Verordnung
der Sächsischen Staatsregierung
über die Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren
(Sächsische Kommunikationshilfenverordnung – SächsKhilfVO)
Vom 20. Oktober 2007
Aufgrund von § 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Integrationsgesetz – SächsIntegrG) vom 28. Mai 2004 (SächsGVBl. S. 196, 197), das durch Artikel 14 des Gesetzes vom 14. Juli 2005 (SächsGVBl. S. 167, 176) geändert worden ist, wird verordnet:
§ 1
Anwendungsbereich und Anlass
(1) Diese Verordnung gilt für alle Menschen, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SächsIntegrG das Recht haben, mit Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Sachsen (Behörden) in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren (Berechtigte), sowie für alle Behörden.
(2) Anlass für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 6 Abs. 1 SächsIntegrG kann insbesondere sein:
- 1.
- das Stellen oder Ergänzen eines Antrages,
- 2.
- die Anregung eines von Amts wegen einzuleitenden Verwaltungsverfahrens,
- 3.
- eine Anhörung,
- 4.
- eine Verhandlung über den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages,
- 5.
- die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes oder
- 6.
- das Einlegen eines Rechtsbehelfs.
§ 2
Kommunikationshilfen
Als Kommunikationshilfen kommen in Betracht:
- 1.
- Kommunikationshelfer, insbesondere
- a)
- Dolmetscher für die Deutsche Gebärdensprache oder für lautsprachbegleitende Gebärden (Gebärdensprachdolmetscher),
- b)
- Schriftdolmetscher,
- c)
- Simultanschriftdolmetscher,
- d)
- Oraldolmetscher oder
- e)
- Kommunikationsassistenten;
- 2.
- Kommunikationsmethoden, insbesondere
- a)
- Lormen und taktil wahrnehmbare Gebärden oder
- b)
- gestützte Kommunikation für Menschen mit autistischer Behinderung;
- 3.
- Kommunikationsmittel, insbesondere
- a)
- akustisch-technische Hilfen oder
- b)
- grafische Symbol-Systeme.
§ 3
Umfang des Anspruchs
(1) Der Anspruch ist gerichtet auf die Bereitstellung einer Kommunikationshilfe, die unter Beachtung der individuellen Fähigkeiten des Berechtigten geeignet ist, die im konkreten Fall für die Wahrnehmung eigener Rechte erforderliche Verständigung herzustellen.
(2) 1Der Berechtigte hat nach Maßgabe des Absatzes 1 ein Wahlrecht hinsichtlich der zu benutzenden Kommunikationshilfe. 2Dies umfasst auch das Recht, eine geeignete Kommunikationshilfe selbst bereitzustellen. 3Dem Berechtigten obliegt es, der Behörde rechtzeitig mitzuteilen, für welche Kommunikationshilfe er sich entscheidet. 4Die Behörde ist berechtigt, die ausgewählte Kommunikationshilfe zurückzuweisen, wenn sie den Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht entspricht. 5Die Hör- oder Sprachbehinderung sowie die Wahlentscheidung nach Satz 1 sind aktenkundig zu machen und im weiteren Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.
(3) Erhält die Behörde im Verwaltungsverfahren Kenntnis von der Hör- oder Sprachbehinderung des Berechtigten, hat sie diesen auf sein Recht auf Bereitstellung einer Kommunikationshilfe und auf sein Wahlrecht nach Absatz 2 hinzuweisen.
(4) Zur Abwehr von unmittelbar bevorstehenden Gefahren für bedeutsame Rechtsgüter, wie etwa Leben, Gesundheit, Freiheit oder nicht unwesentliche Vermögenswerte, kann von dem Einsatz von Kommunikationshilfen abgesehen werden.
§ 4
Bereitstellung von Kommunikationshilfen
(1) Die Kommunikationshilfen werden von der Behörde bereitgestellt, es sei denn, der Berechtigte macht von seinem Recht nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Gebrauch.
(2) 1Kommt der Berechtigte seiner Obliegenheit aus § 3 Abs. 2 Satz 3 nicht rechtzeitig nach und ist die Bereitstellung der gewählten Kommunikationshilfe aus diesem Grund nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich, ist die Behörde nicht verpflichtet, diese Kommunikationshilfe bereitzustellen. 2Die Behörde hat sich in diesem Fall um die Bereitstellung einer anderen geeigneten Kommunikationshilfe zu bemühen, die ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereitgestellt werden kann.
§ 5
Vergütung und Erstattung von Aufwendungen
(1) Die Vergütung für Kommunikationshelfer darf den Betrag nicht übersteigen, der sich bei entsprechender Anwendung der Regelungen über die Vergütung von Dolmetschern und Übersetzern nach dem Abschnitt 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten ( Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch Artikel 19 des Gesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416, 3428) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, errechnen würde.
(2) Für den Einsatz anderer Kommunikationshilfen trägt die Behörde die entstandenen Aufwendungen, wobei der Verdienstausfall eines Kommunikationshelfers unberücksichtigt bleibt.
(3) 1Die Behörde vergütet die Leistungen denjenigen, die sie erbracht haben. 2Stellt der Berechtigte die Kommunikationshilfe selbst bereit, darf er nicht auf eine Erstattung verwiesen werden, es sei denn, er wünscht dies oder es liegt ein sonstiger besonderer Grund vor.
§ 6
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.
Dresden, den 20. Oktober 2007
Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Georg Milbradt
Die Staatsministerin für Soziales
Helma Orosz