßnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen nur vornehmen, wenn
- 1.
- eine nach § 19 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht zuverlässig durchgeführt werden kann oder
- 2.
- dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben, und die Umstände des Einzelfalls die Annahme rechtfertigen, dass er auch künftig Taten begehen wird, die mit Strafe bedroht sind.
(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind insbesondere
- 1.
- die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
- 2.
- die Aufnahme von Lichtbildern einschließlich Bildaufzeichnungen,
- 3.
- die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale,
- 4.
- Messungen und ähnliche Maßnahmen.
(3) Die erkennungsdienstlichen Unterlagen sind zu vernichten, wenn die Identität festgestellt oder der Verdacht entfallen ist, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist nach anderen Rechtsvorschriften zulässig.
§ 21
Platzverweis, Aufenthaltsverbot, Wohnungsverweisung
(1) Die Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Dies gilt insbesondere für Personen, die den Einsatz der Feuerwehr oder der Hilfs- und Rettungsdienste behindern.
(2) Die Polizei kann einer Person für höchstens drei Monate den Aufenthalt in einem Gemeindegebiet oder -gebietsteil untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Das Verbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken und darf räumlich nicht den Zugang zur Wohnung der betroffenen Person umfassen. Die Vorschriften des Versammlungsrechts sowie die Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die betroffene Person bleiben unberührt.
(3) Die Polizei kann eine Person für bis zu zwei Wochen aus einer Wohnung und dem unmittelbar angrenzenden Bereich verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen, wenn dies zur Abwehr einer von dieser Person ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Bewohnern derselben Wohnung erforderlich ist. 6
§ 22
Gewahrsam
(1) Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
- auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann oder
- 2.
- das zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist und die Person
- a)
- sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet oder
- b)
- Selbstmord begehen will oder
- 3.
- die Identität einer Person auf andere Weise nicht festgestellt werden kann oder
- 4.
- dies unerlässlich ist, um einen Platzverweis, ein Aufenthaltsverbot oder eine Wohnungsverweisung nach § 21 durchzusetzen.
(2) Die Polizei kann Minderjährige, die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen.
(3) Die Polizei kann eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, in Gewahrsam nehmen und in die Anstalt zurückbringen.
(4) Der in Gewahrsam genommenen Person ist unverzüglich der Grund dieser Maßnahme sowie der gegen sie zulässige Rechtsbehelf bekannt zu geben und Gelegenheit zur Beiziehung eines Bevollmächtigten zu geben.
(5) Der in Gewahrsam genommenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen, soweit dadurch der Zweck des Gewahrsams nicht gefährdet wird. Die Polizei hat die Benachrichtigung zu übernehmen, wenn die in Gewahrsam genommene Person hierzu nicht in der Lage ist und die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht widerspricht. Ist die in Gewahrsam genommene Person minderjährig oder ist für sie ein Betreuer bestellt, so ist in jedem Falle unverzüglich derjenige zu benachrichtigen, dem die Sorge für die Person obliegt.
(6) Der in Gewahrsam genommenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck des Gewahrsams oder die Sicherheit oder Ordnung im Gewahrsam erfordern. Sie ist getrennt von anderen festgehaltenen Personen, insbesondere von Untersuchungs- und Strafgefangenen unterzubringen, sofern die Umstände dies zulassen. Gibt ihr Gesundheitszustand Anlass zur Besorgnis, so ist eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.
(7) Nimmt die Polizei eine Person nach Absatz 1 oder 2 in Gewahrsam, so hat sie unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Der Herbeiführung der Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes des Gewahrsams ergehen würde. In der Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer des Gewahrsams zu bestimmen; sie darf im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 zwei Wochen und in den übrigen Fällen drei Tage nicht überschreiten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Gewahrsam darf ohne richterliche Entscheidung nicht länger als bis zum Ende des folgenden Tages aufrechterhalten werden. Der Gewahrsam ist in jedem Falle aufzuheben, sobald sein Zweck erreicht ist.
(8) Für die Entscheidung nach Absatz 7 ist, solange die Maßnahme andauert, das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk eine Person in Gewahrsam genommen worden ist. Für das Verfahren gelten insoweit die Vorschriften des Buches 1 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ( FamFG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2255, 2257). 7
§ 23
Durchsuchung von Personen
(1) Die Polizei kann eine Person durchsuchen, wenn
- 1.
- sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten oder in Gewahrsam genommen werden darf,
- 2.
- Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfen,
- 3.
- dies zur Feststellung ihrer Identität erforderlich ist und die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in einer hilflosen Lage befindet,
- 4.
- sie sich an einem der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte aufhält oder
- 5.
- sie sich in einem Objekt im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen.
(2) Die Polizei kann eine Person, deren Identität gemäß § 19 oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Sprengmitteln durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz eines Polizeibediensteten oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint.
(3) Die Durchsuchung darf nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchgeführt werden; dies gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint.
§ 24
Durchsuchung von Sachen
Die Polizei kann eine Sache durchsuchen, wenn
- 1.
- sie von einer Person mitgeführt wird, die nach § 23 Abs. 1 oder 2 durchsucht werden darf,
- 2.
- Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die
- a)
- in Gewahrsam genommen werden darf,
- b)
- widerrechtlich festgehalten wird oder
- c)
- infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet ist,
- 3.
- Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine andere Sache befindet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden darf,
- 4.
- sie sich an einem der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte befindet,
- 5.
- sie sich in einem Objekt im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe befindet und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten in oder an Objekten dieser Art begangen werden sollen,
- 6.
- es sich um ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug handelt, in dem sich eine Person befindet, deren Identität nach § 19 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder 6 festgestellt werden darf; die Durchsuchung kann sich auch auf die in dem Fahrzeug enthaltenen oder mit dem Fahrzeug verbundenen Sachen erstrecken, oder
- 7.
- sie von einer Person mitgeführt wird, deren Identität nach § 19 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder 6 festgestellt werden darf.
§ 25
Betreten und Durchsuchung von Wohnungen
(1) Die Polizei kann eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten, wenn dies zum Schutz eines Einzelnen oder des Gemeinwesens gegen dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Während der Nachtzeit ist das Betreten zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr oder schweren Gesundheitsgefahr für einzelne Personen zulässig. Betriebs- und Geschäftsräume dürfen zur Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe während der Betriebs- und Geschäftszeit, im Übrigen nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 betreten werden.
(2) Die Polizei kann eine Wohnung durchsuchen,
- 1.
- wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich eine Person in der Wohnung befindet, die
- a)
- in Gewahrsam genommen werden darf,
- b)
- widerrechtlich festgehalten wird oder
- c)
- infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet ist,
- 2.
- um eine mutmaßlich widerrechtlich festgehaltene Person aufzufinden, wenn ein Wohnungsinhaber wegen einer Straftat gegen das Leben, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt wurde, soweit wegen der Straftat noch eine Eintragung im Bundeszentralregister vorhanden ist, und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein über die räumliche Nähe zum Wohnort hinausgehender Bezug zwischen der Verurteilung des Wohnungsinhabers und dem Verschwinden der betreffenden Person besteht; das Gleiche gilt, wenn der Wohnungsinhaber wegen einer solchen Straftat nur deshalb nicht verurteilt worden ist, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen war, oder
- 3.
- wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich eine Sache in der Wohnung befindet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden darf.
(3) Ist eine Person entführt worden und rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass sie in einem Gebäude oder einer Gebäudegruppe festgehalten wird, so kann die Polizei Wohnungen in diesem Gebäude oder dieser Gebäudegruppe durchsuchen, wenn die Durchsuchungen das einzige Mittel sind, um eine Lebensgefahr oder Gesundheitsgefahr von der entführten Person oder von einem Dritten abzuwehren. Durchsuchungen während der Nachtzeit sind nur zulässig, wenn sie zur Abwehr der in Satz 1 genannten Gefahren unumgänglich notwendig sind.
(4) Die Nachtzeit umfasst in dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September die Stunden von 21.00 Uhr bis 4.00 Uhr und in dem Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr.
(5) Außer bei Gefahr im Verzug darf die Durchsuchung einer Wohnung nur durch das Amtsgericht angeordnet werden, in dessen Bezirk die Durchsuchung vorgenommen werden soll. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Buches 1 FamFG entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts kann ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergehen und bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntmachung an ihn. Gegen die Entscheidung des Gerichts findet die Beschwerde statt. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen; die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
(6) Der Wohnungsinhaber hat das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Ist er abwesend, so ist, soweit möglich und soweit hierdurch keine schutzwürdigen Belange des Wohnungsinhabers verletzt werden, ein Vertreter oder ein Zeuge beizuziehen. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter sind der Grund der Durchsuchung und die zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekannt zu geben.
(7) Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit, Ort und Ergebnis der Durchsuchung enthalten. Die Niederschrift ist von dem die Durchsuchung leitenden Bediensteten und dem Wohnungsinhaber oder der zugezogenen Person zu unterzeichnen. Wird die Unterschrift verweigert, so ist hierüber ein Vermerk aufzunehmen. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Betroffenen lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen. 8
§ 26
Sicherstellung
(1) Die Polizei kann eine Sache sicherstellen, wenn dies erforderlich ist, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen.
(2) Der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist unverzüglich zu unterrichten.
(3) Bei der Verwahrung sichergestellter Sachen ist den berechtigten Belangen des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt Rechnung zu tragen.
(4) Die Sicherstellung ist aufzuheben, wenn der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt dies verlangt oder wenn ein Schutz nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch nach zwei Wochen.
(5) Diese Bestimmungen finden auch auf verlorene Sachen Anwendung, soweit in den gesetzlichen Vorschriften über den Fund nichts anderes bestimmt ist.
§ 27
Beschlagnahme
(1) Die Polizei kann eine Sache beschlagnahmen, wenn dies erforderlich ist
- 1.
- zum Schutz eines Einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung,
- 2.
- zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung durch eine Person, die nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften festgehalten oder in Gewahrsam genommen worden ist.
(2) Dem Betroffenen sind der Grund der Beschlagnahme und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekannt zu geben und eine Bescheinigung auszustellen, die den Grund der Beschlagnahme erkennen lässt und die beschlagnahmten Sachen bezeichnet. § 26 Abs. 3 gilt entsprechend.
(3) Die Beschlagnahme ist aufzuheben, sobald ihr Zweck erreicht ist. Die Beschlagnahme darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nicht länger als sechs Monate, die Beschlagnahme von leerstehendem Wohnraum zur Beseitigung oder Verhinderung von Obdachlosigkeit nicht länger als zwölf Monate aufrechterhalten werden.
§ 28
Einziehung
(1) Die zuständige allgemeine Polizeibehörde kann eine beschlagnahmte Sache einziehen, wenn diese nicht mehr herausgegeben werden kann, ohne dass die Voraussetzungen der Beschlagnahme erneut eintreten. Die Einziehung ist schriftlich anzuordnen.
(2) Die eingezogenen Sachen werden im Wege der öffentlichen Versteigerung (§ 383 Abs. 3 BGB) verwertet. Die Polizeibehörde kann die Versteigerung durch einen ihrer Bediensteten vornehmen lassen. Ein Zuschlag, durch den die Voraussetzungen der Einziehung erneut eintreten würden, ist zu versagen.
(2a) Bleibt die Versteigerung erfolglos, erscheint sie von vornherein aussichtslos oder werden die Kosten der Versteigerung voraussichtlich den Erlös übersteigen, kann die Sache freihändig veräußert werden.
(3) Kann eine eingezogene Sache nicht verwertet werden, so ist sie unbrauchbar zu machen oder zu vernichten; sie kann auch einem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden.
(4) Die Kosten der Verwertung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung fallen dem Betroffenen zur Last. Der verbleibende Erlös ist dem Betroffenen herauszugeben.
§ 29
Verwahrung und Notveräußerung sichergestellter und beschlagnahmter Sachen
(1) Sichergestellte Sachen sind so zu verwahren, dass sie der Einwirkung Unbefugter entzogen sind; Wertminderungen ist nach Möglichkeit vorzubeugen. Ist eine amtliche Verwahrung nicht möglich oder nicht zweckmäßig, so ist die sichergestellte Sache einem Dritten zur Verwahrung zu übergeben. Entstehen der Polizei durch die Sicherstellung, Verwahrung oder Notveräußerung Kosten, so ist der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt zum Ersatz verpflichtet.
(2) Sichergestellte Sachen können verwertet werden, wenn
- 1.
- ihr Verderb oder eine wesentliche Minderung ihres Wertes droht,
- 2.
- ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßigen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist oder
- 3.
- der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt der Aufforderung, die Sachen abzuholen, nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachkommt.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für beschlagnahmte Sachen.
Unterabschnitt 4
Polizeizwang
§ 30
Allgemeines, Zuständigkeit
(1) Die Polizei wendet unmittelbaren Zwang nach den Vorschriften dieses Gesetzes, andere Zwangsmittel nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen ( SächsVwVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2003 (SächsGVBl. S. 614, 913), geändert durch Artikel 25 des Gesetzes vom 25. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 138, 160), in der jeweils geltenden Fassung, an.
(2) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs obliegt dem Polizeivollzugsdienst. 9
§ 31
Begriff und Mittel des unmittelbaren Zwangs
(1) Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch.
(2) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reizstoffe sowie zum Sprengen von Sachen bestimmte explosive Stoffe (Sprengmittel). Das Staatsministerium des Innern kann weitere Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zulassen.
(3) Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und automatische Handfeuerwaffen zugelassen.
§ 32
Voraussetzungen und Durchführung
des unmittelbaren Zwangs
(1) Unmittelbarer Zwang darf nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint. Unmittelbarer Zwang darf nicht mehr angewandt werden, wenn der Zweck erreicht ist. Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint. Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein. Gegenüber einer Menschenansammlung darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich keinen Erfolg verspricht.
(2) Unmittelbarer Zwang ist vor seiner Anwendung anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Als Androhung des Schusswaffengebrauchs gilt auch die Abgabe eines Warnschusses.
(3) Schusswaffen dürfen nur dann ohne Androhung gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
(4) Gegenüber einer Menschenmenge ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs möglichst so rechtzeitig anzudrohen, dass sich Unbeteiligte noch entfernen können. Der Gebrauch der Schusswaffe gegen Personen in einer Menschenmenge ist stets anzudrohen; die Androhung ist vor dem Gebrauch zu wiederholen. Bei Gebrauch von technischen Sperren und Dienstpferden kann von der Androhung abgesehen werden.
(5) Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei gelten im Übrigen die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen. 10
§ 33
Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs
(1) Der Schusswaffengebrauch ist nur zulässig, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs vorliegen und wenn einfache körperliche Gewalt sowie verfügbare Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder mitgeführte Schlagstöcke erfolglos angewandt worden sind oder ihre Anwendung offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Auf Personen darf erst geschossen werden, wenn der polizeiliche Zweck durch Waffenwirkung gegen Sachen nicht erreicht werden kann.
(2) Der Schusswaffengebrauch ist unzulässig, wenn erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Das gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.
§ 34
Schusswaffengebrauch gegenüber Personen
(1) Schusswaffen dürfen gegen einzelne Personen nur gebraucht werden,
- 1.
- um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer rechtswidrigen Tat zu verhindern, die sich den Umständen nach
- a)
- als ein Verbrechen oder
- b)
- als ein Vergehen, das unter Anwendung oder Mitführung von Schusswaffen oder Sprengmitteln begangen werden soll oder ausgeführt wird, darstellt,
- 2.
- um eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie
- a)
- eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder
- b)
- eines Vergehens dringend verdächtig ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Schusswaffen oder Sprengmittel mitführt,
- 3.
- zur Vereitelung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, wenn diese in amtlichem Gewahrsam zu halten oder ihm zuzuführen ist
- a)
- wegen eines Verbrechens oder aufgrund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder
- b)
- wegen eines Vergehens oder aufgrund des dringenden Verdachts eines Vergehens, wobei zu befürchten ist, dass sie von einer Schusswaffe oder einem Sprengmittel Gebrauch machen werde,
- 4.
- um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern, oder in sonstigen Fällen des § 100 des Strafvollzugsgesetzes.
(2) Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.
(3) Schusswaffen dürfen nach Absatz 1 Nr. 3 nicht gebraucht werden, wenn es sich um den Vollzug eines Jugendarrestes oder eines Strafarrestes handelt oder wenn die Flucht aus einer offenen Anstalt verhindert werden soll.
(4) Der Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge ist unzulässig, wenn für den Polizeibediensteten erkennbar ist, dass Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Dies gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.
(5) Unbeteiligte sind nicht Personen in einer Menschenmenge, die Gewalttaten begeht oder durch Handlungen erkennbar billigt oder unterstützt, wenn diese Personen sich aus der Menschenmenge trotz wiederholter Androhung nach § 32 Abs. 4 nicht entfernen.
(6) Das Recht zum Gebrauch von Schusswaffen aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften bleibt unberührt.
§ 34a
Zur ückbehaltungsbefugnis
Die Polizei kann die Herausgabe von Sachen, deren Besitz sie aufgrund einer polizeilichen Maßnahme nach § 6 Abs. 1 Satz 1, § 26 Abs. 1, § 27 Abs. 1 oder § 30 Abs. 1 Halbsatz 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Satz 1 SächsVwVG erlangt hat, von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig machen. Eine dritte Person, der die Verwahrung übertragen worden ist, kann durch Verwaltungsakt ermächtigt werden, Zahlungen in Empfang zu nehmen. 11
Abschnitt 3
Datenverarbeitung des Polizeivollzugsdienstes
Unterabschnitt 1
Allgemeines
§ 35
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
(1) Auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Polizeivollzugsdienst zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist das Gesetz zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Datenschutzgesetz – SächsDSG) vom 25. August 2003 (SächsGVBl. S. 330), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 8. Dezember 2008 (SächsGVBl. S. 940, 941), anzuwenden, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Regelungen trifft.
(2) Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
- Verbrechen,
- 2.
- Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie
- a)
- sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten,
- b)
- auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung, der Vorteilsannahme oder -gewährung, der Bestechlichkeit oder Bestechung (§§ 331 bis 335 StGB) oder des Staatsschutzes (§§ 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes) begangen werden,
- c)
- gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig oder sonst organisiert begangen werden.
(3) Kontakt- und Begleitpersonen sind Personen, die mit anderen Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden, in näherer persönlicher oder geschäftlicher Beziehung stehen oder zu ihnen über einen längeren Zeitraum eine Verbindung unterhalten oder eine Verbindung unter konspirativen Umständen hergestellt haben oder pflegen. 12
Unterabschnitt 2
Erhebung von Daten
§ 36
Grundregeln der Erhebung von Daten
13
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten erheben, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der ihm durch dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben erforderlich ist.
(2) Personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, sind beim Betroffenen mit seiner Kenntnis zu erheben. Dabei ist ihm auf Verlangen der Erhebungszweck mitzuteilen, soweit dadurch nicht die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährdet wird. Werden die Daten aufgrund einer Rechtsvorschrift erhoben, die zur Auskunft verpflichtet, so ist der Betroffene hierauf, sonst auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen. Über die Folgen der Verweigerung von Angaben ist der Betroffene aufzuklären.
(3) Bei Dritten können personenbezogene Daten nur erhoben werden, wenn
- 1.
- eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt,
- 2.
- der Betroffene eingewilligt hat,
- 3.
- offensichtlich ist, dass dies im Interesse des Betroffenen liegt, dieser nicht erreichbar ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass er seine Einwilligung hierzu verweigern würde,
- 4.
- der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift festgelegten Auskunftspflicht nicht nachgekommen und über die beabsichtigte Erhebung bei Dritten unterrichtet worden ist,
- 5.
- Angaben des Betroffenen überprüft werden müssen, weil tatsächliche Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen,
- 6.
- es zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person erforderlich ist,
- 7.
- die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen oder
- 8.
- die Erhebung beim Betroffenen die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährden würde.
(4) Werden personenbezogene Daten bei einem Dritten außerhalb des öffentlichen Bereichs erhoben, ist dieser über eine Auskunftspflicht oder die Freiwilligkeit der Auskunft und die Folgen der Verweigerung von Angaben zu unterrichten. Die Unterrichtung kann im Einzelfall unterbleiben, wenn sie wegen besonderer Umstände offensichtlich unangemessen ist oder wenn hierdurch die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährdet oder die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden.
(5) Personenbezogene Daten sind grundsätzlich offen zu erheben. Eine Datenerhebung, die nicht als polizeiliche Maßnahme erkennbar sein soll (verdeckte Datenerhebung), ist nur zulässig, wenn sonst die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich oder wenn anzunehmen ist, dass dies den überwiegenden Interessen des Betroffenen entspricht. Die verdeckte Datenerhebung ist unzulässig, soweit eine Auskunftspflicht nach § 18 Abs. 6 Satz 4 nicht besteht. Ein Eingriff in andere geschützte Vertrauensverhältnisse ist nur zulässig, sofern er zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben oder Freiheit einer Person oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr zwingend erforderlich ist. Die allgemeine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit im öffentlichen Dienst begründet kein geschütztes Vertrauensverhältnis.
§ 37
Erhebung von Daten bei öffentlichen Veranstaltungen, Ansammlungen und besonders gefährdeten Objekten
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen, die nicht dem Sächsischen Versammlungsgesetz unterliegen, personenbezogene Daten, auch durch den Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen, von den Personen erheben, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten begehen werden oder dass von ihnen sonstige erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Die Erhebung darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2) Der Polizeivollzugsdienst kann an den in § 19 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orten und in den in § 19 Abs. 1 Nr. 3 genannten Objekten oder in deren unmittelbarer Nähe personenbezogene Daten durch Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen erheben, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an Orten dieser Art oder an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden. Die Erhebung kann auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(3) Die nach Absatz 1 oder 2 angefertigten Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen und daraus gefertigte Unterlagen sind spätestens nach zwei Monaten zu löschen oder zu vernichten, soweit diese nicht zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zur Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen oder nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 zum Schutz privater Rechte, insbesondere zur Behebung einer bestehenden Beweisnot, erforderlich sind; § 43 Abs. 6 bleibt unberührt. 14
§ 38
Längerfristige Observation, Bild- und Tonaufnahmen
und -aufzeichnungen, Verdeckte Ermittler
und polizeiliche Beobachtung
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten erheben durch
- 1.
- eine voraussichtlich innerhalb eines Monats länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum eines Monats hinaus stattfindende Observation (längerfristige Observation),
- 2.
- den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen außerhalb von Wohnungen sowie zum Abhören oder Aufzeichnen des außerhalb von Wohnungen nichtöffentlich gesprochenen Wortes,
- 3.
- den Einsatz eines Polizeibediensteten, der unter einer ihm verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermittelt (Verdeckter Ermittler),
- 4.
- die Ausschreibung einer Person und des von ihr benutzten Kraftfahrzeugs zur polizeilichen Beobachtung.
(2) Personenbezogene Daten dürfen durch Maßnahmen nach Absatz 1 nur erhoben werden
- 1.
- über die für eine Gefahr Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 7 über Personen, die für die Gefahr nicht verantwortlich sind, wenn dies zur Abwehr einer im einzelnen Falle bestehenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte erforderlich ist und wenn die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben auf andere Weise gefährdet oder erheblich erschwert würde,
- 2.
- über Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden,
- 3.
- über Kontakt- und Begleitpersonen der in Nummer 2 genannten Personen; die Datenerhebung darf nur zur Gewinnung von Hinweisen bezüglich der angenommenen Straftaten erfolgen und muss zu deren Verhinderung zwingend erforderlich sein.
Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 kann der Polizeivollzugsdienst die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten in Akten oder Dateien speichern.
(3) § 41 Abs. 6 und 7 gilt entsprechend.
(4) Die Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 und 4 dürfen nur durch den Leiter des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion angeordnet werden; dieser kann die Anordnungsbefugnis auf einen Bediensteten der zuständigen Polizeidienststelle übertragen. Die Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 2 und 3 bedürfen der richterlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch den Leiter des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion angeordnet werden. Dessen Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht innerhalb von drei Tagen richterlich bestätigt wird; die Bestätigung ist unverzüglich zu beantragen. Wird der Antrag rechtskräftig abgelehnt, dürfen die zuvor erhobenen Daten nicht verwertet werden; sie sind unverzüglich zu löschen.
(5) Sofern das technische Mittel nach Absatz 1 Nr. 2 ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz tätigen Personen eingesetzt wird, tritt die Anordnung durch eine der in Absatz 4 Satz 1 genannten Personen an die Stelle der richterlichen Anordnung. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist unter den Voraussetzungen des Absatzes 11 zulässig, wenn vor der Verwertung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt wurde; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Anordnung muss schriftlich begründet werden und ist zu befristen. Die Verlängerung der Maßnahme bedarf einer erneuten Anordnung.
(7) Soweit der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 Nr. 2 richterlich angeordnet ist, können Gegenstände, insbesondere Fahrzeuge, zur Durchführung der Maßnahme vorübergehend in polizeiliche Obhut genommen, verändert oder an einen anderen Ort verbracht werden. § 26 Abs. 3 und 4 findet entsprechende Anwendung.
(8) Die Betroffenen sind nach Abschluss der Maßnahme hierüber durch den Polizeivollzugsdienst unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person und ohne Gefährdung des Zwecks der Datenerhebung erfolgen kann. Ist wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden, ist die Unterrichtung in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft nachzuholen, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks des Ermittlungsverfahrens möglich ist. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 sind auch die Personen zu unterrichten, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der Verdeckte Ermittler betreten hat. Erfolgt die Unterrichtung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der Unterrichtung der richterlichen Zustimmung. Entsprechendes gilt vorbehaltlich einer anderen richterlichen Entscheidung nach Ablauf von jeweils sechs weiteren Monaten. Eine Unterrichtung kann bei Betroffenen, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, mit richterlicher Zustimmung auf Dauer unterbleiben, wenn
- 1.
- überwiegende Interessen eines anderen Betroffenen entgegenstehen oder
- 2.
- deren Identität oder Aufenthaltsort nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden kann.
(9) Die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten sind dergestalt zu kennzeichnen, dass jederzeit erkennbar bleibt, aus welchen Eingriffen sie stammen. Nach einer Übermittlung dieser Daten ist die Kennzeichnung durch die Empfänger aufrechtzuerhalten.
(10) Sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Abwehr der Gefahr oder zur Verhinderung der angenommenen Straftaten und zu den in Absatz 11 genannten Zwecken nicht mehr erforderlich, sind sie unverzüglich zu löschen, es sei denn, sie werden zur Unterrichtung der Betroffenen oder für eine gerichtliche Überprüfung noch benötigt. Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen, die ausschließlich Personen betreffen, gegen die sich die Datenerhebungen nicht richten, sind unverzüglich zu löschen, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich sind. Die Löschung ist zu dokumentieren. Soweit die Löschung zur Unterrichtung der Betroffenen und für eine gerichtliche Überprüfung zurückgestellt ist, sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur zu diesem Zweck verwendet werden. Im Falle der Unterrichtung der Betroffenen sind die Daten zu löschen, wenn ein Betroffener nicht innerhalb eines Monats nach seiner Unterrichtung einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung des Polizeivollzugsdienstes, eine richterliche Entscheidung oder die Art und Weise des Vollzugs eingelegt hat. Bei der Unterrichtung sind den Betroffenen die Entscheidungen des Polizeivollzugsdienstes und die richterlichen Entscheidungen bekannt zu geben und es ist auf die Frist nach Satz 5 hinzuweisen. Sofern ein Betroffener einen Rechtsbehelf eingelegt hat, sind die Daten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu löschen.
(11) Die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten dürfen für andere Zwecke verwertet werden, wenn dies erforderlich ist
- 1.
- zur Abwehr einer in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 genannten Gefahr oder zur Verhinderung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
- 2.
- zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ermittlung des Aufenthalts des Beschuldigten einer Straftat, soweit die Daten nach der Strafprozessordnung mit den Mitteln hätten erhoben werden dürfen, mit denen sie zulässigerweise erhoben worden sind.
Die Zweckänderung ist zu dokumentieren.
(12) Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Buches 1 FamFG entsprechend. Für eine richterliche Anordnung oder Bestätigung ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme überwiegend durchgeführt werden soll; für die anderen richterlichen Entscheidungen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme überwiegend durchgeführt wurde. Die Entscheidungen des Gerichts können ohne vorherige Anhörung der Betroffenen ergehen; sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntmachung an die Betroffenen. Gegen die Ablehnung der Zustimmung zu der Zurückstellung der Unterrichtung oder zu dem dauerhaften Unterbleiben der Unterrichtung findet die Beschwerde statt. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen; die Unterrichtung darf bis zur Rechtskraft der richterlichen Entscheidung vorläufig unterbleiben.
(13) Der Staatsminister des Innern erstattet dem Landtag jährlich Bericht über abgeschlossene Maßnahmen nach Absatz 1. 15
§ 39
Besondere Bestimmungen über den Einsatz Verdeckter Ermittler
(1) Soweit es für den Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Legende eines Verdeckten Ermittlers unerlässlich ist, können entsprechende Urkunden hergestellt, verändert und gebraucht werden. Ein Verdeckter Ermittler kann unter der Legende zur Erfüllung seines Auftrages am Rechtsverkehr teilnehmen.
(2) Ein Verdeckter Ermittler kann unter Verwendung seiner Legende eine Wohnung mit dem Einverständnis des Berechtigten betreten. Das Einverständnis darf nicht durch ein über die Benutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden. Im Übrigen richten sich die Befugnisse eines Verdeckten Ermittlers nach diesem Gesetz. 16
§ 40
Besondere Bestimmungen zur polizeilichen Beobachtung
(1) Beim Antreffen einer zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebenen Person oder des von ihr benutzten Kraftfahrzeugs können Erkenntnisse über das Antreffen sowie über gemeinsam mit der ausgeschriebenen Person angetroffene Personen oder Insassen des Kraftfahrzeugs sowie über mitgeführte Sachen an die ausschreibende Polizeidienststelle übermittelt werden. Daten über nicht zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebene Personen dürfen nur gespeichert werden, soweit es sich um Kontakt- und Begleitpersonen der in § 38 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 genannten Personen handelt. Diese Einschätzung ist aktenkundig zu machen.
(2) Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung kann für höchstens ein Jahr angeordnet werden. Eine Verlängerung um nicht mehr als jeweils ein Jahr ist zulässig, soweit die Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Spätestens nach Ablauf von jeweils sechs Monaten hat die ausschreibende Polizeidienststelle zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausschreibung noch bestehen. Das Ergebnis der Prüfung ist aktenkundig zu machen.
(3) Zur polizeilichen Beobachtung können auch solche Personen ausgeschrieben werden, die eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen haben, wenn die aufgrund von Tatsachen vorgenommene Gesamtwürdigung der Person erwarten lässt, dass diese auch künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung gemäß Satz 1 ist nur zulässig, solange nicht ein Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes besteht.
(4) Liegen die Voraussetzungen für die Ausschreibung nicht mehr vor, ist der Zweck der Ausschreibung erreicht oder kann er nicht erreicht werden, ist die Ausschreibung unverzüglich zu löschen. 17
§ 41
Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen personenbezogene Daten über die für eine Gefahr Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 7 über Personen, die für die Gefahr nicht verantwortlich sind, erheben und aufzeichnen, wenn dies zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte erforderlich ist und wenn die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben auf andere Weise gefährdet oder erheblich erschwert werden würde. Die Maßnahme darf nur in oder aus Wohnungen der für die Gefahr Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 7 in oder aus Wohnungen von Personen, die für die Gefahr nicht verantwortlich sind, durchgeführt werden. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2) Der Polizeivollzugsdienst kann Wohnungen der für eine Gefahr Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 7 Wohnungen von Personen, die für die Gefahr nicht verantwortlich sind, betreten, wenn dies erforderlich ist, um die technischen Voraussetzungen für die Maßnahme zu schaffen.
(3) Die Maßnahme bedarf der richterlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch den Leiter des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion angeordnet werden. Deren Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht unverzüglich, spätestens nach drei Tagen richterlich bestätigt wird; die Bestätigung ist unverzüglich zu beantragen. Wird der Antrag rechtskräftig abgelehnt, dürfen die zuvor erhobenen Daten nicht verwertet werden; sie sind unverzüglich zu löschen.
(4) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine der in Absatz 3 Satz 2 genannten Personen angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist unter den Voraussetzungen des Absatzes 11 zulässig, wenn vor der Verwertung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt wurde; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(5) In der Anordnung sind anzugeben:
- 1.
- Name und Anschrift der Personen, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit bekannt,
- 2.
- die zu überwachende Wohnung oder die zu überwachenden Wohnräume,
- 3.
- Art, Dauer und Umfang der Maßnahme.
Die Anordnung einer Maßnahme ist schriftlich zu begründen und auf höchstens einen Monat zu befristen. Durch erneute Anordnung kann die Maßnahme jeweils um nicht mehr als einen Monat verlängert werden.
(6) Die Maßnahme ist unzulässig und hat zu unterbleiben, soweit tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass
- 1.
- der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist oder
- 2.
- in ein durch Berufsgeheimnisse geschütztes Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53 und 53a StPO eingegriffen wird.
Anhaltspunkte für eine Berührung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung können sich insbesondere aus der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander ergeben. Gespräche über Gefahren im Sinne des § 3 Abs. 1 gehören nicht zu dem Kernbereich privater Lebensgestaltung. Betriebs- und Geschäftsräume sind in der Regel nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen.
(7) Die Erhebung, Aufzeichnung und Auswertung aufgezeichneter Daten sind unverzüglich und so lange wie erforderlich zu unterbrechen, soweit unerwartet Daten betroffen sind, bei denen eine Erhebung nach Absatz 6 unzulässig wäre. Solche Daten dürfen nicht verwertet werden; Aufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache der Erhebung und Aufzeichnung solcher Daten und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. Soweit ein Verwertungsverbot nach Satz 2 in Betracht kommt, hat der Polizeivollzugsdienst vor einer Verwertung der erlangten Erkenntnisse unverzüglich eine richterliche Entscheidung über deren Zulässigkeit herbeizuführen.
(8) Die Betroffenen sind von der Maßnahme zu unterrichten, sobald dies ohne Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person und ohne Gefährdung des Zwecks der Datenerhebung erfolgen kann. Ist wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden, ist die Unterrichtung in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft nachzuholen, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks des Ermittlungsverfahrens möglich ist. Erfolgt die Unterrichtung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der Unterrichtung der richterlichen Zustimmung. Entsprechendes gilt vorbehaltlich einer anderen richterlichen Entscheidung nach Ablauf von jeweils sechs weiteren Monaten. Eine Unterrichtung kann bei Betroffenen, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, mit richterlicher Zustimmung auf Dauer unterbleiben, wenn
- 1.
- überwiegende Interessen eines anderen Betroffenen entgegenstehen oder
- 2.
- deren Identität oder Aufenthaltsort nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden kann.
(9) Die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten sind dergestalt zu kennzeichnen, dass jederzeit erkennbar bleibt, aus welchen Eingriffen sie stammen. Nach einer Übermittlung dieser Daten ist die Kennzeichnung durch die Empfänger aufrechtzuerhalten.
(10) Die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Abwehr der Gefahr und zu den in Absatz 11 genannten Zwecken nicht mehr erforderlich sind, es sei denn, sie werden zur Unterrichtung der Betroffenen oder für eine gerichtliche Überprüfung noch benötigt. Die Löschung ist zu dokumentieren. Soweit die Löschung zur Unterrichtung der Betroffenen und für eine gerichtliche Überprüfung zurückgestellt ist, sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur zu diesem Zweck verwendet werden. Im Fall der Unterrichtung der Betroffenen sind die Daten zu löschen, wenn ein Betroffener nicht innerhalb eines Monats nach seiner Unterrichtung einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung des Polizeivollzugsdienstes, eine richterliche Entscheidung oder die Art und Weise des Vollzugs eingelegt hat. Bei der Unterrichtung sind den Betroffenen die Entscheidungen des Polizeivollzugsdienstes und die richterlichen Entscheidungen bekannt zu geben und sie sind auf die Frist nach Satz 4 hinzuweisen. Sofern ein Betroffener einen Rechtsbehelf eingelegt hat, sind die Daten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu löschen.
(11) Die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten dürfen für andere Zwecke verwertet werden, wenn dies erforderlich ist
- 1.
- zur Abwehr einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Gefahr oder
- 2.
- zur Aufklärung einer Straftat, aufgrund derer eine Maßnahme nach § 100c StPO angeordnet werden könnte, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person.
Die Zweckänderung ist zu dokumentieren.
(12) § 38 Abs. 12 und 13 gilt entsprechend. 18
§ 42
(aufgehoben)
19
Unterabschnitt 3
Sonstige Verarbeitung von Daten
§ 43
Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten in Akten oder Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben, zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten nur für Zwecke speichern, verändern und nutzen, für die die Daten erhoben worden sind. Für andere Zwecke kann er personenbezogene Daten nur speichern, verändern und nutzen, wenn die Daten für diese Zwecke mit den Mitteln hätten erhoben werden dürfen, mit denen sie zulässigerweise erhoben worden sind.
(1a) Daten, die gemäß § 13 Abs. 4 SächsDSG gespeichert worden sind, sind nach spätestens einem Jahr zu löschen. Sie dürfen nach Anordnung durch den Leiter des Landeskriminalamtes oder einen von ihm beauftragten Beamten auch zum Zweck der Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte sowie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung verwendet werden. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Der Polizeivollzugsdienst kann auch personenbezogene Daten, die er im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht, sind die Daten zu löschen.
(3) Die Dauer der Speicherung ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. Für automatisierte Dateien sind Termine festzulegen, an denen spätestens überprüft werden muss, ob die suchfähige Speicherung von Daten weiterhin erforderlich ist (Prüfungstermine). Für nichtautomatisierte Dateien und Akten sind Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen festzulegen. Dabei sind der Speicherungszweck sowie Art und Bedeutung des Anlasses der Speicherung zu berücksichtigen.
(4) Die nach Absatz 3 festzulegenden Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen dürfen bei Erwachsenen zehn Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre und bei Kindern zwei Jahre nicht überschreiten. In Fällen von geringerer Bedeutung sind kürzere Fristen festzusetzen. Die Frist beginnt regelmäßig mit dem Ende des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfasst worden ist, das zur Speicherung von Daten geführt hat, jedoch nicht vor Entlassung des Betroffenen aus einer Justizvollzugsanstalt oder der Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung.
(5) Sofern die Voraussetzungen der Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung vorliegen, kann abweichend von Absatz 4 ein späterer Prüfungstermin oder eine längere Aufbewahrungsfrist festgelegt werden. Wird die Speicherung oder Aufbewahrung nach dem Prüfungstermin fortgesetzt, ist nach spätestens drei Jahren eine erneute Prüfung durchzuführen.
(6) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten auch zur Aus- und Fortbildung nutzen. Die Anonymisierung kann unterbleiben, wenn diese nicht mit vertretbarem Aufwand möglich ist oder dem Aus- und Fortbildungszweck entgegensteht und jeweils die berechtigten Interessen des Betroffenen an der Geheimhaltung der Daten ausnahmsweise nicht überwiegen. 20
§ 44
Datenübermittlung zum Zwecke einer Zuverlässigkeitsüberprüfung
(1) Zum Zwecke der Gefahrenabwehr bei besonders gefährdeten Veranstaltungen kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten an öffentliche und nichtöffentliche Stellen übermitteln, soweit dies zum Zwecke einer Zuverlässigkeitsüberprüfung erforderlich ist, mit schriftlicher Einwilligung des Betroffenen erfolgt und im Hinblick auf den Anlass dieser Überprüfung, insbesondere den Zugang des Betroffenen zu der Veranstaltung, mit Rücksicht auf ein berechtigtes Sicherheitsinteresse des Empfängers sowie wegen der Art und des Umfanges der Erkenntnisse über den Betroffenen angemessen ist. Die Rückmeldung an eine nichtöffentliche Stelle beschränkt sich auf die Auskunft zum Vorliegen von Zuverlässigkeitsbedenken. Der Betroffene ist über den Inhalt der Übermittlung zu informieren, soweit dies nicht bereits auf andere Weise sichergestellt ist.
(2) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck der Zuverlässigkeitsüberprüfung verarbeiten. Der Polizeivollzugsdienst hat den Empfänger schriftlich zu verpflichten, diese Zweckbestimmung einzuhalten.
(3) Der Sächsische Datenschutzbeauftragte ist zu unterrichten, wenn eine Datenübermittlung wegen einer besonders gefährdeten Veranstaltung beabsichtigt ist.
(4) Der Staatsminister des Innern berichtet über die Maßnahmen nach Absatz 1 jährlich dem Landtag. 21
§ 45
Datenübermittlung an nichtöffentliche Stellen
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann von Amts wegen personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der ihm durch dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben erforderlich ist.
(2) Der Polizeivollzugsdienst kann auf Antrag an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs personenbezogene Daten übermitteln, soweit der Antragsteller
- 1.
- ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen der Übermittlung entgegenstehen, oder
- 2.
- ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, offensichtlich ist, dass die Datenübermittlung im Interesse des Betroffenen liegt, und kein Grund zu der Annahme besteht, dass er in Kenntnis der Sachlage seine Einwilligung verweigern würde.
(3) § 16 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie § 17 Abs. 4 SächsDSG gelten entsprechend. 22
§ 46
Datenabgleich
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten der in §§ 4 und 5 genannten Personen mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgleichen. Personenbezogene Daten anderer Personen kann der Polizeivollzugsdienst nur abgleichen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Wahrnehmung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. Der Polizeivollzugsdienst kann ferner die im Rahmen der Wahrnehmung seiner Aufgaben erlangten personenbezogenen Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Für die Dauer des Datenabgleichs kann der Betroffene angehalten werden.
(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.
§ 47
Rasterfahndung
(1) Der Polizeivollzugsdienst kann von öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen aus Dateien zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, soweit dies zur Abwehr einer konkreten Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Rechtsvorschriften über Berufs- oder besondere Amtsgeheimnisse bleiben unberührt.
(2) Das Übermittlungsersuchen ist auf die in § 18 Abs. 3 genannten und die sonstigen im Einzelfall erforderlichen Daten zu beschränken. Ist ein Aussondern der zu übermittelnden Daten nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, so können die weiteren Daten ebenfalls übermittelt werden. Eine Verwendung dieser weiteren Daten ist unzulässig.
(3) Die Rasterfahndung bedarf der richterlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch den Leiter des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion mit Zustimmung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern angeordnet werden. § 38 Abs. 4 Satz 4 und 5 sowie Abs. 6 gilt entsprechend.
(4) Der Sächsische Datenschutzbeauftragte ist von der Maßnahme unverzüglich zu unterrichten.
(5) Personen, gegen die nach Abschluss der Rasterfahndung weitere Maßnahmen durchgeführt werden, sind hierüber durch den Polizeivollzugsdienst unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der weiteren Datennutzung erfolgen kann. Ist wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden, ist die Unterrichtung in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft nachzuholen, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks des Ermittlungsverfahrens möglich ist.
(6) Die übermittelten und die im Zusammenhang mit der Maßnahme zusätzlich angefallenen Daten sind unverzüglich zu löschen, soweit sie zur Abwehr der Gefahr, zu den in Absatz 7 genannten Zwecken sowie zur Unterrichtung der Betroffenen und für eine gerichtliche Überprüfung nicht mehr erforderlich sind. Die Löschung ist zu dokumentieren. Soweit die Löschung zur Unterrichtung der Betroffenen und für eine gerichtliche Überprüfung zurückgestellt ist, sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur zu diesem Zweck verwendet werden. Im Fall der Unterrichtung der Betroffenen sind die Daten zu löschen, wenn ein Betroffener nicht innerhalb eines Monats nach seiner Unterrichtung einen Rechtsbehelf gegen die Anordnung der Maßnahme oder die Art und Weise des Vollzugs eingelegt hat. Bei der Unterrichtung sind die Betroffenen auf die Frist nach Satz 4 hinzuweisen. Sofern ein Betroffener einen Rechtsbehelf eingelegt hat, sind die Daten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu löschen.
(7) Die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten dürfen für andere Zwecke verwertet werden, wenn dies zur Abwehr einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Gefahr oder Aufklärung einer in § 98a Abs. 1 StPO bezeichneten Straftat erforderlich ist. 23
§ 48
Automatisiertes Abrufverfahren
(1) Das Staatsministerium des Innern kann zur Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Polizeidienststellen des Freistaates Sachsen automatisierte Abrufverfahren im Sinne des § 8 Abs. 1 SächsDSG einrichten.
(2) Das Staatsministerium des Innern kann zur Erfüllung vollzugspolizeilicher Aufgaben zwischen Polizeidienststellen des Freistaates Sachsen sowie mit anderen Ländern und dem Bund einen Datenverbund vereinbaren, der eine automatisierte Datenübermittlung zwischen Polizeidienststellen ermöglicht. 24
§ 49
Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten
Hinsichtlich der Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten durch den Polizeivollzugsdienst sind die §§ 19 bis 21 SächsDSG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Löschung nach § 20 Abs. 4 SächsDSG auch dann unterbleibt, wenn
- 1.
- die Daten zur Behebung einer dringenden Beweisnot unerlässlich sind oder
- 2.
- die Nutzung der Daten zu wissenschaftlichen Zwecken erforderlich ist; § 43 Abs. 6 Satz 2 gilt entsprechend. 25
§ 50
Errichtungsanordnung
(1) Vor dem erstmaligen Einsatz von automatisierten Verfahren, mit denen Polizeidienststellen personenbezogene Daten verarbeiten, sind in einer Errichtungsanordnung die in § 10 Abs. 1 SächsDSG genannten Angaben festzulegen.
(2) Die Errichtungsanordnung bedarf der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern. Vor dem erstmaligen Einsatz von automatisierten Verfahren nach Absatz 1 ist der Sächsische Datenschutzbeauftragte zu unterrichten.
§ 51
Auskunft
Der Polizeivollzugsdienst erteilt Auskunft über die von ihm gespeicherten personenbezogenen Daten nach § 18 SächsDSG; er ist jedoch nicht verpflichtet, über die Herkunft der Daten Auskunft zu erteilen, soweit dadurch die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährdet würde. 26
Abschnitt 4
Entschädigung
§ 52
Voraussetzungen
(1) In den Fällen des § 7 Abs. 1 kann der Unbeteiligte, gegenüber dem die Polizei eine Maßnahme getroffen hat, eine angemessene Entschädigung für den ihm durch die Maßnahme entstandenen Schaden verlangen. Dies gilt nicht, soweit die Maßnahme zum Schutz seiner Person oder seines Vermögens getroffen worden ist.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, soweit die Ersatzpflicht wegen Maßnahmen nach § 7 Abs. 1 in besonderen gesetzlichen Vorschriften geregelt ist.
§ 53
Inhalt, Art und Umfang der Entschädigung
(1) Entschädigung nach § 52 wird grundsätzlich nur für Vermögensschaden gewährt. Für entgangenen Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgeltes hinausgeht und für Nachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der polizeilichen Maßnahme stehen, ist Entschädigung nur zu gewähren, wenn und soweit dies zur Abwendung unbilliger Härten geboten erscheint.
(2) Bei einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit oder bei einer Freiheitsentziehung ist auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, angemessen auszugleichen; dieser Anspruch ist nicht übertragbar und nicht vererblich, es sei denn, dass er rechtshängig geworden oder durch Vertrag anerkannt worden ist.
(3) Die Entschädigung wird in Geld gewährt. Hat die zur Entschädigung verpflichtende Maßnahme die Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder eine Vermehrung der Bedürfnisse oder den Verlust oder die Beeinträchtigung eines Rechtes auf Unterhalt zur Folge, so ist die Entschädigung durch Entrichtung einer Rente zu gewähren. § 760 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist anzuwenden. Statt der Rente kann eine Kapitalabfindung verlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein anderer dem Geschädigten Unterhalt zu gewähren hat.
(4) Stehen dem Geschädigten Ansprüche gegen Dritte zu, so ist, soweit diese Ansprüche nach Inhalt und Umfang dem Entschädigungsanspruch entsprechen, die Entschädigung nur gegen Abtretung dieser Ansprüche zu gewähren.
(5) Bei der Bemessung der Entschädigung sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere Art und Vorhersehbarkeit des Schadens und ob der Geschädigte oder sein Vermögen durch die Maßnahme der Polizei geschützt worden ist. Haben Umstände, die der Geschädigte zu vertreten hat, zur Entstehung oder Vergrößerung des Schadens beigetragen, so hängt die Verpflichtung zur Entschädigung sowie der Umfang der Entschädigung insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend durch die Polizei oder den Geschädigten verursacht worden ist.
§ 54
Ansprüche mittelbar Geschädigter
(1) Im Falle der Tötung sind im Rahmen des § 53 Abs. 5 die Kosten der Bestattung demjenigen zu ersetzen, dem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.
(2) Stand der Getötete zu einem Dritten in einem Verhältnis, aufgrund dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so kann der Dritte im Rahmen des § 53 Abs. 5 insoweit eine angemessene Entschädigung verlangen, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhaltes verpflichtet gewesen wäre. § 53 Abs. 3 Satz 3 bis 5 sind entsprechend anzuwenden. Die Entschädigung kann auch dann verlangt werden, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.
§ 55
(aufgehoben)
27
§ 56
Entschädigungspflichtiger
Zur Entschädigung ist der Staat oder die Körperschaft verpflichtet, deren Bediensteter die Maßnahme getroffen hat. Ist die Maßnahme von einem Polizeibediensteten auf Weisung einer Polizeibehörde getroffen worden, so ist der Träger der Polizeibehörde zur Entschädigung verpflichtet.
§ 57
Rückgriff gegen den Verantwortlichen
(1) Die nach § 56 entschädigungspflichtige Körperschaft kann von den nach den §§ 4 oder 5 Verantwortlichen Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, wenn sie aufgrund des § 52 Abs. 1 Satz 1 eine Entschädigung gewährt hat.
(2) Sind mehrere Personen nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.
§ 58
Rechtsweg
Für Ansprüche nach den §§ 52 bis 57 ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
Teil 2
Die Organisation der Polizei
Abschnitt 1
Gliederung und Aufgabenverteilung
§ 59
Allgemeines
Die Organisation der Polizei umfasst
- 1.
- die Polizeibehörden,
- 2.
- den Polizeivollzugsdienst mit seinen Bediensteten (Polizeibedienstete).
§ 60
Zuständigkeitsabgrenzung
(1) Für die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben sind die Polizeibehörden zuständig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Polizeivollzugsdienst nimmt die polizeilichen Aufgaben wahr, wenn ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint.
(3) Für die Wahrnehmung der Befugnisse nach den §§ 18 bis 27 ist auch der Polizeivollzugsdienst zuständig.
§ 61
Vollzugshilfe
(1) Der Polizeivollzugsdienst leistet auf Ersuchen von Gerichten und Behörden Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die ersuchende Stelle nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügt oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise durchsetzen kann.
(2) Der Polizeivollzugsdienst ist nur für die Art und Weise der Durchführung verantwortlich. Im Übrigen gelten die Grundsätze der Amtshilfe entsprechend.
(3) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.
§ 62
Verfahren
(1) Vollzugshilfeersuchen sind schriftlich zu stellen; Grund und Rechtsgrundlage der Maßnahme sind anzugeben.
(2) In Eilfällen kann das Ersuchen formlos gestellt werden; es ist jedoch auf Verlangen unverzüglich schriftlich zu bestätigen.
(3) Die ersuchende Stelle ist von der Ausführung des Ersuchens zu verständigen.
§ 63
Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung
(1) Hat das Vollzugshilfeersuchen eine Freiheitsentziehung zum Inhalt, ist auch die richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung vorzulegen oder in dem Ersuchen zu bezeichnen.
(2) Ist eine vorherige richterliche Entscheidung nicht ergangen, hat der Polizeivollzugsdienst die festgehaltene Person zu entlassen, wenn die ersuchende Stelle diese nicht übernimmt oder die richterliche Entscheidung nicht unverzüglich nachträglich beantragt.
(3) § 22 Abs. 4 bis 6 und Abs. 7 Satz 4 gilt entsprechend.
Abschnitt 2
Die Polizeibehörden
§ 64
Arten der Polizeibehörden
(1) Allgemeine Polizeibehörden sind
- 1.
- die zuständigen Staatsministerien als oberste Landespolizeibehörden,
- 2.
- die obere Verwaltungsbehörde als Landespolizeibehörde,
- 3.
- die Landratsämter und die Kreisfreien Städte als Kreispolizeibehörden,
- 4.
- die Gemeinden als Ortspolizeibehörden.
(2) Die Aufgaben der Kreis- und der Ortspolizeibehörden sind Weisungsaufgaben; das Weisungsrecht ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften unbeschränkt.
(3) Besondere Polizeibehörden sind alle anderen Polizeibehörden. Ihr Aufbau wird durch dieses Gesetz nicht berührt. 28
§ 65
Dienstaufsicht
(1) Es führen die Dienstaufsicht über
- 1.
- die Landespolizeibehörden: das Staatsministerium des Innern,
- 2.
- die Kreispolizeibehörden: die obere Verwaltungsbehörde und das Staatsministerium des Innern,
- 3.
- die Ortspolizeibehörden:
- a)
- in den Kreisfreien Städten: die obere Verwaltungsbehörde und das Staatsministerium des Innern,
- b)
- im Übrigen: die Landratsämter, die obere Verwaltungsbehörde und das Staatsministerium des Innern.
(2) Das Staatsministerium des Innern führt die Aufsicht jeweils im Benehmen mit dem fachlich zuständigen Staatsministerium. 29
§ 66
Fachaufsicht
Es führen die Fachaufsicht über
- 1.
- die Landespolizeibehörden: die zuständigen Staatsministerien,
- 2.
- die Kreispolizeibehörden: die obere Verwaltungsbehörde und die zuständigen Staatsministerien,
- 3.
- die Ortspolizeibehörden:
- a)
- in den Kreisfreien Städten: die obere Verwaltungsbehörde und die zuständigen Staatsministerien,
- b)
- im Übrigen: die Landratsämter, die obere Verwaltungsbehörde und die zuständigen Staatsministerien. 30
§ 67
Weisungsrecht und Unterrichtungspflicht
(1) Die zur Dienstaufsicht oder zur Fachaufsicht zuständigen Behörden können den allgemeinen Polizeibehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit uneingeschränkt Weisungen erteilen. Die allgemeinen Polizeibehörden haben diesen Weisungen Folge zu leisten.
(2) Leistet eine allgemeine Polizeibehörde einer ihr erteilten Weisung keine Folge, so kann an Stelle dieser Behörde jede zur Fachaufsicht zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen treffen.
(3) Die allgemeinen Polizeibehörden sind verpflichtet, die weisungsbefugten Behörden von allen sachdienlichen Wahrnehmungen zu unterrichten.
§ 68
Allgemeine sachliche Zuständigkeit
(1) Die sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden wird vom fachlich zuständigen Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung bestimmt, soweit keine gesetzliche Regelung getroffen ist.
(2) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind die Ortspolizeibehörden sachlich zuständig.
§ 69
Besondere sachliche Zuständigkeit
(1) Erscheint bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der sachlich zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar, so können deren Aufgaben von den in § 66 bezeichneten zur Fachaufsicht zuständigen Behörden wahrgenommen werden.
(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann jede Polizeibehörde innerhalb ihres Dienstbezirkes die Aufgaben einer übergeordneten Polizeibehörde wahrnehmen.
(3) Die zuständige Polizeibehörde ist von den getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten.
(4) Diese Bestimmungen gelten nicht für Polizeiverordnungen.
§ 70
Örtliche Zuständigkeit
(1) Die örtliche Zuständigkeit der Polizeibehörden beschränkt sich auf ihren Dienstbezirk.
(2) Örtlich zuständig ist die Polizeibehörde, in deren Dienstbezirk eine polizeiliche Aufgabe wahrzunehmen ist. Das fachlich zuständige Staatsministerium kann im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung etwas anderes bestimmen.
(3) Erscheint bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der örtlich zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar, so kann auch die für einen benachbarten Dienstbezirk zuständige Polizeibehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen. Die örtlich zuständige Polizeibehörde ist von den getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten.
(4) Kann eine polizeiliche Aufgabe in mehreren Dienstbezirken zweckmäßig nur einheitlich wahrgenommen werden, so wird die örtliche Zuständigkeit von der Behörde geregelt, welche die Fachaufsicht über die beteiligten Polizeibehörden führt. Die Regelung kann auch von der Landespolizeibehörde oder der obersten Landespolizeibehörde getroffen werden.
Abschnitt 3
Der Polizeivollzugsdienst
§ 71
Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst
(1) Der Freistaat Sachsen unterhält für den Polizeivollzugsdienst folgende Polizeidienststellen:
- 1.
- das Landespolizeipräsidium im Staatsministerium des Innern,
- 2.
- das Landeskriminalamt,
- 3.
- das Polizeiverwaltungsamt
- 4.
- das Präsidium der Bereitschaftspolizei,
- 5.
- die Polizeidirektionen.
(2) Der Freistaat Sachsen unterhält für den Polizeivollzugsdienst die erforderlichen Ausbildungs- und Beschaffungseinrichtungen. 31
§ 72
Aufgaben des Staatsministeriums des Innern
(1) Das Staatsministerium des Innern ist oberste Dienstbehörde und Führungsstelle des Polizeivollzugsdienstes.
(2) Das Staatsministerium des Innern kann sich oder einer anderen Polizeidienststelle nachgeordnete Polizeidienststellen vorübergehend unmittelbar unterstellen, wenn die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben dies erfordert.
(3) Ist bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden des Staatsministeriums des Innern nicht zu erreichen, so kann das Landeskriminalamt Maßnahmen nach Absatz 2 treffen. Das Staatsministerium des Innern ist unverzüglich zu unterrichten. 32
§ 73
Aufgaben und Gliederung der Polizeidienststellen
Die Gliederung des Polizeivollzugsdienstes in Polizeidienststellen und deren Aufgaben werden im Rahmen dieses Gesetzes vom Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung bestimmt.
§ 74
Dienstaufsicht und Fachaufsicht
(1) Die Dienstaufsicht über das Landeskriminalamt, das Präsidium der Bereitschaftspolizei, das Polizeiverwaltungsamt und die Polizeidirektionen übt das Staatsministerium des Innern aus.
(2) Die Fachaufsicht üben aus
- 1.
- das Staatsministerium des Innern über das Landeskriminalamt, das Präsidium der Bereitschaftspolizei und das Polizeiverwaltungsamt,
- 2.
- die zuständigen Staatsministerien und die obere Verwaltungsbehörde über die Polizeidirektionen.
Die Fachaufsicht der Polizeibehörden über die Polizeidirektionen nach Satz 1 Nr. 2 ist auf die Fälle beschränkt, in denen die Polizeidirektionen die polizeilichen Aufgaben auf der Grundlage von § 60 Abs. 2 wahrnehmen.
(3) Die Fachaufsicht über die kriminalpolizeiliche Tätigkeit der Polizeidienststellen wird, unbeschadet der Befugnisse der übrigen zur Fachaufsicht zuständigen Stellen, vom Landeskriminalamt ausgeübt.
(4) Im Übrigen kann das Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung weitere Regelungen über die Dienst- und Fachaufsicht über die nachgeordneten Polizeidienststellen und die Ausbildungs- und Beschaffungseinrichtungen für den Polizeivollzugsdienst treffen.
(5) Die zur Dienstaufsicht oder zur Fachaufsicht zuständigen Stellen können den Polizeidienststellen im Rahmen ihrer Zuständigkeit Weisungen erteilen. Die Polizeidienststellen haben diesen Weisungen Folge zu leisten. Sie sind verpflichtet, die weisungsbefugten Stellen von allen sachdienlichen Wahrnehmungen zu unterrichten. 33
§ 75
Weisungsrecht der Kreis- und Ortspolizeibehörden
Die Kreis- und Ortspolizeibehörden können den Polizeidienststellen im Rahmen ihrer Zuständigkeit fachliche Weisungen erteilen.
§ 76
Örtliche Zuständigkeit
Die Polizeidienststellen sind im ganzen Landesgebiet zuständig; sie sollen in der Regel jedoch nur in ihrem Dienstbezirk tätig werden.
§ 77
Amtshandlungen von Polizeibediensteten anderer Länder und des Bundes im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen
(1) Polizeibedienstete eines anderen Bundeslandes können im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen Amtshandlungen vornehmen
- 1.
- auf Anforderung oder mit Zustimmung des Staatsministeriums des Innern,
- 2.
- in den Fällen der Artikel 35 Abs. 2 und 3 und 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
- 3.
- zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten auf frischer Tat sowie zur Verfolgung und Wiederergreifung Entwichener, wenn die zuständige Stelle die erforderlichen Maßnahmen nicht treffen kann,
- 4.
- zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben im Zusammenhang mit Transporten von Personen oder Sachen,
- 5.
- zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten und zur Gefahrenabwehr in den durch Verwaltungsabkommen mit anderen Bundesländern geregelten Fällen.
(2) Werden Polizeibedienstete eines anderen Bundeslandes nach Absatz 1 tätig, haben sie die gleichen Befugnisse wie die des Freistaates Sachsen. Ihre Maßnahmen gelten als Maßnahmen derjenigen Polizeidienststellen, in deren örtlichem und sachlichem Zuständigkeitsbereich sie tätig geworden sind. Sie unterliegen insoweit deren Weisungen.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für
- 1.
- Polizeibedienstete des Bundes und
- 2.
- Vollzugsbeamte der Zollverwaltung, denen der Gebrauch von Schusswaffen bei Anwendung unmittelbaren Zwangs nach dem Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 201-5, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 28 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407, 2410) geändert worden ist, gestattet ist,
entsprechend.
(4) Vollzugsbedienstete anderer Staaten mit polizeilichen Aufgaben können im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen polizeiliche Amtshandlungen vornehmen, soweit dies durch völkerrechtliche Vereinbarungen oder durch Rechtsakte der Europäischen Union geregelt ist. 34
§ 78
Amtshandlungen von Polizeibediensteten des Freistaates Sachsen außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs
(1) Die Polizeibediensteten des Freistaates Sachsen dürfen im Zuständigkeitsbereich des Bundes oder eines anderen Bundeslandes nur dann tätig werden, wenn das Bundesrecht oder das jeweilige Landesrecht es vorsieht. Außerhalb der Bundesrepublik Deutschland dürfen die Polizeibediensteten nur tätig werden, soweit dies durch völkerrechtliche Vereinbarungen oder durch Rechtsakte der Europäischen Union geregelt ist.
(2) Einer Anforderung von Polizeikräften durch den Bund oder ein anderes Bundesland soll entsprochen werden, soweit nicht die Verwendung der Polizeikräfte im Freistaat Sachsen dringender ist, als die Unterstützung des Bundes oder des anderen Bundeslandes. 35
Teil 3
Sonstige Bestimmungen
§ 79
Einschränkung von Grundrechten
Durch polizeiliche Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes können im Rahmen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt werden
- 1.
- das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
- 2.
- die Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
- 3.
- die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 30 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
- 4.
- das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
- 5.
- das Recht der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes),
- 6.
- das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 15 der Verfassung des Freistaates Sachsen). 36
§ 80
Gemeindliche Vollzugsbedienstete
(1) Die Ortspolizeibehörden können sich zur Wahrnehmung bestimmter auf den Gemeindebereich beschränkter polizeilicher Vollzugsaufgaben gemeindlicher Vollzugsbediensteter bedienen. Das Staatsministerium des Innern bestimmt durch Rechtsverordnung, welche polizeilichen Vollzugsaufgaben auf gemeindliche Vollzugsbedienstete übertragen werden können. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes bleibt unberührt.
(2) Die gemeindlichen Vollzugsbediensteten haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Stellung von Polizeibediensteten im Sinne dieses Gesetzes.
(3) Die Ortspolizeibehörden machen öffentlich bekannt, welche polizeilichen Vollzugsaufgaben auf gemeindliche Vollzugsbedienstete übertragen sind.
§ 81
Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft
Das Staatsministerium des Innern kann im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, die mit der Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben betraut sind, ohne einer Polizeidienststelle anzugehören, die Stellung von Polizeibediensteten im Sinne dieses Gesetzes haben. 37
§ 82
Obere Verwaltungsbehörde
Obere Verwaltungsbehörde im Sinne dieses Gesetzes ist die Landesdirektion Sachsen. 38
§ 83
Verweisungen
Soweit dieses Gesetz auf Rechtsvorschriften verweist, bezieht sich die Verweisung auf die Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung. 39