Sächsisches Pflegegesetz
(SächsPflegeG)

Vom 25. März 1996

Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. Januar 2002

Der Sächsische Landtag hat am 29. Februar 1996 das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Grundsätze

(1) Zur Gewährleistung der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung im Freistaat Sachsen wirken der Freistaat, die Städte, Gemeinden und Landkreise, die Pflegeeinrichtungen gemäß § 71 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 29. Juli 1994 (BGBl. I S. 1890), und die Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in gemeinsamer Verantwortung eng zusammen.

(2) Alle Beteiligten sind verpflichtet, die Würde und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen zu achten und ihre religiösen Bedürfnisse zu respektieren.

(3) Ziel dieses Gesetzes ist es, die rechtlichen Instrumente für eine Bedarfsplanung im Pflegebereich zu schaffen und die finanzielle Förderung der zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne der §§ 71, 72 SGB XI zu regeln. Der Vorrang der häuslichen Pflege ist zu beachten. Ambulante Pflege geht der teilstationären, diese der vollstationären vor. Die Angebote zur pflegerischen Versorgung sollen aufeinander abgestimmt werden.

(4) Die Vielfalt der Träger der Pflegeeinrichtungen ist zu fördern.

§ 2
Aufgaben

Der Freistaat Sachsen trägt die Verantwortung für die Bedarfsplanung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 und 3 und für die Förderung von Pflegeeinrichtungen nach Maßgabe der §§ 5 bis 10 und § 12. Die Landkreise und Kreisfreien Städte sind für die Gewährleistung einer bedarfsgerechten ambulanten, teilstationären und vollstationären Versorgungsstruktur in ihrem Gebiet, insbesondere für die Pflegeeinrichtungsplanung nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 und für die Aufbringung der kommunalen Fördermittel gemäß § 12 verantwortlich.

§ 3
Bedarfsplanung

(1) Das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie (Staatsministerium) stellt unter Beteiligung des Landespflegeausschusses einen Rahmenplan auf, der den zu erwartenden Bedarf an Pflegeplätzen in stationären Pflegeeinrichtungen in Form von Orientierungsdaten ausweist. Der Rahmenplan soll in der Regel nach drei Jahren aktualisiert werden.

(2) Die Landkreise und Kreisfreien Städte sind verpflichtet, jeweils für ihr Gebiet Pflegeeinrichtungspläne gemäß den Orientierungsdaten nach Absatz 1 aufzustellen und fortzuschreiben. Dabei sollen die im Planungsgebiet vertretenen Pflegeeinrichtungsträger angehört werden. Die Pflegeeinrichtungspläne weisen die nach dem Rahmenplan für das Gebiet erforderlichen Pflegeplätze aus. Dabei sind die Grundstätze und Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu beachten.

(3) Soweit spezifische pflegerische Belange eine überregionale Planung erfordern, ist das Staatsministerium für die Pflegeeinrichtungsplanung zuständig.

(4) Ein Anspruch auf Aufnahme in einen Pflegeeinrichtungsplan besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Pflegeeinrichtungen entscheidet die zuständige Behörde unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses und der Vielfalt der Anbieter nach pflichtgemäßem Ermessen.

§ 4
Investitionsplanung

(1) Das Staatsministerium stellt nach Maßgabe der Orientierungsdaten und auf der Grundlage der Pflegeeinrichtungspläne nach § 3 Abs. 2 Investitionsprogramme auf. In diese sind die Art und Zahl der Vorhaben, die für die Durchführung erforderlichen Finanzhilfen des Bundes, die Eigenanteile des Freistaates Sachsen und des Landkreises oder der Kreisfreien Stadt sowie die von den zu fördernden Pflegeeinrichtungen einzusetzenden Eigen- und Fremdmittel aufzunehmen. Ein Rechtsanspruch auf Förderung bestimmter Vorhaben besteht nicht.

(2) Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in ein Investitionsprogramm besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Pflegeeinrichtungen entscheidet das Staatsministerium unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses nach pflichtgemäßem Ermessen.

§ 5
Voraussetzungen der Förderung

(1) Investitionsmaßnahmen für bestehende Pflegeeinrichtungen können nach diesem Gesetz nur gefördert werden, wenn für die zu fördernde Pflegeeinrichtung ein Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI abgeschlossen ist.

(2) Stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne von § 71 Abs. 2 SGB XI werden nur gefördert, wenn und solange sie in einen Pflegeeinrichtungsplan aufgenommen sind. Eine Einzelförderung nach § 6 setzt zusätzlich die Aufnahme des Vorhabens in das Investitionsprogramm voraus.

§ 6
Einzelförderung

(1) Bei stationären Pflegeeinrichtungen können Investitionsaufwendungen für

1.
die Errichtung (Sanierung, Umbau, Erweiterungsbau, Neubau) oder Anschaffung von für den Betrieb von Pflegeeinrichtungen notwendigen Gebäuden einschließlich der Erstausstattung mit den betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern sowie
2.
die Herstellung, Anschaffung, Wiederbeschaffung sowie Ergänzung von betriebsnotwendigen sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegütern mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von mehr als 15 Jahren

nach Maßgabe des Absatzes 2 gefördert werden (Einzelförderung). Aufwendungen für die Übernahme bereits betriebener und in einen Pflegeeinrichtungsplan aufgenommener Pflegeeinrichtungen werden nicht gefördert.

(2) Die Einzelförderung nach Absatz 1 wird auf Antrag nach dem Ergebnis des fachlichen Prüfungsverfahrens bewilligt, wenn die Gesamtfinanzierung gesichert ist, die Fördermittel im Investitionsprogramm bereitgestellt sind und zum Zeitpunkt der Bewilligung mit der Maßnahme noch nicht begonnen ist. Einem vorzeitigen Maßnahmebeginn kann das Staatsministerium im Einzelfall zustimmen.

§ 7
Pauschale Förderung

(1) Durch feste jährliche Beträge (Jahrespauschalen) sollen auf Antrag bei stationären Pflegeeinrichtungen gefördert werden

1.
die Instandhaltung und Instandsetzung der betriebsnotwendigen Gebäude und Anlagegüter der Pflegeeinrichtung,
2.
die Wiederbeschaffung, Ergänzung, Miete, Nutzung und Mitbenutzung von Anlagegütern mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von bis zu 15 Jahren sowie
3.
kleine Baumaßnahmen, wenn die Aufwendungen für das einzelne Vorhaben die Wertgrenze von 1 000 EUR je vollstationären Pflegeplatz und von 500 EUR je teilstationären Pflegeplatz nicht übersteigen.

(2) Die Jahrespauschalen sind jährlich zu beantragen. 1

§ 8
Förderung von Nutzungsentgelten

(1) Anstelle der Einzelförderung von Investitionsaufwendungen nach § 6 können auf Antrag Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von betriebsnotwendigen Gebäuden oder sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegütern gefördert werden, wenn dadurch die Fördermittel wirtschaftlich verwendet werden. Abweichend von Satz 1 können bei vollstationären Pflegeeinrichtungen nach § 43 SGB XI diese Aufwendungen noch für eine Übergangszeit gefördert werden, wenn der Vertrag, der die Verpflichtung zur Zahlung des Nutzungsentgelts begründet hat, vor dem 1. Dezember 1995 abgeschlossen worden ist.

(2) In besonders gelagerten Einzelfällen können auf Antrag Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken gefördert werden, soweit dies zur bedarfsgerechten Versorgung unumgänglich ist. Voraussetzung ist, daß die Verpflichtung zur Zahlung eines Nutzungsentgelts durch einen Vertrag begründet ist, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen worden ist.

§ 9
Förderung von Schuldendienstlasten

(1) Belastungen aus Darlehen oder sonstigen Verbindlichkeiten, die für Investitionsmaßnahmen im Sinne von § 82 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI nach dem 30. Juni 1990 und vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgenommen worden sind, können ganz oder teilweise durch öffentliche Förderung verringert werden. Belastungen aus Verbindlichkeiten der Pflegeeinrichtungen nach Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II. S. 889) werden hiervon nicht erfaßt.

(2) Die Fördermittel sind vorrangig zur Tilgung der Darlehen einzusetzen.

§ 10
Förderung ambulanter Pflegedienste

Die notwendigen Aufwendungen für Gebäude und für sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter ambulanter Pflegedienste können angemessen gefördert werden.

§ 11
Grundsätze der Kostentragung

(1) Die Förderung nach den §§ 6 bis 10 erfolgt entsprechend den §§ 23, 44 der Vorläufigen Haushaltsordnung des Freistaates Sachsen (Vorläufige Sächsische Haushaltsordnung – SäHO) vom 19. Dezember 1990 (SächsGVBl. S. 21) in der jeweils geltenden Fassung sowie den hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften.

(2) Die Pflegebedürftigen können an den Investitionskosten gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI angemessen beteiligt werden.

§ 12
Bereitstellung von Fördermitteln

(1) Die Investitionsmittel im Sinne von Artikel 52 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 29. Juli 1994 (BGBl. I S. 1890) werden durch den Freistaat Sachsen sowie durch die Landkreise und Kreisfreien Städte je zur Hälfte aufgebracht.

(2) Der Freistaat Sachsen sowie die Landkreise und Kreisfreien Städte stellen zusätzlich zu ihrem sich aus Artikel 52 PflegeVG ergebenden Mindestanteil weitere Mittel für die Einzelförderung nach § 6 zur Verfügung. Die Höhe der Mittel des Freistaates Sachsen wird jährlich im Haushaltsplan festgestellt. Die Landkreise und Kreisfreien Städte beteiligen sich in Höhe der Hälfte des Landesanteils an dem öffentlich geförderten Anteil eines Vorhabens.

(3) Für die Förderung nach den §§ 7, 8 und 10 stellt der Freistaat Sachsen Mittel zur Verfügung. Die Höhe dieser Mittel wird jährlich im Haushaltsplan festgestellt.

(4) Für die Förderung nach § 9 stellen der Freistaat Sachsen sowie die Landkreise und Kreisfreien Städte Mittel zur Verfügung. Absatz 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.

§ 13
Verordnungsermächtigungen

(1) Das Staatsministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Bedarfsplanung zu regeln, insbesondere Orientierungsdaten nach § 3 Abs. 1 zur Ermittlung des Bedarfs in den Landkreisen und Kreisfreien Städten festzusetzen.

(2) Das Staatsministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung das Nähere über die Förderung nach den §§ 6 bis 10, insbesondere die Art der Förderung, die Finanzierungsart, die Höhe der Förderung, die förderfähigen Aufwendungen, das Förderverfahren und die zuständigen Behörden zu regeln.

(3) Das Staatsministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen und im Benehmen mit den für Haushalt und Finanzen sowie für Sozialpolitik zuständigen Ausschüssen des Sächsischen Landtages durch Rechtsverordnung das Nähere über die umlagefähigen Aufwendungen nach § 82 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB XI, insbesondere über Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen zu regeln und die zuständige Landesbehörde zu bestimmen.

§ 14
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft und gilt bis zum Ablauf des Förderprogramms des Bundes nach Artikel 52 Abs. 1 PflegeVG Ende des Jahres 2002. Abweichend von Satz 1 treten die §§ 7 bis 9 für vollstationäre Pflegeeinrichtungen vorbehaltlich Artikel 69 PflegeVG am 1. Juli 1996 und § 12 Abs. 1 zum 1. Juni 1994 in Kraft.

Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.

Dresden, den 25. März 1996

Der Landtagspräsident
Erich Iltgen

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister
für Soziales, Gesundheit und Familie
Dr. Hans Geisler