Sächsisches Gesetz
über den Vollzug der Jugendstrafe
(Sächsisches Jugendstrafvollzugsgesetz – SächsJStVollzG)
Vom 12. Dezember 2007
Der Sächsische Landtag hat am 12. Dezember 2007 das folgende Gesetz beschlossen:
Teil 1
Allgemeine Bestimmungen
§ 1
Anwendungsbereich
Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Jugendstrafe (Vollzug), soweit nicht der Vollstreckungsleiter nach den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 513, 517), in der jeweils geltenden Fassung, anordnet, dass der Vollzug nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene erfolgt.
§ 2
Ziel und Aufgabe des Vollzugs
Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er erfüllt auch die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.
§ 3
Erziehungsauftrag und Vollzugsgestaltung
(1) Die Gefangenen sind in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte Anderer befähigt werden (Erziehungsauftrag). Die Gefangenen sind zur Einsicht in die beim Opfer verursachten Tatfolgen zu erziehen. Sie sind zur Ehrfurcht vor allem Lebendigen, zur Nächstenliebe, zum Frieden und zur Erhaltung der Umwelt, zur Heimatliebe, zu sittlichem und politischem Verantwortungsbewusstsein, zu Gerechtigkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des Anderen, zu beruflichem Können, zu sozialem Handeln und zu freiheitlicher demokratischer Haltung zu erziehen.
(2) Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Anstalt (§ 98 Abs. 1 Satz 1) sind an Zielsetzung und Aufgabe des Vollzugs sowie den besonderen Bedürfnissen der Gefangenen auszurichten.
(3) Das Leben in der Anstalt ist den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich anzugleichen. Schädlichen Folgen der Freiheitsentziehung ist entgegenzuwirken. Der Vollzug wird von Beginn an darauf ausgerichtet, den Gefangenen bei der Eingliederung in ein Leben in Freiheit ohne Straftaten (Eingliederung) zu helfen. Die Belange von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt sowie die Belange der Allgemeinheit sind zu beachten.
(4) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Gefangenen werden bei der Vollzugsgestaltung und bei Einzelmaßnahmen berücksichtigt.
§ 4
Mitwirkung der Gefangenen
(1) Den Gefangenen obliegt, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken.
(2) Die Bereitschaft der Gefangenen zur Mitwirkung ist durch eine auf Ermutigung zur aktiven Mitwirkung abstellende Vollzugsplanung, Bereitstellung motivierender Lerngelegenheiten und verbindlicher Entwicklungshilfen, Maßnahmen der Belohnung und Anerkennung sowie durch unterstützende und normverdeutlichende Maßnahmen zu wecken und zu fördern.
§ 5
Erziehung und Förderung
(1) Erziehung und Förderung erfolgen durch Maßnahmen und Programme zur Entwicklung und Stärkung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels. Durch differenzierte Angebote soll auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Erziehungs- und Förderbedarf der Gefangenen eingegangen werden.
(2) Die Maßnahmen und Programme richten sich insbesondere auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten, deren Ursachen und Folgen, die schulische Bildung, berufliche Qualifizierung, soziale Integration und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der Außenkontakte.
§ 6
Stellung der Gefangenen
(1) Die Gefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz keine besondere Regelung enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt unerlässlich sind.
(2) Vollzugsmaßnahmen sollen den Gefangenen erläutert werden. Soweit erforderlich, wird ein Dolmetscher hinzugezogen.
§ 7
Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter
(1) Alle in der Anstalt Tätigen sind verpflichtet, zusammenzuarbeiten und daran mitzuwirken, das Vollzugsziel zu erreichen.
(2) Die Anstalt arbeitet mit Dritten, insbesondere mit der Bewährungshilfe und der Führungsaufsicht, zusammen, soweit dies zur Eingliederung erforderlich ist.
(3) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist und dem Vollzugsziel nicht zuwiderläuft, in die Planung und Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.
§ 8
Soziale Hilfe
Die Gefangenen werden durch die Anstalt darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, insbesondere den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wiedergutzumachen und eine Schuldenregulierung herbeizuführen.
Teil 2
Planung des Vollzugs
§ 9
Aufnahme
(1) Mit dem Gefangenen wird unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt, in dem seine gegenwärtige Lebenssituation erörtert und er über seine Rechte und Pflichten informiert wird. Ihm ist die Hausordnung auszuhändigen. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und veröffentlichten Verwaltungsvorschriften sind dem Gefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.
(2) Beim Zugangsgespräch dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.
(3) Der Gefangene wird alsbald ärztlich untersucht.
(4) Den Personensorgeberechtigten und dem Jugendamt wird die Aufnahme unverzüglich mitgeteilt.
(5) Der Gefangene soll dabei unterstützt werden, notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige und die Sicherung seiner Vermögensgegenstände außerhalb der Anstalt zu veranlassen.
§ 10
Feststellung des Erziehungs- und Förderbedarfs
(1) Nach der Aufnahme wird dem Gefangenen das Ziel seines Aufenthalts in der Anstalt verdeutlicht sowie das Angebot an Unterricht, Aus- und Fortbildung, Arbeit, therapeutischer Behandlung und Freizeit erläutert.
(2) Der Erziehungs- und Förderbedarf des Gefangenen wird in einem Diagnoseverfahren ermittelt. Es erstreckt sich auf die Persönlichkeit, die Lebensverhältnisse, die Ursachen und Umstände der Straftat sowie sonstige Umstände, deren Kenntnis für eine zielgerichtete Vollzugsgestaltung und die Eingliederung erforderlich sind. Erkenntnisse der Jugendgerichtshilfe und Bewährungshilfe sind einzubeziehen.
(3) Die Planung des Vollzugs wird mit dem Gefangenen erörtert. Dabei werden seine Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie dem Vollzugsziel dienen.
§ 11
Vollzugsplan
(1) Auf der Grundlage des festgestellten Erziehungs- und Förderbedarfs wird regelmäßig innerhalb der ersten sechs Wochen nach der Aufnahme ein Vollzugsplan für den Gefangenen erstellt.
(2) Der Vollzugsplan wird in regelmäßigen Abständen auf seine Umsetzung überprüft, mit dem Gefangenen erörtert und fortgeschrieben. Bei der Fortschreibung sind die Entwicklung des Gefangenen und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse zu berücksichtigen.
(3) Der Vollzugsplan und seine Fortschreibungen enthalten, je nach Stand des Vollzugs, insbesondere Angaben über:´
- die dem Vollzugsplan zugrunde liegenden Erkenntnisse zur Vorgeschichte der Straftaten sowie die Erläuterung der Ziele, Inhalte und Methoden der Erziehung und Förderung des Gefangenen,
- Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug sowie Vollzug in freien Formen,
- Zuweisung zu einer Wohngruppe oder einem anderen Unterkunftsbereich,
- Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Abteilung,
- Teilnahme an schulischen, berufsorientierenden, qualifizierenden oder arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder Zuweisung von Arbeit,
- Teilnahme an therapeutischen Behandlungen oder anderen Hilfs- oder Fördermaßnahmen, einschließlich Suchtberatung,
- Teilnahme an Sport- und Freizeitangeboten,
- Vollzugslockerungen und Urlaub,
- Pflege der familiären Beziehungen und Gestaltung der Außenkontakte,
- Maßnahmen und Angebote zum Ausgleich von Tatfolgen, einschließlich Täter-Opfer-Ausgleich,
- Schuldenregulierung,
- Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge und
- Fristen zur Fortschreibung des Vollzugsplans.
(4) Der Vollzugsplan und seine Fortschreibungen werden dem Gefangenen ausgehändigt. Sie werden dem Vollstreckungsleiter und auf Verlangen den Personensorgeberechtigten und der Jugendgerichtshilfe mitgeteilt; auf Verlangen werden sie den Personensorgeberechtigten erläutert.
§ 12
Verlegung und Überstellung
(1) Ein Gefangener kann, abweichend vom Vollstreckungsplan nach § 110, in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn
- die Erreichung des Vollzugsziels oder die Eingliederung hierdurch gefördert wird oder
- Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe dies erforderlich machen.
(2) Den Personensorgeberechtigten, dem Vollstreckungsleiter und dem Jugendamt wird die Verlegung unverzüglich mitgeteilt.
(3) Ein Gefangener darf aus wichtigem Grund vorübergehend in eine andere Anstalt oder in eine Anstalt des Erwachsenenvollzugs überstellt werden.
§ 13
Geschlossener und offener Vollzug, Vollzug in freien Formen
(1) Die Gefangenen werden im geschlossenen oder offenen Vollzug untergebracht.
(2) Ein Gefangener soll im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn er dessen besonderen Anforderungen genügt, insbesondere verantwortet werden kann zu erproben, dass er sich dem Vollzug nicht entziehen und die Möglichkeiten des offenen Vollzugs nicht zur Begehung von Straftaten missbrauchen wird.
(3) Der Vollzug kann nach Anhörung des Vollstreckungsleiters in geeigneten Fällen in freien Formen durchgeführt werden. Absatz 2 gilt entsprechend.
§ 14
Sozialtherapie
Ein Gefangener soll in einer sozialtherapeutischen Abteilung untergebracht werden, wenn deren besondere therapeutische Mittel und soziale Hilfen zum Erreichen des Vollzugsziels angezeigt sind.
§ 15
Vollzugslockerungen
(1) Als Vollzugslockerungen kommen insbesondere in Betracht:
- Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit unter Aufsicht von Bediensteten (Ausführung) oder ohne Aufsicht (Ausgang) und
- regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt unter Aufsicht von Bediensteten (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang).
(2) Vollzugslockerungen sollen gewährt werden, wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass der Gefangene sich dem Vollzug nicht entziehen und die Vollzugslockerungen nicht zur Begehung von Straftaten missbrauchen wird. Sie können im Einzelfall versagt werden, wenn der Gefangene seiner Obliegenheit zur Mitwirkung nicht nachkommt.
(3) Im Übrigen darf ein Gefangener ausgeführt werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist. Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse des Gefangenen, können ihm die Kosten auferlegt werden, soweit dies die Erziehung oder die Eingliederung nicht behindert.
§ 16
Urlaub
(1) Zur Förderung der Eingliederung, insbesondere zur Aufrechterhaltung sozialer Bindungen, kann nach Maßgabe des Vollzugsplans Urlaub gewährt werden. Der Urlaub darf vierundzwanzig Tage in einem Vollstreckungsjahr nicht übersteigen.
(2) Darüber hinaus kann Urlaub aus wichtigem Anlass bis zu sieben Tagen im Vollstreckungsjahr gewährt werden, zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen, wegen des Todes oder einer lebensbedrohenden Erkrankung naher Angehöriger auch darüber hinaus.
(3) § 15 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Durch Urlaub wird die Vollstreckung der Jugendstrafe nicht unterbrochen.
§ 17
Weisungen für Vollzugslockerungen und Urlaub, Aufhebung
(1) Für Vollzugslockerungen und Urlaub können Weisungen erteilt werden.
(2) Vollzugslockerungen und Urlaub können zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht vorgelegen haben.
(3) Vollzugslockerungen und Urlaub können widerrufen werden, wenn
- die Voraussetzungen für ihre Gewährung nachträglich entfallen sind,
- sie missbraucht werden oder
- Weisungen nicht befolgt werden.
§ 18
Vorführung, Ausantwortung
(1) Auf Ersuchen eines Gerichts werden Gefangene, denen Ausgang oder Urlaub nicht gewährt werden kann, vorgeführt.
(2) Gefangene dürfen befristet der Obhut eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft, einer Dienststelle des Polizeivollzugsdienstes oder einer Zoll- oder Finanzbehörde überlassen werden.
§ 19
Entlassungsvorbereitung
(1) Durch eine frühzeitige Zusammenarbeit mit Dritten nach § 7 Abs. 2 soll namentlich erreicht werden, dass die Gefangenen nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen. Dazu gehört insbesondere eine Zusammenarbeit der Bewährungshilfe und der Führungsaufsicht mit der Anstalt zum Zweck der sozialen und beruflichen Integration der Gefangenen. Den Personensorgeberechtigten und dem Jugendamt wird die bevorstehende Entlassung mitgeteilt.
(2) Zur Vorbereitung der Entlassung soll der Vollzug gelockert werden. Außerdem sollen Gefangene, die im offenen Vollzug untergebracht sind, heimatnah untergebracht werden.
(3) Zur Vorbereitung der Entlassung können über § 16 Abs. 1 und 2 hinaus Gefangene, denen Freigang gewährt ist, in den letzten neun Monaten vor der Entlassung monatlich bis zu sechs Tage Urlaub erhalten. Die übrigen Gefangenen können vor der Entlassung zu deren Vorbereitung bis zu sieben Tage Urlaub erhalten. § 15 Abs. 2, § 16 Abs. 4 und § 17 gelten entsprechend.
(4) Darüber hinaus können die Gefangenen nach Anhörung des Vollstreckungsleiters bis zu vier Monate beurlaubt werden. Hierfür sollen Weisungen erteilt werden. Der im laufenden Vollstreckungsjahr gewährte Urlaub nach § 16 Abs. 1 wird auf diese Zeit angerechnet. § 15 Abs. 2, § 16 Abs. 4 und § 17 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
§ 20
Entlassungszeitpunkt
(1) Die Gefangenen sollen am letzten Tag ihrer Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.
(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 6. Januar , so können die Gefangenen an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies gemessen an der Dauer der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.
(3) Der Entlassungszeitpunkt kann um bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn der Gefangene zu seiner Eingliederung hierauf dringend angewiesen ist.
§ 21
Hilfe zur Entlassung, Nachsorge
(1) Zur Vorbereitung der Entlassung ist der Gefangene bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen. Nachgehende Betreuung kann unter Mitwirkung von Bediensteten erfolgen.
(2) Bedürftigen Gefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.
§ 22
Fortführung von Maßnahmen nach der Entlassung
(1) Gefangene können auf Antrag nach ihrer Entlassung ausnahmsweise im Vollzug begonnene Ausbildungs- oder Behandlungsmaßnahmen fortführen, soweit diese nicht anderweitig durchgeführt werden können. Hierzu können die Entlassenen vorübergehend in einer Anstalt untergebracht werden, sofern es die Belegungssituation zulässt.
(2) Bei Störung des Anstaltsbetriebes durch einen Entlassenen oder aus vollzugsorganisatorischen Gründen können die Unterbringung und die Maßnahme jederzeit beendet werden.
Teil 3
Unterbringung und Versorgung der Gefangenen
§ 23
Trennung von männlichen und weiblichen Gefangenen
Männliche und weibliche Gefangene werden getrennt untergebracht. Gemeinsame Maßnahmen, insbesondere eine gemeinsame Schul- und Berufsausbildung, sind zulässig.
§ 24
Unterbringung während der Ausbildung, Arbeit und Freizeit
(1) Die Gefangenen arbeiten und lernen in der Regel gemeinsam.
(2) Während der Freizeit dürfen sich die Gefangenen im Rahmen der räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse in Gemeinschaft mit anderen Gefangenen aufhalten.
(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung kann eingeschränkt werden,
- wenn ein schädlicher Einfluss auf andere Gefangene zu befürchten ist,
- wenn es die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erfordert oder
- wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist.
§ 25
Unterbringung während der Ruhezeit
(1) Während der Ruhezeit werden die Gefangenen in ihren Hafträumen einzeln untergebracht.
(2) Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig,
- mit Zustimmung der Gefangenen, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind, oder
- wenn ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht.
(3) Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.
§ 26
Wohngruppen
Gefangene werden regelmäßig in Wohngruppen untergebracht. In einer Wohngruppe sollen nicht mehr als zwölf Gefangene untergebracht werden.
§ 27
Mütter und Väter mit Kindern
(1) Ein Kind kann mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres in einer Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter oder sein Vater befindet, wenn dies seinem Wohl entspricht und Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.
(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen.
§ 28
Persönlicher Gewahrsam, Kostenbeteiligung
(1) Ein Gefangener darf nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden. Ohne Erlaubnis darf er Gegenstände von geringem Wert von anderen Gefangenen annehmen; die Anstalt kann Annahme und Gewahrsam auch dieser Gegenstände von ihrer Erlaubnis abhängig machen.
(2) Eingebrachte Sachen, welche der Gefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind für ihn aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Dem Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Sachen, die er während des Vollzugs und für seine Entlassung nicht benötigt, zu verschicken. Geld wird ihm als Eigengeld gutgeschrieben.
(3) Werden eingebrachte Sachen, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, vom Gefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, können diese auf Kosten des Gefangenen aus der Anstalt entfernt werden.
(4) Aufzeichnungen und andere Sachen, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen einer Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.
(5) Die Zustimmung nach Absatz 1 kann widerrufen werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, zur Abwendung einer erheblichen Störung der Ordnung in der Anstalt oder zur Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des Vollzugsziels erforderlich ist.
(6) Der Gefangene kann an den Betriebskosten der in seinem Gewahrsam befindlichen Geräte beteiligt werden.
§ 29
Ausstattung des Haftraums
Die Gefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Sachen, die geeignet sind, das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt zu gefährden, sind ausgeschlossen.
§ 30
Kleidung
(1) Die Gefangenen tragen Anstaltskleidung. Der Anstaltsleiter kann eine abweichende Regelung treffen.
(2) Für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel eigener Kleidung hat der Gefangene selbst zu sorgen.
§ 31
Verpflegung und Einkauf
(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung hat den besonderen Anforderungen an eine gesunde Ernährung junger Menschen zu entsprechen. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Es soll den Gefangenen ermöglicht werden, Gebote ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft zu befolgen.
(2) Die Gefangenen können aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen. Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt. Nahrungs-, Genuss- oder Körperpflegemittel können aus dem Haus- oder Taschengeld, andere Gegenstände in angemessenem Umfang aus dem Haus-, Taschen- oder Eigengeld eingekauft werden.
(3) Den Gefangenen kann die Möglichkeit eröffnet werden, unmittelbar oder über Dritte Gegenstände über den Versandhandel zu beziehen. Zulassung und Verfahren des Einkaufs über den Versandhandel regelt der Anstaltsleiter.
(4) Gegenstände, die geeignet sind, das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt zu gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen.
§ 32
Gesundheitsfürsorge
(1) Die Anstalt unterstützt die Gefangenen bei der Wiederherstellung und Erhaltung ihrer Gesundheit. Die Gefangenen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.
(2) Den Gefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.
(3) Der Nichtraucherschutz ist angemessen zu gewährleisten.
(4) Erkrankt ein Gefangener schwer oder verstirbt er, werden die Angehörigen, insbesondere die Personensorgeberechtigten, unverzüglich benachrichtigt. Dem Wunsch des Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.
§ 33
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind unbeschadet der Rechte der Personensorgeberechtigten zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der Gefangenen oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig; die Maßnahmen müssen zumutbar und dürfen nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit der Gefangenen verbunden sein. Zur Durchführung der Maßnahmen ist die Anstalt nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des Gefangenen ausgegangen werden kann.
(2) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Fall des Absatzes 1 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.
(3) Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.
§ 34
Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung
(1) Die Gefangenen haben einen Anspruch auf notwendige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit nach dem allgemeinen Standard der gesetzlichen Krankenversicherung.
(2) Der Anspruch umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, eine Behinderung auszugleichen oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen, sofern dies mit Rücksicht auf die Dauer des Freiheitsentzugs nicht ungerechtfertigt ist und soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen besteht nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien. Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht nur in medizinisch zwingend erforderlichen Fällen.
(3) An den Kosten für zahntechnische Leistungen und Zahnersatz können volljährige Gefangene beteiligt werden.
(4) Für Leistungen, die über die in Absatz 1 und 2 genannten Leistungen hinausgehen, können den Gefangenen die gesamten Kosten auferlegt werden.
§ 35
Verlegung und Überstellung zur medizinischen Behandlung
(1) Ein kranker oder hilfsbedürftiger Gefangener kann in eine zur Behandlung seiner Krankheit oder zu seiner Versorgung besser geeignete Anstalt, Anstalt des Erwachsenenvollzugs oder ein Vollzugskrankenhaus verlegt oder überstellt werden.
(2) Erforderlichenfalls können Gefangene auch in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs gebracht werden.
(3) § 12 Abs. 2 gilt entsprechend.
§ 36
Krankenbehandlung in besonderen Fällen
(1) Während eines Urlaubs, einer Vollzugslockerung oder des Vollzugs in freien Formen haben Gefangene einen Anspruch auf medizinische Leistungen gegen den Freistaat Sachsen in der Regel nur in der für sie zuständigen Anstalt.
(2) Der Anspruch auf Leistungen nach § 34 ruht, solange Gefangene aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind.
(3) Wird die Strafvollstreckung während einer Behandlung von Gefangenen unterbrochen oder beendet, so hat der Freistaat Sachsen nur diejenigen Kosten zu tragen, die bis zur Unterbrechung oder Beendigung der Strafvollstreckung angefallen sind.
Teil 4
Bildung und Arbeit
§ 37
Bildung und Arbeit
(1) Ausbildung, Weiterbildung, arbeitstherapeutische Beschäftigung und Arbeit dienen insbesondere dem Ziel, den Gefangenen Fähigkeiten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln sowie vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und zu fördern. Sofern den Gefangenen Arbeit zugewiesen wird, soll diese möglichst deren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen entsprechen.
(2) Die Gefangenen sind vorrangig zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet. Im Übrigen ist ein Gefangener zu Arbeit oder zur Teilnahme an arbeitstherapeutischer oder sonstiger Beschäftigung verpflichtet, wenn und soweit er dazu in der Lage ist. Einem Gefangenen kann mit seiner Zustimmung gemeinnützige Arbeit zugewiesen werden.
(3) Das Zeugnis oder der Nachweis über eine Bildungsmaßnahme darf keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.
(4) Einem Gefangenen soll gestattet werden, einer Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung, Umschulung oder Arbeit auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt oder einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, wenn er hierfür geeignet ist. § 13 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und § 17 gelten entsprechend. Die Anstalt kann verlangen, dass ihr das Entgelt für das freie Beschäftigungsverhältnis zur Gutschrift für den Gefangenen überwiesen wird.
(5) Ist ein Gefangener ein Jahr lang ununterbrochen seiner Verpflichtung nach Absatz 2 nachgekommen, kann er beanspruchen, im darauf folgenden Jahr für die Dauer von achtzehn Werktagen freigestellt zu werden. Zeiten, in denen der Gefangene unverschuldet infolge Krankheit an der Teilnahme an einer Maßnahme, an der Arbeit oder an der Beschäftigung gehindert war, werden bis zur Dauer von sechs Wochen auf das Jahr angerechnet. Auf die Zeit der Freistellung wird der Urlaub nach § 16 Abs. 1 angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt. Der Gefangene erhält für die Zeit der Freistellung seine zuletzt gezahlten Bezüge weiter. Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Vollzugs bleiben unberührt.
Teil 5
Freizeit, Sport
§ 38
Freizeit
Die Ausgestaltung der Freizeit orientiert sich am Vollzugsziel. Dazu sind geeignete Angebote vorzuhalten. Gefangene sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten. Sie sollen insbesondere am Unterricht, am Fernunterricht, an Lehrgängen und sonstigen Veranstaltungen der Fortbildung, an Freizeitgruppen und Gruppengesprächen teilnehmen und ermutigt werden, eine Bücherei zu benutzen sowie den verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien zu erlernen, soweit dies mit der Sicherheit in der Anstalt vereinbar ist.
§ 39
Sport
Es sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um den Gefangenen eine sportliche Betätigung von mindestens vier Stunden wöchentlich zu ermöglichen.
§ 40
Zeitungen und Zeitschriften
(1) Die Gefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.
(2) Einzelne Ausgaben einer Zeitung oder Zeitschrift können einem Gefangenen auch vorenthalten werden, wenn deren Inhalte das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erheblich gefährden würden.
§ 41
Rundfunk
(1) Die Gefangenen können am Hörfunkempfang sowie am gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilnehmen. Der Rundfunkempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.
(2) Fernsehgeräte werden im Haftraum in der Regel nicht zugelassen. Diese dürfen nur zugelassen werden, wenn dies der Erreichung des Vollzugsziels dient.
§ 42
Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung
(1) Die Gefangenen dürfen in angemessenem Umfang Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung besitzen.
(2) Dies gilt nicht, wenn deren Besitz, Überlassung oder Benutzung das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährden würde.
Teil 6
Religionsausübung
§ 43
Seelsorge
(1) Den Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten. Die Gefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. Sie dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.
(2) Den Gefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.
§ 44
Religiöse Veranstaltungen
(1) Die Gefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.
(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers dieser Religionsgemeinschaft.
(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.
§ 45
Weltanschauungsgemeinschaften
Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 43 und 44 entsprechend.
Teil 7
Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche
§ 46
Grundsatz
Die Anstalt fördert den Kontakt mit Personen, von denen ein günstiger Einfluss erwartet werden kann.
§ 47
Recht auf Besuch
(1) Die Gefangenen dürfen im Monat vier Stunden Besuch empfangen, darüber hinaus zwei weitere Stunden von Angehörigen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Der Anstaltsleiter kann längere Besuchszeiten vorsehen. Ausführungen oder Ausgänge können angerechnet werden.
(2) Besuche, insbesondere die Besuche der Kinder des Gefangenen, sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erziehung des Gefangenen oder seine Eingliederung fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht vom Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können.
(3) Aus Gründen der Sicherheit können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher durchsuchen lassen.
§ 48
Besuchsverbot
Der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen,
- wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
- bei Besuchern, die nicht Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) des Gefangenen sind, wenn zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindern, oder
- wenn die Personensorgeberechtigten nicht einverstanden sind.
§ 49
Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten, Notaren und Beiständen
Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten, Notaren und Beiständen nach § 69 JGG in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der vom Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. § 52 Abs. 1 Satz 2 und 3 bleibt unberührt.
§ 50
Überwachung der Besuche
(1) Besuche dürfen aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt überwacht werden, es sei denn, es liegen im Einzelfall Erkenntnisse dafür vor, dass es der Überwachung nicht bedarf. Die optische Überwachung mit technischen Mitteln ist zulässig, wenn die Besucher und die Gefangenen vor dem Besuch erkennbar darauf hingewiesen werden. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Das gesprochene Wort darf nur überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.
(2) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucher oder Gefangene gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.
(3) Besuche dürfen auch abgebrochen werden, wenn von Besuchern ein schädlicher Einfluss auf Gefangene ausgeht.
(4) Besuche von Verteidigern und Beiständen nach § 69 JGG werden nicht überwacht. Nicht überwacht werden ferner Besuche von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, der Europäischen Agentur für Grundrechte und der weiteren Einrichtungen, mit denen der Kontakt aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz 2 gilt auch für den Datenschutzbeauftragten des Bundes und den Sächsischen Datenschutzbeauftragten.
(5) Gegenstände dürfen den Gefangenen beim Besuch nicht übergeben werden. Dies gilt nicht für Schriftstücke und sonstige Unterlagen, die dem Gefangenen von seinem Verteidiger oder von einem Notar oder Rechtsanwalt zur Erledigung in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache übergeben werden. Bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt von der Erlaubnis des Anstaltsleiters abhängig gemacht werden. § 52 Abs. 1 Satz 2 und 3 bleibt unberührt.
(6) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung kann im Einzelfall angeordnet werden, dass eine Trennvorrichtung genutzt wird.
§ 51
Recht auf Schriftwechsel
(1) Die Gefangenen haben das Recht, auf eigene Kosten Schreiben abzusenden und zu empfangen.
(2) Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen,
- wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
- bei Personen, die nicht Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) des Gefangenen sind, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf den Gefangenen hat oder seine Eingliederung behindert, oder
- wenn die Personensorgeberechtigten nicht einverstanden sind.
§ 52
Überwachung des Schriftwechsels
(1) Der Schriftwechsel des Gefangenen mit seinem Verteidiger oder Beistand nach § 69 JGG wird nicht überwacht. Liegt dem Vollzug eine Straftat nach § 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB, zugrunde, gelten § 148 Abs. 2 und § 148a der Strafprozessordnung (StPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327, 1328) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend. Dies gilt nicht, wenn der Gefangene sich in einer Einrichtung des offenen Vollzugs befindet, der Vollzug in freien Formen durchgeführt wird oder wenn ihm Vollzugslockerungen nach § 15 oder Urlaub nach § 16 Abs. 1 gewährt worden sind und ein Grund, der die Anstaltsleitung nach § 17 Abs. 2 und 3 zur Aufhebung von Vollzugslockerungen und Urlaub ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 2 gilt auch, wenn eine Jugendstrafe oder Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB, erst im Anschluss an den Vollzug der Jugendstrafe, der eine andere Verurteilung zugrunde liegt, zu vollstrecken ist.
(2) Nicht überwacht werden ferner Schreiben der Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, die Parlamentarische Versammlung des Europarats, die Europäische Agentur für Grundrechte und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz 1 gilt auch für den Schriftverkehr mit dem Datenschutzbeauftragten des Bundes und dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten. Schreiben der in den Sätzen 1 bis 3 genannten Stellen, die an die Gefangenen gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht.
(3) Der übrige Schriftwechsel darf überwacht werden, soweit es aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.
§ 53
Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung
(1) Die Gefangenen haben das Absenden und den Empfang ihrer Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.
(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.
(3) Die Gefangenen haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.
§ 54
Anhalten von Schreiben
(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, wenn
- das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung in einer Anstalt gefährdet würde,
- die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
- sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,
- sie grobe Beleidigungen enthalten,
- sie die Eingliederung anderer Gefangener gefährden können oder
- sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.
(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der Gefangene auf dem Absenden besteht.
(3) Sind Schreiben angehalten worden, wird das dem Gefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, verwahrt.
(4) Schreiben, deren Überwachung nach § 52 Abs. 1 und 2 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.
§ 55
Telefongespräche
Den Gefangenen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Telefongespräche zu führen. Die §§ 48 bis 50 gelten entsprechend. Ist die Überwachung des Telefongesprächs erforderlich, ist die beabsichtigte Überwachung dem Gesprächspartner des Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Anstalt oder den Gefangenen mitzuteilen. Der Gefangene ist rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 3 zu unterrichten.
§ 56
Pakete
(1) Der Empfang von Paketen mit Nahrungs-, Genuss- oder Körperpflegemitteln ist den Gefangenen nicht gestattet. Der Empfang von Paketen mit anderem Inhalt bedarf der Erlaubnis der Anstalt, welche Zeitpunkt und Höchstmenge für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen kann. Für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 31 Abs. 4 entsprechend.
(2) Pakete sind in Gegenwart des Gefangenen zu öffnen und zu durchsuchen. Gegenstände, welche die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährden, können ausgeschlossen werden. Ausgeschlossene Gegenstände können zur Habe genommen, zurückgesandt oder vernichtet werden.
(3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.
(4) Den Gefangenen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Pakete zu versenden. Die Anstalt kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt überprüfen.
Teil 8
Gelder der Gefangenen, Freistellung von der Arbeit
§ 57
Ausbildungsbeihilfe, Arbeitsentgelt
(1) Gefangene, die während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme oder an speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung teilnehmen, erhalten hierfür eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt besteht, die freien Personen aus solchem Anlass zustehen.
(2) Wer eine Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung ausübt, erhält Arbeitsentgelt. Dies gilt nicht für eine gemeinnützige Arbeit nach § 37 Abs. 2 Satz 3.
(3) Der Bemessung der Ausbildungsbeihilfe und des Arbeitsentgelts sind 9 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2006 (BGBl. I S. 86, 466), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554, 566) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; die Ausbildungsbeihilfe und das Arbeitsentgelt können nach einem Stundensatz bemessen werden.
(4) Die Ausbildungsbeihilfe und das Arbeitsentgelt können je nach Leistung des Gefangenen und der Art der Ausbildung oder Arbeit gestuft werden. 75 Prozent der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Leistungen des Gefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen. Das Staatsministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit eine Rechtsverordnung über die Vergütungsstufen nach Satz 1 zu erlassen.
(5) Die Höhe der Ausbildungsbeihilfe und des Arbeitsentgelts ist dem Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.
§ 58
Freistellung von der Arbeit
(1) Die Arbeit der Gefangenen wird neben der Gewährung von Arbeitsentgelt (§ 57 Abs. 2) durch Freistellung von der Arbeit (Freistellung) anerkannt, die auch als Urlaub aus der Haft (Arbeitsurlaub) genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann.
(2) Hat ein Gefangener zwei Monate lang zusammenhängend eine Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung ausgeübt, wird er auf Antrag einen Werktag von der Arbeit freigestellt. § 37 Abs. 5 bleibt unberührt. Durch Zeiten, in denen ein Gefangener ohne sein Verschulden durch Krankheit, Ausführung, Ausgang, Urlaub, Freistellung oder sonstige nicht von ihm zu vertretende Gründe an der Arbeitsleistung gehindert ist, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von weniger als zwei Monaten bleiben unberücksichtigt.
(3) Der Gefangene kann beantragen, dass die Freistellung nach Absatz 2 in Form von Arbeitsurlaub gewährt wird. § 15 Abs. 2, § 16 Abs. 4 und § 17 gelten entsprechend.
(4) Der Gefangene erhält für die Zeit der Freistellung von der Arbeit die an ihn zuletzt gezahlten Bezüge weiter.
(5) Stellt der Gefangene keinen Antrag nach Absatz 2 Satz 1 oder Absatz 3 Satz 1 oder kann die Freistellung von der Arbeit nach Maßgabe der Regelung des Absatzes 3 Satz 2 nicht gewährt werden, so wird sie nach Absatz 2 Satz 1 von der Anstalt auf den Entlassungszeitpunkt des Gefangenen angerechnet.
(6) Eine Anrechnung nach Absatz 5 ist ausgeschlossen
- bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Jugendstrafe zur Bewährung, soweit wegen des von der Entscheidung des Vollstreckungsleiters bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,
- wenn dies vom Vollstreckungsleiter angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Jugendstrafe zur Bewährung die Lebensverhältnisse des Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,
- wenn nach § 2 JGG in Verbindung mit § 456a Abs. 1 StPO von der Vollstreckung abgesehen wird oder
- wenn der Gefangene im Gnadenwege aus der Haft entlassen wird.
(7) Soweit eine Anrechnung nach Absatz 6 ausgeschlossen ist, erhält der Gefangene bei seiner Entlassung für eine Tätigkeit nach § 57 Abs. 2 als Ausgleichsentschädigung zusätzlich 15 Prozent des Entgelts oder der Ausbildungsbeihilfe nach § 57 Abs. 3 und 4. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung.
(8) Für Gefangene, die an einer Maßnahme nach § 57 Abs. 1 teilnehmen, gelten die Absätze 1 bis 7 entsprechend.
§ 59
Taschengeld
(1) Gefangenen, die ohne eigenes Verschulden nicht über ausreichendes Arbeitsentgelt oder über ausreichende Ausbildungsbeihilfe verfügen, wird ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind. Bedürftig sind Gefangene, soweit ihnen im laufenden Monat aus Hausgeld und Eigengeld nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes zur Verfügung steht.
(2) Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung.
(3) Das Taschengeld darf durch Einzahlung von Dritten monatlich um die Hälfte des Betrages nach Absatz 2 aufgestockt werden.
(4) Leistet ein Gefangener gemeinnützige Arbeit, kann das Taschengeld angemessen erhöht werden. Bei der Bemessung des Aufstockungsbetrages nach Absatz 3 bleibt die Erhöhung außer Betracht.
§ 60
Hausgeld
(1) Ein Gefangener darf von seinen in diesem Gesetz geregelten Bezügen sechs Zehntel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld für den Einkauf nach § 31 Abs. 2 oder anderweitig verwenden.
(2) Für einen Gefangenen, der in einem freien Beschäftigungsverhältnis steht oder dem gestattet ist, einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, wird aus seinen Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.
(3) Für Gefangene, die über Eigengeld verfügen und unverschuldet keine Bezüge nach diesem Gesetz erhalten, gilt Absatz 2 entsprechend.
§ 61
Eigengeld
(1) Das Eigengeld besteht aus den Beträgen, die der Gefangene bei Strafantritt in die Anstalt mitbringt, Geldern, die ihm während der Haftzeit zugehen und nicht dem Zweck des § 59 Abs. 3 dienen sollen, und Bezügen, die nicht als Hausgeld in Anspruch genommen werden.
(2) Der Gefangene kann über das Eigengeld verfügen. § 31 Abs. 2 bis 4 und § 60 bleiben unberührt.
§ 62
Überbrückungsgeld
(1) Dem Gefangenen kann gestattet werden, ein Überbrückungsgeld in der Höhe zu bilden, die zur Vorbereitung der Entlassung erforderlich ist. Einmal gebildetes Überbrückungsgeld darf nur gemäß Absatz 2 und 3 verwendet werden.
(2) Das Überbrückungsgeld wird dem Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ausgezahlt.
(3) Der Anstaltsleiter kann gestatten, dass ein Gefangener das Überbrückungsgeld vor der Entlassung für Ausgaben zur Entlassungsvorbereitung oder zur Entschädigung von Opfern einer Straftat des Gefangenen in Anspruch nimmt.
Teil 9
Sicherheit und Ordnung
§ 63
Grundsatz
(1) Sicherheit und Ordnung in der Anstalt bilden die Grundlage des auf die Erziehung und Förderung aller Gefangenen ausgerichteten Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.
(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt auferlegt werden, müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen die Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.
§ 64
Verhaltensvorschriften
(1) Die Gefangenen sind für das geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. Ihr Bewusstsein hierfür ist zu entwickeln und zu stärken.
(2) Die Gefangenen haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt in Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit zu richten.
(3) Die Gefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.
(4) Die Gefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.
(5) Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.
§ 65
Durchsuchung
(1) Die Gefangenen, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.
(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nicht in Gegenwart von Frauen, bei weiblichen Gefangenen nicht in Gegenwart von Männern erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.
(3) Der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, dass Gefangene bei der Aufnahme, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.
§ 66
Sichere Unterbringung
(1) Ein Gefangener kann in eine Anstalt verlegt werden, die zu seiner sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst sein Verhalten oder sein Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt darstellt.
(2) § 12 Abs. 2 gilt entsprechend.
§ 67
Erkennungsdienstliche Maßnahmen
(1) Zur Sicherung des Vollzugs, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt oder zur Identitätsfeststellung sind mit Kenntnis des Gefangenen zulässig:
- die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
- die Aufnahme von Lichtbildern,
- die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale,
- die elektronische Erfassung biometrischer Merkmale und
- Messungen.
(2) Die hierbei gewonnenen Unterlagen oder Daten werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen oder in personenbezogenen Dateien gespeichert. Sie dürfen an die Vollzugspolizei oder Staatsanwaltschaften übermittelt werden, soweit dies für die in Absatz 1, § 70 Abs. 2 und § 88 Abs. 2 Nr. 4 genannten Zwecke erforderlich ist.
(3) Die Unterlagen und Daten sind zu vernichten, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung, die dem Vollzug zugrunde gelegen hat, abgeschlossen ist.
§ 68
Lichtbildausweise
Die Anstalt kann die Gefangenen verpflichten, einen Lichtbildausweis mit sich zu führen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. Dieser ist bei der Entlassung oder bei der Verlegung in eine andere Anstalt einzuziehen und zu vernichten.
§ 69
Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum
Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen, insbesondere den Einsatz geeigneter technischer Verfahren und technischer Mittel zum Nachweis des Konsums von Suchtmitteln, anordnen, um deren Missbrauch festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.
§ 70
Festnahmerecht
(1) Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden.
(2) Nach § 67 Abs. 1, § 88 Abs. 1 und § 89 erhobene und zur Identifizierung oder Festnahme erforderliche Daten dürfen den Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, soweit dies für Zwecke der Fahndung und Festnahme der entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltenden Gefangenen erforderlich ist.
§ 71
Besondere Sicherungsmaßnahmen
(1) Gegen Gefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.
(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:
- der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
- die Beobachtung der Gefangenen,
- die Absonderung von anderen Gefangenen,
- der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
- die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
- die Fesselung.
(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 und 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Hausordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.
(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn Fluchtgefahr besteht.
§ 72
Einzelhaft
Die ständige Absonderung von anderen Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person des Gefangenen liegen, unerlässlich ist. Einzelhaft von mehr als zwei Monaten Gesamtdauer im Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Während des Vollzugs der Einzelhaft ist der Gefangene in besonderem Maße zu betreuen.
§ 73
Fesselung
In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse des Gefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.
§ 74
Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren
(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.
(2) Wird ein Gefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den Anlass der Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.
(3) Die Entscheidung wird dem Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.
(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.
(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 71 Abs. 2 Nr. 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden.
§ 75
Ärztliche Überwachung
(1) Sind Gefangene nach § 71 Abs. 2 Nr. 5 in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder nach § 71 Abs. 2 Nr. 6 gefesselt, sucht sie der Arzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports.
(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, solange eine besondere Sicherungsmaßnahme nach § 71 Abs. 2 Nr. 4 oder Einzelhaft nach § 72 andauert.
§ 76
Ersatz von Aufwendungen
(1) Ein Gefangener ist verpflichtet, der Anstalt Aufwendungen zu ersetzen, die er durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder Verletzung anderer Gefangener verursacht hat. Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(2) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in Absatz 1 genannten Forderungen ist abzusehen, soweit hierdurch die Erziehung und Förderung des Gefangenen oder seine Eingliederung behindert würde.
Teil 10
Unmittelbarer Zwang
§ 77
Begriffsbestimmungen
(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen.
(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.
(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln.
(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hiebwaffen.
§ 78
Allgemeine Voraussetzungen
(1) Soweit es zur Durchführung rechtmäßiger Vollzugs- oder Sicherungsmaßnahmen erforderlich ist, dürfen Bedienstete unmittelbaren Zwang anwenden. Seine Anwendung unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.
(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.
§ 79
Handeln auf Anordnung
(1) Wird unmittelbarer Zwang von einem Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, sind die Bediensteten verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.
(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen die Bediensteten sie trotzdem, trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.
(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben Bedienstete dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an einen Vorgesetzten aus dem Beamtengesetz für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Beamtengesetz – SächsBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juni 1999 (SächsGVBl. S. 370, 2000 S. 7), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. April 2007 (SächsGVBl. S. 54, 77), in der jeweils geltenden Fassung, sind nicht anzuwenden.
§ 80
Androhung
Unmittelbarer Zwang ist anzudrohen. Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.
Teil 11
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen
§ 81
Erzieherische Maßnahmen
(1) Verstöße der Gefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Daneben können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Gefangenen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). Als erzieherische Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht:
- die Erteilung von Weisungen und Auflagen,
- die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und
- der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer einer Woche.
(2) Der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.
(3) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen.
§ 82
Disziplinarmaßnahmen
(1) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn erzieherische Maßnahmen nach § 81 nicht ausreichen, um dem Gefangenen das Unrecht seiner Handlung zu verdeutlichen. Zu berücksichtigen ist ferner eine aus demselben Anlass angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme.
(2) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn ein Gefangener rechtswidrig und schuldhaft
- gegen Strafgesetze verstößt oder eine Ordnungswidrigkeit begeht,
- andere Personen verbal oder tätlich angreift,
- Lebensmittel oder fremdes Eigentum zerstört oder beschädigt,
- sich zugewiesenen Aufgaben entzieht,
- verbotene Gegenstände in die Anstalt bringt,
- sich am Einschmuggeln verbotener Gegenstände beteiligt oder sie besitzt,
- entweicht oder zu entweichen versucht oder
- in sonstiger Weise wiederholt oder schwerwiegend gegen die Hausordnung verstößt oder das Zusammenleben in der Anstalt stört.
(3) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind:
- die Beschränkung oder der Entzug des Rundfunkempfangs bis zu zwei Monaten,
- die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung bis zu zwei Monaten,
- der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu zwei Monaten,
- die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu zwei Monaten und
- Arrest bis zu zwei Wochen.
(4) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.
(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.
(6) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.
§ 83
Vollstreckung der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung
(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist, soll die Vollstreckung ausgesetzt werden.
(2) Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann mit Auflagen oder Weisungen verbunden werden.
(3) Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt oder entzogen, wird der vorenthaltene Betrag dem Eigengeld gutgeschrieben.
(4) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Die Gefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Rechte der Gefangenen aus §§ 29, 30 Abs. 1 Satz 2, § 31 Abs. 2 und 3, § 37 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie den §§ 40 bis 42.
§ 84
Disziplinarbefugnis
(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist die aufnehmende Anstalt zuständig.
(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.
(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen einen Gefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 83 Abs. 2 bleibt unberührt.
§ 85
Verfahren
(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Der betroffene Gefangene wird gehört. Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht sich zu äußern. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung des Gefangenen wird vermerkt.
(2) Bei schweren Verfehlungen soll sich der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Erziehung des Gefangenen mitwirken.
(3) Vor der Anordnung von schwerwiegenden Disziplinarmaßnahmen gegen einen Gefangenen, der sich in ärztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist ein Arzt zu hören.
(4) Die Entscheidung wird dem Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.
(5) Bevor Arrest vollstreckt wird, ist ein Arzt zu hören. Während des Arrestes steht der Gefangene unter ärztlicher Aufsicht. Die Vollstreckung unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit des Gefangenen gefährdet würde.
Teil 12
Aufhebung von Maßnahmen und Beschwerde
§ 86
Aufhebung von Maßnahmen
Für den Widerruf und die Rücknahme von Maßnahmen nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften der §§ 48 bis 49a des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das durch Artikel 4 Abs. 8 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 833) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend, soweit dieses Gesetz eine besondere Regelung oder entgegenstehende Bestimmungen nicht enthält.
§ 87
Beschwerderecht
(1) Der Gefangene erhält Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden.
(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass jeder Gefangene sich in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an diese wenden kann.
(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.
Teil 13
Aktenführung und Datenschutz
§ 88
Verarbeitung
(1) Die Anstalt darf personenbezogene Daten verarbeiten, soweit dies für die ihr nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben erforderlich ist.
(2) Die Verarbeitung personenbezogener Daten für andere Zwecke ist zulässig, soweit dies
- 1.
- zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland , die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen
- a)
- gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,
- b)
- eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder
- c)
- auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
- 2.
- zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
- 3.
- zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person,
- 4.
- zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie von die Sicherheit oder Ordnung in einer Anstalt gefährdenden Ordnungswidrigkeiten,
- 5.
- für Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen
erforderlich ist.
(3) Eine Verarbeitung für andere Zwecke liegt nicht vor, soweit sie dem gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz oder den in § 13 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Datenschutzgesetz – SächsDSG) vom 25. August 2003 (SächsGVBl. S. 330), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. Dezember 2006 (SächsGVBl. S. 530) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, genannten Zwecken dient.
(4) Über die in den Absätzen 1 und 2 geregelten Zwecke hinaus dürfen zuständigen öffentlichen Stellen personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit dies für
- Maßnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe oder Führungsaufsicht,
- Entscheidungen in Gnadensachen,
- gesetzlich angeordnete Statistiken der Rechtspflege,
- sozialrechtliche Maßnahmen,
- die Einleitung von Hilfsmaßnahmen für Angehörige des Gefangenen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB,
- dienstliche Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Aufnahme und Entlassung von Soldaten,
- ausländerrechtliche Maßnahmen oder
- die Durchführung der Besteuerung
erforderlich ist. Eine Übermittlung für andere Zwecke ist auch zulässig, soweit eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf personenbezogene Daten über Gefangene bezieht.
(5) Öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen darf die Anstalt auf schriftlichen Antrag mitteilen, ob sich eine Person in Haft befindet sowie ob und wann ihre Entlassung voraussichtlich innerhalb eines Jahres bevorsteht, soweit
- die Mitteilung zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der öffentlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist oder
- von nicht öffentlichen Stellen ein berechtigtes Interesse an dieser Mitteilung glaubhaft dargelegt wird und der Gefangene kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat.
Einem Opfer einer Straftat können darüber hinaus auf schriftlichen Antrag Auskünfte über die Entlassungsadresse oder die Vermögensverhältnisse des Gefangenen erteilt werden, wenn die Erteilung zur Feststellung oder Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich ist. Der Gefangene wird vor der Mitteilung gehört, es sei denn, es ist zu besorgen, dass dadurch die Verfolgung des Interesses des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde, und eine Abwägung ergibt, dass dieses Interesse des Antragstellers das Interesse des Gefangenen an seiner vorherigen Anhörung überwiegt. Ist die Anhörung unterblieben, werden die betroffenen Gefangenen über die Mitteilung der Anstalt nachträglich unterrichtet.
(6) Bei der Überwachung der Besuche oder des Schriftwechsels sowie bei der Überwachung des Inhaltes von Paketen bekannt gewordene personenbezogene Daten dürfen nur für die in Absatz 2 aufgeführten Zwecke, für den gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz und im Rahmen außerordentlicher Rechtsbehelfsverfahren, zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt oder nach Anhörung des Gefangenen für Zwecke der Erziehung verarbeitet werden.
(7) Die Übermittlung von personenbezogenen Daten unterbleibt, soweit die in § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 2 und 4 geregelten Einschränkungen oder besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.
(8) § 14 Abs. 2 SächsDSG ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Übermittlung auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle die Anstalt auch prüft, ob die Absätze 6 und 7 sowie § 89 Abs. 3 der Übermittlung entgegenstehen.
§ 89
Datenerhebung
(1) Personenbezogene Daten sind bei den Betroffenen zu erheben. Für die Erhebung ohne Mitwirkung der Betroffenen, die Erhebung bei anderen Personen oder Stellen und für die Hinweis- und Aufklärungspflichten gilt § 12 Abs. 3 bis 5 SächsDSG.
(2) Daten über Dritte dürfen ohne ihre Mitwirkung bei Personen oder Stellen außerhalb der Anstalt nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 und nur soweit erhoben werden, wie es für die Erziehung des Gefangenen, die Sicherheit in der Anstalt oder die Sicherung des Vollzugs unerlässlich ist und die Art der Erhebung schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt.
(3) Personenbezogene Daten, die gemäß Absatz 2 über Dritte erhoben worden sind, dürfen nur zur Erfüllung des Erhebungszweckes oder für die in § 88 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 geregelten Zwecke verarbeitet werden.
(4) Über eine ohne ihre Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten werden die Betroffenen unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit der in Absatz 1 genannte Zweck dadurch nicht gefährdet wird. Sind die Daten bei anderen Personen oder Stellen erhoben worden, kann die Unterrichtung unterbleiben, soweit
- die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder wegen des überwiegenden berechtigten Interesses von Dritten geheimgehalten werden müssen oder
- der Aufwand der Unterrichtung außer Verhältnis zum Schutzzweck steht und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden.
(5) Im Rahmen der Bemühungen, beim Gefangenen Einsicht in die beim Opfer verursachten Tatfolgen zu wecken, dürfen weitere Daten über das Opfer nicht erhoben werden.
§ 90
Schutz besonderer Daten
(1) Das religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis der Gefangenen und personenbezogene Daten, die anlässlich ärztlicher Untersuchungen erhoben worden sind, dürfen in der Anstalt nicht allgemein kenntlich gemacht werden. Andere personenbezogene Daten über die Gefangenen dürfen innerhalb der Anstalt allgemein kenntlich gemacht werden, soweit dies für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt erforderlich ist; § 88 Abs. 6 und 7 sowie § 89 Abs. 3 bleiben unberührt.
(2) Die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB genannten Personen, denen personenbezogene Daten von Gefangenen als Geheimnis anvertraut oder über Gefangene sonst bekannt geworden sind, unterliegen auch gegenüber der Anstalt der Schweigepflicht. Die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB genannten Personen sollen sich gegenüber dem Anstaltsleiter offenbaren, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Anstalt oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben von Gefangenen oder Dritten erforderlich ist. Ärzte sind zur Offenbarung ihnen im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfürsorge bekannt gewordener Geheimnisse befugt, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Anstalt unerlässlich oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. Sonstige Offenbarungsbefugnisse bleiben unberührt. Gefangene sind vor der Erhebung über die nach den Sätzen 2 und 3 bestehenden Offenbarungsbefugnisse zu unterrichten.
(3) Die nach Absatz 2 offenbarten Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie offenbart wurden oder für den eine Offenbarung zulässig gewesen wäre, und nur unter denselben Voraussetzungen verarbeitet oder genutzt werden, unter denen eine in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB genannte Person selbst hierzu befugt wäre. Der Anstaltsleiter kann unter diesen Voraussetzungen die unmittelbare Offenbarung gegenüber bestimmten Bediensteten allgemein zulassen. Warnhinweise, die keinen Rückschluss auf konkrete Erkrankungen zulassen, sind zulässig, soweit dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist.
(4) Sofern Ärzte oder Psychologen außerhalb des Vollzugs mit der Untersuchung oder Behandlung von Gefangenen beauftragt werden, gilt Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die beauftragten Ärzte oder Psychologen auch zur Unterrichtung eines Anstaltsarztes oder eines in der Anstalt mit der Behandlung der Gefangenen betrauten Psychologen befugt sind.
§ 91
Zentrale Vollzugsdatei, Einrichtung automatisierter Abrufverfahren
(1) Die nach § 88 Abs. 1 und nach § 89 erhobenen Daten dürfen in einer zentralen Vollzugsdatei des Freistaats Sachsen verarbeitet werden, soweit dies für Zwecke der Suizidprophylaxe, der Sicherheit oder der Ordnung in einer Anstalt sowie für Zwecke der Aufsichtsbehörde erforderlich ist.
(2) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf personenbezogener Daten aus der zentralen Vollzugsdatei des Freistaats Sachsen ermöglicht, ist zulässig, soweit dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen und der Aufgaben der beteiligten Stellen angemessen ist. § 13 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG) vom 7. Juli 1997 (BGBl. I S. 1650), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3409, 3414) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt unberührt.
(3) Erfolgt die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens nach Absatz 2 für eine Laufzeit von mehr als drei Monaten, hat die zentrale Vollzugsdatei für den Freistaat Sachsen bei durchschnittlich jedem zehnten Abruf den Zeitpunkt, die Angaben, die die Feststellung der abgerufenen Datensätze ermöglichen, sowie die für den Abruf verantwortliche Dienststelle für Zwecke der Datenschutzkontrolle zu protokollieren. Die protokollierten Daten dürfen nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage verwendet werden, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass ohne ihre Verwendung die Verhinderung oder Verfolgung einer schwerwiegenden Straftat gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Protokolldaten sind nach sechs Monaten zu löschen. Die zentrale Vollzugsdatei für den Freistaat Sachsen trifft die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach § 9 SächsDSG.
(4) Das Staatsministerium der Justiz bestimmt durch Rechtsverordnung die Einzelheiten des automatisierten Abrufverfahrens. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte ist vorher zu hören. Die Rechtsverordnung hat den Datenempfänger, die Datenart und den Zweck des Abrufs festzulegen. Sie hat Maßnahmen zur Datensicherung und zur Kontrolle vorzusehen, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen.
(5) Das Staatsministerium der Justiz darf anderen Ländern und dem Bund personenbezogene Daten nach § 88 Abs. 1 bis 4 übermitteln, soweit dies im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben oder der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist.
§ 92
Akten
(1) Über jeden Gefangenen wird eine Personalakte geführt (Gefangenenpersonalakte). Sie ist vertraulich zu behandeln und vor unbefugter Einsicht zu schützen.
(2) Für jeden Gefangenen sind vom Anstaltsarzt Gesundheitsakten zu führen.
(3) Über Daten im Sinne von § 90 Abs. 2, die im Rahmen einer Therapie erhoben wurden, sind Therapieakten zu führen.
(4) Gesundheitsakten und Therapieakten sind getrennt von anderen Unterlagen zu führen und besonders zu sichern.
(5) Akten mit personenbezogenen Daten dürfen nur anderen Anstalten, den zur Dienst- oder Fachaufsicht oder zu dienstlichen Weisungen befugten Stellen, den für strafvollzugs-, strafvollstreckungs- und strafrechtliche Entscheidungen zuständigen Gerichten sowie den Strafvollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden überlassen werden, soweit dies im Einzelfall zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. Entsprechendes gilt für die Überlassung von Akten an die von der Anstalt mit Gutachten beauftragten Stellen. Die Überlassung an andere öffentliche Stellen ist zulässig, soweit die Erteilung einer Auskunft einen unvertretbaren Aufwand erfordert oder nach Darlegung der Akteneinsicht begehrenden Stellen für die Erfüllung der Aufgabe nicht ausreicht.
(6) § 13 Abs. 5 SächsDSG ist entsprechend anzuwenden.
§ 93
Berichtigung, Löschung und Sperrung
(1) Die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten sind spätestens zwei Jahre nach der Entlassung des Gefangenen oder der Verlegung des Gefangenen in eine andere Anstalt zu löschen. Hiervon können bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist für die Gefangenenpersonalakte die Angaben über Familienname, Vorname, Geburtsname, Geburtstag, Geburtsort, Eintritts- und Austrittsdatum des Gefangenen ausgenommen werden, soweit dies für das Auffinden der Gefangenenpersonalakte erforderlich ist. § 67 Abs. 3 bleibt unberührt, soweit es sich um in Gefangenenpersonalakten gespeicherte Daten handelt.
(2) Personenbezogene Daten in Akten dürfen nach Ablauf von zwei Jahren seit der Entlassung des Gefangenen nur übermittelt oder genutzt werden, soweit dies
- zur Verfolgung von Straftaten,
- für die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben gemäß § 97,
- zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder
- zur Feststellung, Durchsetzung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit dem Vollzug
erforderlich ist. Diese Verwendungsbeschränkungen enden, wenn der Gefangene erneut zum Vollzug aufgenommen wird oder der Betroffene eingewilligt hat.
(3) Bei der Aufbewahrung von Akten mit nach Absatz 2 gesperrten Daten darf für Gefangenenpersonalakten, Gesundheitsakten und Therapieakten sowie für Gefangenenbücher eine Frist von dreißig Jahren nicht überschritten werden. Dies gilt nicht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Aufbewahrung für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem auf das Jahr der aktenmäßigen Weglegung folgenden Kalenderjahr. Die archivrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder bleiben unberührt.
(4) Wird festgestellt, dass unrichtige Daten übermittelt worden sind, ist dies den Empfängern mitzuteilen, wenn dies zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen erforderlich ist.
§ 94
Auskunft an den Betroffenen, Akteneinsicht
Betroffene erhalten nach Maßgabe des § 18 SächsDS. Auskunft und Akteneinsicht, soweit Sicherheit oder Ordnung in einer Anstalt dadurch nicht gefährdet werden.
§ 95
Auskunft und Akteneinsicht für wissenschaftliche Zwecke
§ 476 StPO gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können.
§ 96
Anwendbarkeit des Sächsischen Datenschutzgesetzes
Das Sächsische Datenschutzgesetz ist anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes geregelt ist.
Teil 14
Kriminologische Forschung
§ 97
Evaluation, kriminologische Forschung
(1) Behandlungsprogramme für die Gefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.
(2) Der Vollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien sowie die Behandlungsprogramme und deren Wirkungen auf das Vollzugsziel, soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden. § 476 StPO gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können.
Teil 15
Aufbau der Jugendstrafvollzugsanstalt
§ 98
Jugendstrafvollzugsanstalt
(1) Die Jugendstrafe wird in Jugendstrafvollzugsanstalten, Teilanstalten oder in getrennten Abteilungen einer Anstalt des Erwachsenenvollzugs (Anstalt) vollzogen. Lässt die geringe Anzahl der Gefangenen eine getrennte Unterbringung organisatorisch nicht zu, können Gefangene ausnahmsweise gemeinsam mit nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten untergebracht werden, sofern dadurch das Vollzugsziel nicht gefährdet wird. Gemeinsame Aus- und Fortbildungsmaßnahmen von nach Jugendstrafrecht und nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten sind zulässig. In jedem Fall erfolgt der Vollzug nach diesem Gesetz.
(2) Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind zweckentsprechend auszugestalten.
(3) Die Abteilungen der Anstalt sollen in Wohngruppen gegliedert sein, zu denen neben den Hafträumen weitere Räume zur gemeinsamen Nutzung gehören.
(4) Es sind Abteilungen für Gefangene vorzusehen, die sich erstmals im Vollzug befinden.
§ 99
Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung
(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung während der Ruhezeit gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Aus- und Weiterbildung, Arbeit sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische Maßnahmen und Besuche zur Verfügung steht.
(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Gefangenen als zugelassen belegt werden.
(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.
§ 100
Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung, Arbeitsbetriebe
(1) Die erforderlichen Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung, arbeitstherapeutischen Beschäftigung und die notwendigen Betriebe für die Arbeit sind vorzusehen. Sie sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalt anzugleichen.
(2) Bildung und Beschäftigung können auch in geeigneten privaten Einrichtungen und Betrieben erfolgen. Die technische und fachliche Leitung kann Angehörigen dieser Einrichtungen und Betriebe übertragen werden.
§ 101
Anstaltsleitung
(1) Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt nach außen. Er kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.
(2) Für jede Anstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.
§ 102
Bedienstete
(1) Die Aufgaben der Anstalten werden von Beamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Anstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.
(2) Die Anstalten werden mit dem für das Erreichen des Vollzugsziels erforderlichen Personal, unter anderem Sozialarbeitern, Psychologen und Pädagogen, ausgestattet. Es muss für die erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein. Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.
§ 103
Seelsorger
(1) Die Seelsorger werden im Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde von der jeweiligen Religionsgemeinschaft bestellt.
(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.
(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters darf der Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.
§ 104
Medizinische Versorgung
(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.
(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz – KrPflG) vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), zuletzt geändert durch Artikel 53 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407, 2413), in der jeweils geltenden Fassung, besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.
§ 105
Sozialtherapeutische Abteilung
In jeder Jugendstrafvollzugsanstalt soll eine sozialtherapeutische Abteilung eingerichtet werden.
§ 106
Konferenzen
Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans und zur Vorbereitung anderer wichtiger Vollzugsentscheidungen führt der Anstaltsleiter Konferenzen mit den an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Anstalt durch. Hinzugezogen werden können der bestellte und der künftige Bewährungshelfer, Vertreter der Jugendgerichtshilfe, die Personensorgeberechtigten und mit Zustimmung des Gefangenen weitere Personen.
§ 107
Mitverantwortung der Gefangenen
(1) Die Gefangenen sollen an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse beteiligt werden, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für die Mitwirkung der Gefangenen eignen.
(2) Die dafür zu schaffenden Gremien sind nach demokratischen Regeln zu wählen.
(3) Mitglieder der Gremien können sich mit Vorschlägen, namentlich zu sozialen Belangen, an den Anstaltsleiter wenden. Ausgenommen sind Angelegenheiten, die die Sicherheit oder das Personal betreffen.
§ 108
Hausordnung
(1) Der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung vorbehalten.
(2) In die Hausordnung sind insbesondere Anordnungen aufzunehmen über die
- Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
- Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
- Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.
Teil 16
Aufsicht, Beirat
§ 109
Aufsichtsbehörde
(1) Aufsichtsbehörde für die Anstalten ist das Staatsministerium der Justiz.
(2) Es kann sich Entscheidungen über Verlegungen vorbehalten oder sie einer zentralen Stelle übertragen.
§ 110
Vollstreckungsplan
Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalt in einem Vollstreckungsplan. Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.
§ 111
Beirat
(1) Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. Dem Beirat gehören zwei Abgeordnete des Sächsischen Landtages und mindestens ein Vertreter der Kommune oder des Landkreises sowie weitere Personen des öffentlichen Lebens an. Die Mitglieder werden von der Aufsichtsbehörde ernannt. Dies gilt nicht für die Mitglieder des Landtages, die von diesem benannt werden. Bedienstete der Anstalt dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein.
(2) Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Gefangenen beratend mit. Sie unterstützen den Anstaltsleiter durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge und helfen bei der Eingliederung.
(3) Die Mitglieder des Beirats können insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt besichtigen. Sie können die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht.
(4) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.
Teil 17
Schlussbestimmungen
§ 112
Einschränkung von Grundrechten
Durch dieses Gesetz werden die nachfolgenden Grundrechte aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und aus der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt:
- das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
- die Freiheit der Person nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
- das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
- das Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 27 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie
- das Recht der Freizügigkeit nach Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland .
§ 113
Verhältnis zum Bundesrecht
Dieses Gesetz ersetzt im Freistaat Sachsen § 176 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (Strafvollzugsgesetz – StVollzG) vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088, 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 2 Abs. 11 des Gesetzes vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122, 140) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. Die Regelung über die entsprechende Geltung der Regelungen des Pfändungsschutzes (§ 176 Abs. 4 StVollzG, soweit darin auf § 51 Abs. 4 und 5 StVollzG verwiesen wird) gilt fort.
§ 114
Berichtspflicht
Das Staatsministerium der Justiz berichtet dem Sächsischen Landtag in zweijährigem Abstand zur Lage des Jugendstrafvollzugs in Sachsen.
§ 115
Übergangsbestimmungen
(1) Bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 57 Abs. 4 Satz 3 gilt die Verordnung über die Vergütungsstufen des Arbeitsentgelts und der Ausbildungsbeihilfe nach dem Strafvollzugsgesetz (Strafvollzugsvergütungsordnung – StVollzVergO) vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57), in der jeweils geltenden Fassung, für die Anwendung des § 57 fort.
(2) Bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits gebildetes Überbrückungsgeld kann bis zu der sich nach § 62 Abs. 1 Satz 1 ergebenden Höhe nur nach § 62 Abs. 2 und 3 verwendet werden. Gefangene, die bereits Überbrückungsgeld in darüber hinaus gehender Höhe gebildet haben, können bis zum 31. Dezember 2008 verlangen, dass der übersteigende Betrag ihrem Eigengeld gutgeschrieben wird.
§ 116
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.
Dresden, den 12. Dezember 2007
Der Landtagspräsident
Erich Iltgen
Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Georg Milbradt
Der Staatsminister der Justiz
Geert Mackenroth