Verordnung
des Sächsischen Staatsministeriums
für Umwelt und Landesentwicklung
über die Kennzeichnung wildlebender Vögel zu wissenschaftlichen Zwecken
(Vogelberingungsverordnung – VogelBerVO)
Vom 12. September 1995
Aufgrund von § 28 Nr. 4 des Sächsischen Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Sächsisches Naturschutzgesetz – SächsNatSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 1994 (SächsGVBl. S. 1601, ber. 1995 S. 106) wird im Benehmen mit dem Sächsischen Staatsministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten verordnet:
§ 1
Grundsätze
(1) Die Beringung wildlebender Vögel im Freistaat Sachsen darf nur auf der Grundlage von Beringungsprogrammen durchgeführt werden, die von der obersten Naturschutzbehörde genehmigt worden sind. Sie erfolgt im Auftrag der Beringungszentrale ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken. Beringung im Sinne dieser Verordnung ist auch die individuelle Kennzeichnung zur Felderkennung wildlebender Vögel.
(2) Beringungsprogramme im Sinne dieser Verordnung sind Richtlinien, mit denen die Beringung von Vogelarten oder Gruppen von Vogelarten fachlich begründet sowie zeitlich und räumlich bestimmt wird. Sie dienen der Erforschung wissenschaftlicher Fragen zur Biologie oder Ökologie von Vögeln.
(3) Die Beringungsprogramme werden von der Beringungszentrale aufgestellt. Die oberste Naturschutzbehörde kann eigene Beringungsprogramme für das Gebiet des Freistaates Sachsen aufstellen, sofern diese nicht in Widerspruch zu den Beringungsprogrammen der Beringungszentrale stehen. Insbesondere kann die oberste Naturschutzbehörde Vogelarten zeitlich für die Beringung sperren, die Beringung räumlich einschränken oder bestimmte Vogelarten aus Artenschutzgründen zeitweilig von der Markierung ausnehmen.
§ 2
Beringungszentrale
(1) Die Beringungszentrale Hiddensee hat ihren Sitz beim Landesamt für Umwelt und Natur Mecklenburg-Vorpommern in Neuenkirchen.
(2) Der Beringungszentrale obliegen neben der Bearbeitung und Speicherung des Datenmaterials sowie dessen Auswertung in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, anderen einschlägigen Fachinstituten und Verbänden insbesondere folgende Aufgaben:
- 1.
- Feststellung der fachlichen Eignung von Personen, die sich als Beringer bewerben. Durchführung eines dreitägigen Einweisungskurses für diese Personen und Erteilung des Zeugnisses;
- 2.
- Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen;
- 3.
- Antragstellung für die Zulassung von Beringern und für die Verlängerung der Beringungserlaubnis;
- 4.
- Ausübung des Vorschlagsrechts für den Obmann nach § 4 Abs. l;
- 5.
- Ausgabe und Entgegennahme der Ringe und Erteilung von Gestattungen für deren Weitergabe an Dritte;
- 6.
- Genehmigung zusätzlicher Kennzeichnungen nach § 7 Abs. 2 und Erteilung von Gestattungen für deren Weitergabe an Dritte;
- 7.
- Nachweisführung und Terminkontrolle nach § 3 Abs. 2 Nr. 6;
- 8.
- Festlegung von Vogelarten, die von der Markierung ausgenommen werden;
- 9.
- Entgegennahme von Fundmeldungen;
- 10.
- Kontrolle und Überwachung von Veröffentlichungen über Ring- und Kennzeichnungsfunde;
- 11.
- Mitteilung der aufgestellten und genehmigten Beringungsprogramme an die höheren Naturschutzbehörden und an die in § 43 SächsNatSchG genannten staatlichen Fachbehörden.
(3) Die Daten von Beringungsergebnissen sind von ihrer Veröffentlichung durch die Beringungszentrale zu kontrollieren.
(4) Das Sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie (LfUG) ist berechtigt, biologische und ökologische Daten, die bei der Beringung einzelner, wissenschaftlich bedeutsamer Vogelarten anfallen, von der Beringungszentrale nach § 2 Abs. 1 Satz 1 anzufordern.
§ 3
Beringer
(1) Als Beringer darf nur eingesetzt werden, wer
- l.
- das 18. Lebensjahr vollendet hat,
- 2.
- die hierfür erforderliche fachliche Eignung nachweist,
- 3.
- im Besitz des Zeugnisses der Beringungszentrale im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 ist,
- 4.
- sich zur Mitarbeit an wissenschaftlichen Aufgabenstellungen verpflichtet,
- 5.
- seine fachliche Weiterbildung nachweist und
- 6.
- im Besitz einer gültigen Beringungserlaubnis nach § 5 ist. Für den Nachweis nach Nummer5 genügt die Teilnahme an den Beringertreffen im Sinne des § 4 Abs. 2 oder an einer Weiterbildungsveranstaltung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2.
(2) Beringer haben unbeschadet der Bestimmungen des § 7 insbesondere folgende Aufgaben und Pflichten:
- 1.
- Fang und Beringung wildlebender Vögel,
- 2.
- erhöhte Sorgfaltspflicht in besonders geschützten Biotopen unter Beachtung des § 26 Abs. 2 Satz 1 SächsNatSchG,
- 3.
- Aneignung von Grundkenntnissen einschlägiger Rechtsvorschriften, insbesondere der artenschutzrechtlichen Bestimmungen der EU, des Bundes und des Freistaates Sachsen,
- 4.
- Mitteilung von Rechtsverstößen im Sinne dieser Rechtsverordnung,
- 5.
- räumliche und zeitliche Abstimmung der Beringung mit Jagdausübungs- und sonstigen Nutzungsberechtigten,
- 6.
- vollständige und gewissenhafte Führung und termingerechte Übermittlung der von der Beringungszentrale vorgeschriebenen Nachweise.
(3) Die Beringer können die Hilfe von Beringungshelfern in Anspruch nehmen. Die Beringungshelfer dürfen nur unter der Aufsicht des Beringers tätig werden. Die Verantwortung für ihre Tätigkeit trägt der Beringer.
§ 4
Obmann
(1) Als Koordinator für die Beringungsarbeit zwischen Beringern, Beringungszentrale und den für die Durchführung dieser Rechtsverordnung zuständigen Behörden wird von der obersten Naturschutzbehörde ein Obmann für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Er ist ehrenamtlich tätig. Die Beringungszentrale, die Fachbehörden im Sinne des § 40 Abs. 3 SächsNatSchG, die anerkannten Naturschutzverbände und der Verein Sächsischer Ornithologen sind berechtigt, geeignete Personen vorzuschlagen.
(2) Der Obmann hat jährlich mindestens eine Versammlung der nach § 3 zugelassenen Beringer durchzuführen. Die Versammlung dient insbesondere dem Erfahrungsaustausch und der Weiterbildung.
§ 5
Beringungserlaubnis
(1) Die Erlaubnis für den Fang und für die Beringung wildlebender Vögel wird auf schriftlichen Antrag der Beringungszentrale von der zuständigen höheren Naturschutzbehörde für die Dauer von fünf Jahren erteilt, sofern die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Beringungserlaubnis erfolgt in Form eines Beringungsausweises ( Anlage ).
(2) Die Erlaubnis kann auf Antrag der Beringungszentrale jeweils um fünf Jahre verlängert werden. Die Verlängerung der Erlaubnis ist zu untersagen, wenn die in § 3 Abs. 1 Nr. 5 genannte Voraussetzung nicht erfüllt ist. Bei erneuter Erteilung kann vom Erfordernis eines weiteren Zeugnisses im Sinne des § 3 Abs. Nr. 3 abgesehen werden, wenn die fachliche Eignung durch Weiterbildung gesichert ist. Die Gültigkeit des Zeugnisses erlischt nach drei Jahren, wenn innerhalb dieser Frist keine Beringungserlaubnis beantragt wird.
(3) Die Beringungserlaubnis darf nicht erteilt werden an Personen, die
- 1.
- wildlebende, einheimische Vögel, deren Bälge, Federn, Eier, Fleisch oder Häute halten, vertreiben, be- oder verarbeiten oder
- 2.
- in den letzten fünf Jahren wegen Zuwiderhandlungen gegen die auf dem Gebiet des Naturschutzes, der Jagd oder des Tierschutzes erlassenen Gesetze und Verordnungen rechtskräftig verurteilt oder mit einem Bußgeld belegt worden sind.
(4) Die Beringungserlaubnis ist zu entziehen, wenn der Inhaber Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Naturschutzes, der Jagd oder des Tierschutzes verletzt.
(5) Die Erlaubnis kann nur für geschützte Vogelarten erteilt werden, die nicht dem Jagdrecht unterliegen. Die Erlaubnis für jagdbare Arten kann von der höheren Naturschutzbehörde nur nach Zulassung durch die höhere Jagdbehörde als Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 2 erteilt werden.
(6) Die Beringungserlaubnis gilt nur für den Zuständigkeitsbereich der höheren Naturschutzbehörde. Sie kann eingeschränkt werden
- 1.
- räumlich auf die in § 6 Abs. 1 genannten Schutzgebiete,
- 2.
- inhaltlich auf besondere Aufgabenstellungen der wissenschaftlichen Vogelberingung oder auf einzelne Beringungsprogramme.
Die Einschränkungen sind im Ausweis einzutragen.
(7) Die Beringungserlaubnis gilt gleichzeitig als Ausnahmegenehmigung im Sinne des § 20g Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 Bundesnaturschutzgesetz und des § 13 Abs. 3 Nr. 3 Bundesartenschutzverordnung ( BArtSchV) vom 18. September 1989 (BGBl. I S. 1677, ber. S. 2011), geändert durch die 2. Änderungs-VO vom 9. Juli 1994 (BGBl. I S. 1523).
(8) Der Ausweis ist bei der Beringungstätigkeit mitzuführen und zur Kontrolle berechtigten Personen auf Verlangen vorzuzeigen.
(9) Vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung ausgestellte Ausweise behalten ihre Gültigkeit bis zum Ablauf ihrer zeitlichen Befristung. Die Frist beginnt mit dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung.
§ 6
Spezielle Genehmigungen
(1) Fang und Beringung in Naturschutzgebieten, Nationalparken, Biosphärenreservaten und Naturdenkmalen (§§ 16 bis 18 und 21 SächsNatSchG) sind unabhängig von der erteilten Beringungserlaubnis nur mit Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörden zulässig.
(2) Die Zulassung der Beringung jagdbarer Vogelarten im Sinne des Jagdrechts erteilt die höhere Jagdbehörde nach § 34 Abs. 5 Sächsisches Landesjagdgesetz ( SächsLJagdG ) vom 8. Mai 1991 (SächsGVBl. S. 67). Die Durchführung des jagdrechtlichen Zulassungsverfahrens wird von der höheren Naturschutzbehörde von Amts wegen beantragt, wenn es zur Durchführung bestimmter Vogelberingungsprogramme erforderlich ist. Der Vogelberinger kann im Einzelfall die Durchführung durch Anzeige bei der höheren Naturschutzbehörde beantragen. Der Vogelberinger hat seinen Antrag zu begründen.
(3) Beringungen in eingezäunten Grundstücken sind nur mit Zustimmung der Eigentümer oder Nutzer gestattet.
§ 7
Fang und Beringung
(1) Der Vogelfang zum Zweck der Beringung darf nur mit solchen Verfahren und Methoden erfolgen, die die Vögel nicht verletzen oder auf Dauer beeinträchtigen. Die Beringer und die Beringungshelfer sind verpflichtet, die zum Fang aufgestellten Vorrichtungen in regelmäßigen Abständen so zu kontrollieren, daß eine Beeinträchtigung der gefangenen Tiere vermieden wird. Der Einsatz betäubender Mittel zum Fang und der Einsatz von Lockvögeln sind verboten. Die höhere Naturschutzbehörde kann im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Nr. 3 BArtSchV den Einsatz von Lockvögeln zulassen.
(2) Zur Beringung dürfen nur von der Beringungszentrale ausgegebene Ringe und von ihr für spezielle Programme genehmigte, zusätzliche Kennzeichen verwendet werden. Kennzeichen und Ringe werden von der Beringungszentrale ausgegeben und bleiben deren Eigentum. Nach Beendigung der Beringungstätigkeit, Ablauf oder Entzug der Erlaubnis oder nach Aufforderung sind sie unverzüglich an die Beringungszentrale zurückzugeben. Die Weitergabe von Ringen und Kennzeichen ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Beringungszentrale gestattet.
(3) Die gefangenen Vögel sind an Ort und Stelle und nur in der genehmigten Art und Weise zu kennzeichnen und danach unverzüglich freizulassen. Untersuchungen, die über die Erfassung morphologischer und biometrischer Daten oder Ektoparasiten hinausgehen, bedürfen einer gesonderten Genehmigung der zuständigen höheren Naturschutzbehörde.
(4) Ringfunde oder andere der Markierung dienende Kennzeichen sind entweder an die auf dem Ring verzeichnete Einrichtung oder an die Beringungszentrale zu melden und einzusenden.
§ 8
Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig im Sinne von § 61 Abs. 1 Nr. 2 SächsNatSchG handelt, wer
- 1.
- ohne Beringungserlaubnis wildlebende Vögel markiert,
- 2.
- nicht zugelassene Ringe verwendet,
- 3.
- über die ihm von der Beringungszentrale überlassenen Ringe und Kennzeichen mißbräuchlich verfügt,
- 4.
- es unterläßt, Beringungslisten und andere Nachweise zu führen beziehungsweise diese nicht an die Beringungszentrale übergibt,
- 5.
- nach Beendigung der Beringertätigkeit beziehungsweise Entzug der Erlaubnis die noch verbliebenen Ringe, Kennzeichen und Nachweise vorsätzlich nicht an die Beringungszentrale zurückliefert,
- 6.
- die Aufsichtspflicht als Beringer nach § 3 Abs. 4 Satz 2 verletzt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 kann mit einer Geldbuße bis zu 5 000 DM, bei Fahrlässigkeit mit einer Geldbuße bis zu 2 500 DM geahndet werden.
(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ( OWiG) ist die höhere Naturschutzbehörde.
§ 9
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.
Dresden, den 12. September 1995
Der Staatsminister
für Umwelt und Landesentwicklung
Arnold Vaatz