Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
über Stundung, Erlass und Niederschlagung von Kosten im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften, der Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit
(VwV Stundung und Erlass)

Vom 2. Juli 2001

Im Einvernehmen mit dem Sächsischen Staatsministerium der Finanzen wird folgendes bestimmt:

I. Befugnis zur Stundung und zum Erlass

1.
Die Befugnis zur Stundung der in § 68 Abs. 1 SächsJG genannten Gerichtskosten und Ansprüche wird übertragen
 
a)
für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften
 
 
aa)
auf den Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen für Ansprüche, die in Strafsachen oder in gerichtlichen oder staatsanwaltlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ( OWiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2432, 2445), entstanden sind,
 
 
bb)
auf den Präsidenten des Oberlandesgerichts, soweit nicht der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen zuständig ist;
 
b)
für den Bereich der Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit auf die Präsidenten der obersten Landesgerichte jeweils für ihren Geschäftsbereich;
 
c)
auf den Leiter der Landesjustizkasse, wenn die Landesjustizkasse nach § 2 Justizbeitreibungsordnung Vollstreckungsbehörde ist und ihr die Ansprüche zur Einziehung überwiesen sind, soweit sie zum Zeitpunkt der Antragstellung 25 000 EUR nicht übersteigen und eine Stundung von nicht mehr als 3 Jahren bewilligt wird. Die Höhe der zugrunde liegenden Kostenschuld bestimmt sich nach dem für den Kostenschuldner zu stundenden Gesamtbetrag.
2.
Nummer 1 Buchst. a und b gilt für einen Erlass entsprechend.
3.
Anträge auf Stundung oder Erlass von Kosten, die mit einem noch nicht erledigten Gesuch um Straferlass oder einen sonstigen Gnadenerweis im Zusammenhang stehen, werden ausschließlich nach den Bestimmungen der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über das Verfahren der Justizbehörden des Freistaates Sachsen in Gnadensachen (Gnadenordnung –  GnO) vom 10. Dezember 1999 (SächsABl. 2000, S. 3) behandelt.
4.
Ist über die Stundung oder den Erlass mehrerer in verschiedenen Geschäftsbereichen entstandener Ansprüche zu befinden, entscheidet die Behörde, die den höheren Anspruch der Kasse zur Einziehung überwiesen hat.

II. Befugnis zur Niederschlagung

Die nach Ziffer I Nr. 1 zuständige Stelle kann im Rahmen der Behandlung von Erlassanträgen die Ansprüche befristet oder unbefristet niederschlagen (Nummern 2.1 bis 2.5 Vorl. VwV-SäHO zu § 59 SäHO). Die Befugnis der Landesjustizkasse zur Niederschlagung bleibt unberührt (Anlage 2 Vorl. VwV-SäHO zu § 79 SäHO).

III. Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur

1.
Die Gerichtsgebühren sind in folgenden Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Regel zu erlassen:
 
a)
bei freiwilliger Zusammenlegung benachbarter land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke durch privatrechtlichen Tausch-, Kauf-, Ausstattungs- oder Schenkungsvertrag zur Verbesserung der Agrarstruktur. Als benachbart sind unmittelbar aneinandergrenzende Grundstücke sowie einander gegenüberliegende Grundstücke, die nur durch einen Graben oder einen Wirtschaftsweg getrennt sind, anzusehen.
 
b)
bei der Förderung nachstehend bezeichneter Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur durch Einsatz von Bundes- oder Landesmitteln außerhalb eines behördlichen Verfahrens:
 
 
aa)
Aussiedlung (einschließlich Teilaussiedlung und Betriebszweigaussiedlung) von landwirtschaftlichen Betrieben;
 
 
bb)
bauliche Erweiterungen von Aussiedlungen und Neusiedlungen;
 
 
cc)
bauliche Maßnahmen in Altgehöften;
 
 
dd)
Aufstockung der landwirtschaftlichen Betriebsfläche.
2.
Die Voraussetzungen eines Gebührenerlasses nach Nummer 1 Buchst. a können durch eine Bescheinigung des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft, des Staatlichen Amtes für Land-wirtschaft und Gartenbau oder der unteren Forstbehörde, die nach Nummer 1 Buchst. b durch eine Bescheinigung des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft oder des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Gartenbau nachgewiesen werden. Im letzteren Fall ist auch der Bewilligungsbescheid vorzulegen.
3.
§ 29 des Reichssiedlungsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2331 – 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 2 Nr. 24 des Gesetzes vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2191, 2235) geändert worden ist, bleibt unberührt.

IV. Gegenvorstellungen

Über Einwendungen gegen die Entscheidung über einen Stundungs- oder Erlassantrag entscheidet das Staatsministerium der Justiz, wenn sie sich gegen eine Entscheidung einer nach Ziffer I Nr. 1 Buchst. a und b oder Ziffer I Nr. 2 zuständigen Stelle richten. Im Übrigen entscheidet die nach Ziffer I Nr. 1 Buchst. a und b oder Ziffer I Nr. 2 zuständige Stelle. Die Entscheidung ist abschließend.

V. Delegation

1.
Die Befugnis nach Ziffer I Nr. 1 Buchst. a und b, Ziffer I Nr. 2 und Ziffer IV Satz 2 kann ganz oder teilweise oder für bestimmte Fälle auf nachgeordnete Dienststellen übertragen werden. Eine Übertragung umfasst auch die Befugnis nach Ziffer II.
2.
Die Befugnis nach Ziffer I Nr. 1 Buchst. c kann der Leiter der Landesjustizkasse
 
a)
auf den Leiter des Sachgebiets Vollstreckung,
 
b)
teilweise oder für bestimmte Fälle auf Arbeitsgebietsleiter,
 
c)
bei Beträgen bis zu 500 EUR und einer Stundungsdauer von bis zu sechs Monaten auch auf Sachbearbeiter übertragen.

VI. Verfahren

1.
Die nach Ziffer I Nr. 1 Buchst. a und b, Nr. 2 und Ziffer V Nr. 1 zuständige Stelle hat den Eingang von Stundungs- und Erlassanträgen der Landesjustizkasse mitzuteilen und die Kassenakten beizuziehen. Die Landesjustizkasse kann die vorläufige Einstellung oder Beschränkung von Vollstreckungsmaßnahmen anordnen.
2.
Die für die Entscheidung über den Antrag zuständige Stelle ist an den Antrag gebunden. Nummer 4 Buchst. b bleibt unberührt.
3.
Wird die Stundung beantragt, ist wie folgt zu verfahren:
 
a)
Ein Betrag von über 2.500 EUR soll in der Regel nur gegen Sicherheit gestundet werden. Sicherheit kann geleistet werden durch
 
 
aa)
Hinterlegung von Wertpapieren (§ 234 BGB),
 
 
bb)
Verpfändung beweglicher Sachen (§ 237 BGB),
 
 
cc)
Bestellung von Grundpfandrechten an inländischen Grundstücken (§§ 232, 1113 ff., 1191 ff. BGB),
 
 
dd)
Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück oder an einem eingetragenen Schiff besteht (§ 238 BGB),
 
 
ee)
Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken (§ 238 BGB),
 
 
ff)
Stellung eines tauglichen Bürgen unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (§ 239 BGB),
 
 
gg)
Abtretung von Forderungen (§ 398 BGB) oder beweglicher Sachen zur Sicherheit (§§ 929, 930 BGB).
 
 
Sicherheiten an Grundstücken sollen nur bei längerfristigen Stundungen und bei einem angemessenen Verhältnis zwischen den Kosten und der Höhe des Anspruchs gefordert oder angenommen werden. Die Sicherheit ist zu erbringen, bevor die Stundung wirksam wird.
 
b)
In geeigneten Fällen, insbesondere bei Stundungen über ein Jahr hinaus, hat die Landesjustizkasse zunächst die Zweitschuldner (§ 8 Abs. 1 KostVfg) durch den Kostenbeamten feststellen zu lassen und ihnen dann eine Kostenrechnung zu übersenden, die keine Zahlungsaufforderung enthält. Die Zweitschuldner sind vor der Entscheidung über die Stundung zu hören. Es ist darauf zu achten, dass ihre berechtigten Interessen nicht gefährdet werden. § 8 Abs. 2 und 3 KostVfg bleibt unberührt.
 
c)
Wird Stundung durch Einräumung von Teilzahlung gewährt, ist in den Stundungsbescheid die Bestimmung aufzunehmen, dass die jeweilige Restforderung sofort fällig und vollstreckbar wird, wenn die Frist für die Leistung von zwei Raten um eine in dem Bescheid zu bestimmende Frist überschritten wird.
 
d)
Beträgt die zu stundende Kostenforderung nicht mehr als 500 EUR und soll die Forderung nicht für eine längere Zeit als sechs Monate gestundet werden, genügt bei Anträgen, die mündlich vorgebracht werden, die Aufnahme eines Vermerks über die Bewilligung der Stundung, soweit dem Antrag des Kostenschuldners entsprochen wurde. In allen anderen Fällen ist ein schriftlicher Stundungsbescheid zu erteilen.
4.
Wird der Erlass von Kosten beantragt, ist wie folgt zu verfahren:
 
a)
Der Kostenansatz ist durch den Bezirksrevisor zu überprüfen und gegebenenfalls zu berichtigen.
 
b)
Die nach den Ziffern I und V zuständige Stelle hat zu prüfen, ob statt eines Erlasses nicht eine andere Entscheidung, zum Beispiel durch Stundung, Bewilligung von Ratenzahlungen, Niederschlagung, in Betracht kommt. Die Vermögenslosigkeit eines Schuldners allein ist kein Grund für einen Erlass im Sinne des § 68 Abs. 2 SächsJG.
5.
Einem Antrag auf Stundung oder Teilerlass oder einem entsprechenden Vergleichsangebot kann auch durch den Abschluss eines Vergleichs entsprochen werden. In diesem Fall sind hinsichtlich der Zuständigkeit die vorliegenden Vorschriften anzuwenden.

VII. Vergleichsabschluss im Zusammenhang mit der Schuldenregulierung nach der Insolvenzordnung (InsO)

Ein vorgelegter Schuldenbereinigungsplan ist grundsätzlich dann nicht wirtschaftlich und zweckmäßig im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 2 SäHO, wenn die darin enthaltene Tilgungsquote geringer als 10 Prozent der gesamten Kostenschuld ist. Soweit in diesem Fall über den Schuldenbereinigungsplan zu entscheiden ist, kann die Landesjustizkasse den Schuldenbereinigungsplan ohne Einwilligung der nach Ziffer I Nr. 1 Buchst. a und b zuständigen Stelle ablehnen. Eine Prüfung nach Ziffer VI Nr. 4 Buchst. a entfällt in diesem Fall.

VIII. Übergangsvorschrift

Bis zum 31. Dezember 2001 gelten in:

1.
Ziffer I Nr. 1 Buchst. c anstelle des Betrages von 25 000 EUR ein Betrag von 50 000 DM,
2.
Ziffer V Nr. 2 Buchst. c anstelle des Betrages von 500 EUR ein Betrag von 1 000 DM,
3.
Ziffer VI Nr. 3 Buchst. a anstelle des Betrages von 2.500 EUR ein Betrag von 5 000 DM,
4.
Ziffer VI Nr. 3 Buchst. d anstelle des Betrages von 500 EUR ein Betrag von 1 000 DM.

IX. In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. August 2001 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über Stundung, Erlaß und Niederschlagung von Kosten im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften, der Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit (VwV Stundung und Erlaß) vom 3. Februar 1998 (SächsJMBl. S. 22), geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 3. November 1998 (SächsJMBl. S.143), außer Kraft.

Dresden, den 2. Juli 2001

Der Staatsminister der Justiz
Manfred Kolbe

Änderungsvorschriften