Gesetz
über den Vollzug der Freiheitsstrafe und des Strafarrests im Freistaat Sachsen
(Sächsisches Strafvollzugsgesetz – SächsStVollzG)1
erlassen als Artikel 1 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und des Strafarrests im Freistaat Sachsen sowie zur Änderung weiterer Gesetze
Vom 16. Mai 2013
Rechtsbereinigt mit Stand vom 22. März 2019
Teil 1
Allgemeine Bestimmungen
§ 1
Anwendungsbereich
Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe (Vollzug) und des Strafarrests in Justizvollzugsanstalten (Anstalten).
§ 2
Ziel und Aufgabe des Vollzugs
Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Dies wird durch eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung sowie sichere Unterbringung und Beaufsichtigung der Gefangenen gewährleistet.
§ 3
Vollzugsgestaltung
(1) Der Vollzug ist auf die Auseinandersetzung der Gefangenen mit ihren Straftaten und deren Folgen auszurichten.
(2) Der Vollzug wirkt von Beginn an auf die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in Freiheit hin.
(3) Gefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung sind individuell und intensiv zu betreuen, um ihre Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen. Soweit standardisierte Maßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Maßnahmen zu entwickeln.
(4) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen.
(5) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.
(6) Der Bezug der Gefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern. Die Belange der Familienangehörigen der Gefangenen sind bei der Vollzugsgestaltung zu berücksichtigen. Der Erhalt familiärer Bindungen ist zu unterstützen. Ehrenamtliche Mitarbeiter sowie Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden. Den Gefangenen ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren.
(7) Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Herkunft und Glauben, sowie die Bedürfnisse von Gefangenen mit Behinderung sind bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall zu berücksichtigen.
§ 4
Stellung der Gefangenen, Mitwirkung
(1) Die Persönlichkeit der Gefangenen ist zu achten. Ihre Selbständigkeit im Vollzugsalltag ist soweit wie möglich zu erhalten und zu fördern.
(2) Die Gefangenen werden an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sollen ihnen erläutert werden. Soweit erforderlich, wird ein Dolmetscher hinzugezogen. Mit Zustimmung der beteiligten Gefangenen kann in Ausnahmefällen für die Übersetzung auch eine andere sprachkundige Person tätig werden.
(3) Zur Erreichung des Vollzugsziels bedarf es der Mitwirkung der Gefangenen. Ihre Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.
(4) Die Gefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt unerlässlich sind.
§ 5
Soziale Hilfe
(1) Die Gefangenen werden durch die Anstalt darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, insbesondere eine Schuldenregulierung herbeizuführen.
(2) Die Gefangenen sollen angehalten werden, den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wiedergutzumachen. Die Einsicht der Gefangenen in ihre Verantwortung für die Tat, insbesondere für die beim Opfer verursachten Tatfolgen, soll geweckt werden.
Teil 2
Aufnahme, Diagnose, Vollzugs- und Eingliederungsplanung
§ 6
Aufnahmeverfahren
(1) Mit den Gefangenen wird unverzüglich nach der Aufnahme ein Zugangsgespräch geführt, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Ihnen ist die Hausordnung zu erläutern und die Aushändigung eines Exemplars anzubieten. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und veröffentlichte Verwaltungsvorschriften sind den Gefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.
(2) Im Zugangsgespräch ist auch zu klären, ob die Gefangenen in ihrer Obhut stehende Minderjährige ohne Betreuung und Versorgung zurückgelassen haben. In diesem Falle ist unverzüglich das zuständige Jugendamt zu unterrichten.
(3) Während des Aufnahmeverfahrens dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.
(4) Die Gefangenen werden unverzüglich ärztlich untersucht.
(5) Die Gefangenen werden dabei unterstützt, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung und zur Sicherung ihrer Vermögensgegenstände außerhalb der Anstalt zu veranlassen.
(6) Bei Gefangenen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, sind die Möglichkeiten der Abwendung der Vollstreckung durch freie Arbeit oder ratenweise Tilgung der Geldstrafe zu erörtern und zu fördern, um so auf eine möglichst baldige Entlassung hinzuwirken.
§ 7
Diagnoseverfahren
(1) An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung das Diagnoseverfahren an.
(2) Das Diagnoseverfahren muss wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen. Insbesondere bei Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist es von Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation durchzuführen.
(3) Das Diagnoseverfahren erstreckt sich auf die Persönlichkeit, die Lebensverhältnisse, die Ursachen und Umstände der Straftat sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung der Gefangenen nach der Entlassung erforderlich ist. Neben den Unterlagen aus der Vollstreckung und dem Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen sind insbesondere auch Erkenntnisse der Gerichts- und Bewährungshilfe sowie der Führungsaufsichtsstellen einzubeziehen.
(4) Im Diagnoseverfahren werden die im Einzelfall die Straffälligkeit begünstigenden Faktoren ermittelt. Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten der Gefangenen ermittelt werden, deren Stärkung einer erneuten Straffälligkeit entgegenwirken kann.
(5) Bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer von bis zu drei Monaten tritt an die Stelle des Diagnoseverfahrens in der Regel die Feststellung zur Person und zu den Lebensverhältnissen der Gefangenen.
(6) Bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer bis zu einem Jahr kann das Diagnoseverfahren auf die Umstände beschränkt werden, deren Kenntnis für eine angemessene Vollzugsgestaltung unerlässlich und für die Eingliederung erforderlich ist.
(7) Das Ergebnis des Diagnoseverfahrens wird mit den Gefangenen erörtert.
§ 8
Vollzugs- und Eingliederungsplanung
(1) Auf der Grundlage des Ergebnisses des Diagnoseverfahrens wird ein Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt. In den Fällen des § 7 Absatz 6 kann sich der Vollzugs- und Eingliederungsplan auf die dort genannten Umstände beschränken. Bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer von bis zu drei Monaten kann von der Erstellung eines Vollzugs- und Eingliederungsplans abgesehen werden.
(2) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan zeigt den Gefangenen bereits zu Beginn des Vollzugs unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Vollzugsdauer die zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlichen Maßnahmen auf. Daneben kann er weitere Hilfsangebote und Empfehlungen enthalten. Die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Gefangenen sollen einbezogen werden.
(3) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan wird regelmäßig innerhalb der ersten acht Wochen nach der Aufnahme erstellt. Diese Frist verkürzt sich bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer von unter einem Jahr auf vier Wochen.
(4) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie die darin vorgesehenen Maßnahmen werden regelmäßig alle sechs Monate, spätestens aber alle zwölf Monate überprüft und fortgeschrieben. Die Entwicklung der Gefangenen und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.
(5) Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung wird mit den Gefangenen erörtert. Dabei werden deren Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.
(6) Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans führt der Anstaltsleiter eine Konferenz mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durch. Standen die Gefangenen vor ihrer Inhaftierung unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht, kann auch der für sie bislang zuständige Bewährungshelfer an der Konferenz beteiligt werden. Die Teilnahme des Verteidigers ist zu gestatten. Die Gefangenen sollen ebenfalls an der Konferenz beteiligt werden. Im Falle der Teilnahme wird ihnen der Vollzugs- und Eingliederungsplan eröffnet und erläutert. Im Übrigen wird ihnen der Vollzugs- und Eingliederungsplan bekanntgegeben. In den Fällen des § 7 Absatz 6 kann auch ein vereinfachtes Verfahren Anwendung finden.
(7) An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sind nach Möglichkeit in die Planung einzubeziehen, soweit dies zur Eingliederung erforderlich ist. Sie können mit Zustimmung der Gefangenen auch an der Konferenz beteiligt werden.
(8) Werden die Gefangenen nach der Entlassung voraussichtlich unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht gestellt, so ist einem Mitarbeiter der Bewährungshilfe und der Führungsaufsichtsstelle in den letzten zwölf Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt die Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen. Der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen sind zu übersenden.
(9) Eine Abschrift des Vollzugs- und Eingliederungsplans und seiner Fortschreibungen wird den Gefangenen ausgehändigt.
§ 9
Inhalt des Vollzugs- und Eingliederungsplans
(1) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen enthalten insbesondere folgende Angaben:
- 1.
- Zusammenfassung der für die Vollzugs- und Eingliederungsplanung maßgeblichen Ergebnisse des Diagnoseverfahrens,
- 2.
- voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt,
- 3.
- Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug oder Vollzug in freien Formen,
- 4.
- Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft,
- 5.
- Unterbringung in einer Wohngruppe und Teilnahme am Wohngruppenvollzug,
- 6.
- Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Abteilung und Teilnahme an deren Behandlungsprogrammen,
- 7.
- Teilnahme an einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen, insbesondere psychologische Intervention und Psychotherapie,
- 8.
- Teilnahme an psychiatrischen Behandlungsmaßnahmen,
- 9.
- Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch, einschließlich Suchtberatung,
- 10.
- Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz und familienunterstützende Angebote,
- 11.
- Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen, einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
- 12.
- Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining,
- 13.
- Arbeit,
- 14.
- freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung,
- 15.
- Teilnahme an Sportangeboten und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit,
- 16.
- Ausführungen, Außenbeschäftigung,
- 17.
- Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels,
- 18.
- Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von familiären Bindungen und Außenkontakten,
- 19.
- Bildung von Überbrückungsgeld, Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und Erfüllung von Unterhaltspflichten,
- 20.
- Ausgleich von Tatfolgen, einschließlich Täter-Opfer-Ausgleich,
- 21.
- Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge und
- 22.
- Frist zur Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans.
Bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung enthalten der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen darüber hinaus Angaben zu sonstigen Maßnahmen im Sinne des § 3 Absatz 3 Satz 2 dieses Gesetzes und einer Antragstellung im Sinne des § 119a Absatz 2 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2571) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 bis 10 und Satz 2, die nach dem Ergebnis des Diagnoseverfahrens als zur Erreichung des Vollzugsziels zwingend erforderlich erachtet werden, sind als solche zu kennzeichnen und gehen allen anderen Maßnahmen vor. Auch für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 11 und 12 kann ein Vorrang vor anderen Maßnahmen vorgesehen werden. Es ist anzustreben, die Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 im Einvernehmen mit den Gefangenen festzulegen. Andere Maßnahmen dürfen nicht gestattet werden, soweit sie die Teilnahme an Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 beeinträchtigen würden.
(3) Spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen. Anknüpfend an die bisherige Vollzugsplanung werden ab diesem Zeitpunkt die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 21 konkretisiert oder ergänzt. Insbesondere ist Stellung zu nehmen zu:
- 1.
- Unterbringung im offenen Vollzug, Übergangseinrichtung,
- 2.
- Unterkunft sowie Arbeit oder Ausbildung nach der Entlassung,
- 3.
- Unterstützung bei notwendigen Behördengängen und der Beschaffung der notwendigen persönlichen Dokumente,
- 4.
- Beteiligung der Bewährungshilfe, Führungsaufsichtsstelle und der forensischen Ambulanzen,
- 5.
- Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Entlassenenhilfe,
- 6.
- Fortsetzung von im Vollzug noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen,
- 7.
- Anregung von Auflagen und Weisungen für die Bewährungs- oder Führungsaufsicht,
- 8.
- Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen und
- 9.
- nachgehende Betreuung durch Vollzugsbedienstete.
Teil 3
Unterbringung, Verlegung
§ 10
Trennung von männlichen und weiblichen Gefangenen
Männliche und weibliche Gefangene werden getrennt untergebracht. Eine gemeinsame Unterbringung zum Zweck der medizinischen Behandlung sowie gemeinsame Maßnahmen, insbesondere zur schulischen und beruflichen Qualifizierung, sind zulässig.
§ 11
Unterbringung während der Einschlusszeiten
(1) Die Gefangenen werden in ihren Hafträumen einzeln untergebracht.
(2) Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig
- 1.
- mit Zustimmung der Gefangenen, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind, oder
- 2.
- wenn ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht.
(3) Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.
§ 12
Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten
(1) Außerhalb der Einschlusszeiten dürfen sich die Gefangenen in Gemeinschaft aufhalten.
(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden, wenn
- 1.
- ein schädlicher Einfluss auf andere Gefangene zu befürchten ist oder
- 2.
- es die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erfordert.
§ 13
Wohngruppenvollzug
(1) Der Wohngruppenvollzug dient der Einübung sozialverträglichen Zusammenlebens, insbesondere von Toleranz sowie der Übernahme von Verantwortung für sich und andere. Er ermöglicht den dort untergebrachten Gefangenen, ihren Vollzugsalltag weitgehend selbständig zu regeln.
(2) Eine Wohngruppe wird in einem baulich abgegrenzten Bereich mit bis zu 16 Gefangenen eingerichtet, zu dem neben den Hafträumen weitere Räume und Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung gehören. Sie wird in der Regel von fest zugeordneten Bediensteten betreut.
§ 14
Unterbringung von Müttern und Vätern mit Kindern
(1) Ein Kind kann mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres in einer Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter oder sein Vater befindet, wenn dies seinem Wohl entspricht und Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. Aus besonderen Gründen kann die Unterbringung auch bis zu einem halben Jahr darüber hinaus erfolgen. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.
(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen.
§ 15
Geschlossener und offener Vollzug
sowie Vollzug in freien Formen
(1) Die Gefangenen werden im geschlossenen oder offenen Vollzug untergebracht.
(2) Die Gefangenen sollen im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen, insbesondere nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zu Straftaten missbrauchen werden. Genügen die Gefangenen den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs nicht mehr, werden sie im geschlossenen Vollzug untergebracht. § 94 bleibt unberührt.
(3) Abteilungen des offenen Vollzugs sehen keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor.
(4) Der Vollzug kann mit der Zustimmung des Gefangenen in freien Formen durchgeführt werden. Absatz 2 gilt entsprechend.
§ 16
Verlegung und Überstellung
(1) Die Gefangenen können abweichend vom Vollstreckungsplan nach § 115 in eine andere Anstalt verlegt werden,
- 1.
- wenn die Erreichung des Vollzugsziels hierdurch gefördert wird oder
- 2.
- Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe dies erfordern.
(2) Dem Verteidiger wird die Verlegung unverzüglich mitgeteilt.
(3) Die Gefangenen dürfen aus wichtigem Grund in eine andere Anstalt überstellt werden.
Teil 4
Sozialtherapie, psychologische Intervention
und Psychotherapie
§ 17
Sozialtherapie
(1) Sozialtherapie dient der Verringerung einer erheblichen Gefährlichkeit der Gefangenen. Auf der Grundlage einer therapeutischen Gemeinschaft bedient sie sich psychologischer, psychotherapeutischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die in umfassenden Behandlungsprogrammen verbunden werden. Personen aus dem Lebensumfeld der Gefangenen außerhalb des Vollzugs werden in die Behandlung einbezogen.
(2) Gefangene sind in einer sozialtherapeutischen Abteilung unterzubringen, wenn ihre Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Verringerung ihrer erheblichen Gefährlichkeit angezeigt ist. Eine erhebliche Gefährlichkeit liegt vor, wenn schwerwiegende Straftaten gegen Leib oder Leben, die persönliche Freiheit oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu erwarten sind.
(3) Andere Gefangene können in einer sozialtherapeutischen Abteilung untergebracht werden, wenn die Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Erreichung des Vollzugsziels angezeigt ist.
(4) Die Unterbringung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der entweder den Abschluss der Behandlung zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erwarten lässt oder die Fortsetzung der Behandlung nach der Entlassung ermöglicht. Ist Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, soll die Unterbringung zu einem Zeitpunkt erfolgen, der den Abschluss der Behandlung noch während des Vollzugs der Freiheitsstrafe erwarten lässt.
(5) Die Unterbringung wird beendet, wenn das Ziel der Behandlung aus Gründen, die in der Person der Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann.
§ 18
Psychologische Intervention und Psychotherapie
Psychologische Intervention und Psychotherapie im Vollzug dienen insbesondere der Behandlung psychosozialer Faktoren und psychischer Störungen des Verhaltens und Erlebens, die in einem Zusammenhang mit der Straffälligkeit stehen. Sie werden durch systematische Anwendung wissenschaftlich fundierter psychologischer und psychotherapeutischer Methoden mit einem oder mehreren Gefangenen durchgeführt.
Teil 5
Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining,
schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit
§ 19
Arbeitstherapeutische Maßnahmen
Arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen dazu, dass die Gefangenen Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit einüben, um sie stufenweise an die Grundanforderungen des Arbeitslebens heranzuführen.
§ 20
Arbeitstraining
Arbeitstraining dient dazu, Gefangenen, die nicht in der Lage sind, einer regelmäßigen und erwerbsorientierten Beschäftigung nachzugehen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die eine Eingliederung in das leistungsorientierte Arbeitsleben fördern. Die Maßnahmen sind danach auszurichten, dass sie den Gefangenen für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen vermitteln.
§ 21
Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen
(1) Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung und vorberufliche Qualifizierung im Vollzug (schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen) haben das Ziel, den Gefangenen Fähigkeiten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln sowie vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und zu fördern. Sie werden in der Regel als Vollzeitmaßnahme durchgeführt. Bei der Festlegung von Inhalten, Methoden und Organisationsformen der Bildungsangebote werden die Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigt.
(2) Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen sind darauf auszurichten, den Gefangenen für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen zu vermitteln.
(3) Geeigneten Gefangenen soll die Teilnahme an einer schulischen oder beruflichen Ausbildung ermöglicht werden, die zu einem anerkannten Abschluss führt.
(4) Bei der Vollzugs- und Eingliederungsplanung ist darauf zu achten, dass die Gefangenen Qualifizierungsmaßnahmen während ihrer Haftzeit abschließen oder danach fortsetzen können. Können Maßnahmen während der Haftzeit nicht abgeschlossen werden, trägt die Anstalt in Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Einrichtungen dafür Sorge, dass die begonnene Qualifizierungsmaßnahme nach der Haft fortgesetzt werden kann.
(5) Nachweise über schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen dürfen keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.
§ 22
Arbeit
(1) Den Gefangenen soll nach Möglichkeit ihren Fähigkeiten angemessene Arbeit übertragen werden, soweit sie körperlich und geistig hierzu in der Lage sind.
(2) Sie wirken im Rahmen ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten an Arbeiten der Versorgung, der Sauberkeit und Ordnung in der Anstalt mit.
(3) § 9 Abs. 2 bleibt unberührt. Nehmen sie eine Arbeit auf, gelten die von der Anstalt festgelegten Arbeitsbedingungen. Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.
§ 23
Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung
(1) Gefangenen, die zum Freigang nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 zugelassen sind, soll gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses oder der Selbstbeschäftigung außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn die Beschäftigungsstelle geeignet ist und nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen. § 40 gilt entsprechend.
(2) Das Entgelt ist der Anstalt zur Gutschrift für die Gefangenen zu überweisen.
§ 24
Freistellung
(1) Haben die Gefangenen ein halbes Jahr lang gearbeitet, so können sie beanspruchen, zehn Arbeitstage von der Arbeit freigestellt zu werden. Zeiten, in denen die Gefangenen infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert waren, werden auf das Halbjahr mit bis zu 15 Arbeitstagen angerechnet. Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist.
(2) Auf die Zeit der Freistellung wird Langzeitausgang nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt. Gleiches gilt für einen Langzeitausgang nach § 39, soweit er nicht wegen des Todes oder einer lebensgefährlichen Erkrankung naher Angehöriger erteilt worden ist.
(3) Die Gefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihr Arbeitsentgelt weiter.
(4) Urlaubsregelungen freier Beschäftigungsverhältnisse bleiben unberührt.
(5) Für Maßnahmen nach den §§ 19, 20 und 21 Abs. 1 gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend, sofern diese den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erreichen.
Teil 6
Besuche, Telefongespräche, Schriftwechsel,
andere Formen der Telekommunikation und Pakete
§ 25
Grundsatz
Die Gefangenen haben das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren. Die Anstalt fördert den Kontakt mit Personen, von denen ein günstiger Einfluss erwartet werden kann.
§ 26
Besuch
(1) Die Gefangenen dürfen im Monat vier Stunden Besuch empfangen. Der jeweilige Anstaltsleiter kann längere Besuchszeiten vorsehen. Ausführungen oder Ausgänge, die der Pflege von Kontakten mit Angehörigen und Bezugspersonen dienen, können angerechnet werden.
(2) Besuche von Angehörigen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches werden besonders unterstützt.
(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Eingliederung der Gefangenen fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von den Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können.
(4) Der Anstaltsleiter kann über Absatz 1 hinausgehend mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) zulassen, wenn dies zur Pflege der familiären, partnerschaftlichen oder ihnen gleichzusetzender Kontakte der Gefangenen geboten erscheint und die Gefangenen hierfür geeignet sind.
(5) Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten und Notaren in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache und Besuche von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie des Europäischen Parlaments sind zu gestatten.
§ 27
Untersagung der Besuche
Der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen, wenn
- 1.
- die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
- 2.
- bei Personen, die nicht Angehörige der Gefangenen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches sind, zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen haben oder die Erreichung des Vollzugsziels behindern, oder
- 3.
- bei minderjährigen Personen, die Opfer der Straftaten waren, zu befürchten ist, dass die Begegnung mit den Gefangenen einen schädlichen Einfluss auf sie hat.
§ 28
Durchführung der Besuche
(1) Aus Gründen der Sicherheit in der Anstalt können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher durchsuchen lassen. Die Durchsuchung von Verteidigern setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für die Gefährdung der Sicherheit vorliegen.
(2) Besuche werden regelmäßig beaufsichtigt. Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter. Die Beaufsichtigung mit technischen Mitteln ist zulässig, wenn die Besucher und die Gefangenen vor dem Besuch erkennbar darauf hingewiesen werden. Eine Aufzeichnung findet nicht statt.
(3) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucher oder Gefangene gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen.
(4) Gegenstände dürfen beim Besuch nicht übergeben werden.
(5) Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten und Notaren in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache werden nicht beaufsichtigt. Nicht beaufsichtigt werden ferner Besuche von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Ausschusses der Vereinten Nationen gegen Folter, des zugehörigen Unterausschusses zur Verhütung von Folter und des entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismus, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, der konsularischen Vertretung der Heimatländer der Gefangenen und der weiteren Einrichtungen, mit denen der Kontakt aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz 2 gilt auch für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, den Sächsischen Datenschutzbeauftragten und andere Landesdatenschutzbeauftragte.
(6) Eine inhaltliche Überprüfung der von Verteidigern, Rechtsanwälten und Notaren beim Besuch in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache mitgeführten Schriftstücke, sonstigen Unterlagen und Datenträger ist nicht zulässig; Gleiches gilt beim Besuch von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie des Europäischen Parlaments. Abweichend von Absatz 4 dürfen Schriftstücke oder sonstige Unterlagen den Gefangenen von ihrem Verteidiger, Rechtsanwalt oder Notar zur Erledigung in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache übergeben werden. Bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt von der Erlaubnis des Anstaltsleiters abhängig gemacht werden. Liegt dem Vollzug eine Straftat nach § 129a des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 des Strafgesetzbuches, zugrunde, gelten § 148 Absatz 2 und § 148a der Strafprozessordnung entsprechend; dies gilt nicht, wenn sich die Gefangenen im offenen Vollzug befinden, wenn der Vollzug in freien Formen durchgeführt wird oder wenn ihnen Lockerungen nach § 38 gewährt worden sind und ein Grund, der den Anstaltsleiter zur Aufhebung nach § 15 Absatz 2 oder § 94 ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 4 gilt auch, wenn eine Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129a des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 des Strafgesetzbuches erst im Anschluss an den Vollzug der Freiheitsstrafe, der eine Verurteilung wegen einer anderen Straftat zugrunde liegt, zu vollstrecken ist.
(7) Der Anstaltsleiter kann im Einzelfall die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zum Schutz von Personen oder zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen erforderlich ist.
§ 29
Überwachung der Gespräche
Gespräche dürfen nur überwacht werden, soweit es im Einzelfall wegen einer Gefährdung der Erreichung des Vollzugsziels oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. § 28 Abs. 5 gilt entsprechend. § 116 Abs. 3 Satz 4 bleibt unberührt.
§ 30
Telefongespräche
(1) Den Gefangenen kann gestattet werden, Telefongespräche zu führen. Die §§ 27 bis 29 gelten entsprechend. Darüber hinaus können Telefongespräche mit Personen, die Opfer der Straftaten waren, versagt werden. Die Anordnung der Überwachung teilt die Anstalt den Gefangenen rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs und den Gesprächspartnern der Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mit.
(2) Die Kosten der Telefongespräche tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
(3) Die Anstalt kann die Bereitstellung und den Betrieb von Telekommunikationsanlagen, die Bereitstellung, Vermietung oder Ausgabe von Telekommunikationsgeräten sowie von anderen Geräten der Telekommunikation einem Dritten gestatten oder übertragen.
(4) Innerhalb des Geländes der Anstalten sind der Besitz und die Benutzung von Mobilfunkendgeräten verboten. Für den offenen Vollzug kann der Anstaltsleiter abweichende Regelungen treffen.
(5) Die Anstalten dürfen technische Geräte
- 1.
- zur Auffindung von Mobilfunkendgeräten,
- 2.
- zur Aktivierung von Mobilfunkendgeräten zum Zwecke der Auffindung und
- 3.
- zur Störung von Frequenzen, die der Herstellung unerlaubter Mobilfunkverbindungen auf dem Anstaltsgelände dienen,
betreiben. Sie haben hierbei die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Abs. 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2230) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, festgelegten Rahmenbedingungen zu beachten. Der Mobilfunkverkehr außerhalb des Geländes der Anstalten darf nicht beeinträchtigt werden.
§ 31
Schriftwechsel
(1) Die Gefangenen haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen.
(2) Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
§ 32
Untersagung des Schriftwechsels
Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn
- 1.
- die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
- 2.
- bei Personen, die nicht Angehörige der Gefangenen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches sind, zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen hat oder die Erreichung des Vollzugsziels behindert, oder
- 3.
- bei minderjährigen Personen, die Opfer der Straftaten waren, zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel mit den Gefangenen einen schädlichen Einfluss auf sie hat.
§ 33
Sichtkontrolle, Weiterleitung
und Aufbewahrung von Schreiben
(1) Die Gefangenen haben das Absenden und den Empfang von Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist. Ein- und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.
(2) Ein- und ausgehende Schreiben werden auf verbotene Gegenstände kontrolliert, in der Regel in Anwesenheit des Gefangenen. Der Anstaltsleiter kann abweichende Regelungen treffen.
(3) Der Schriftwechsel der Gefangenen mit ihren Verteidigern sowie mit Rechtsanwälten und Notaren in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache wird nicht nach Absatz 2 kontrolliert. § 28 Abs. 6 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.
(4) Nicht nach Absatz 2 kontrolliert werden ferner Schreiben der Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und den entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismus, die Parlamentarische Versammlung des Europarates, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz 1 gilt auch für den Schriftverkehr mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten und anderen Landesdatenschutzbeauftragten. Nicht kontrolliert werden ferner Schreiben der Gefangenen an Gerichte, Staatsanwaltschaften und die Aufsichtsbehörde. Schreiben der in den Sätzen 1 bis 3 genannten Stellen, die an die Gefangenen gerichtet sind, werden nicht nach Absatz 2 kontrolliert, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht. § 116 Abs. 3 Satz 4 bleibt unberührt.
(5) Die Gefangenen haben eingegangene Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.
§ 34
Überwachung des Schriftwechsels
Der Schriftwechsel darf nur überwacht werden, soweit es wegen einer Gefährdung der Erreichung des Vollzugsziels oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. § 33 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.
§ 35
Anhalten von Schreiben
(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, wenn
- 1.
- die Erreichung des Vollzugsziels oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
- 2.
- die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
- 3.
- sie an Opfer der Straftaten gerichtet sind,
- 4.
- sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen oder grobe Beleidigungen enthalten,
- 5.
- sie die Eingliederung anderer Gefangener gefährden können oder
- 6.
- sie in Geheim- oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.
(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die Gefangenen auf dem Absenden bestehen.
(3) Sind Schreiben angehalten worden, wird das den Gefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, verwahrt.
(4) Schreiben, deren Kontrolle nach § 33 Abs. 3 und 4 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.
§ 36
Andere Formen der Telekommunikation
Nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde kann der Anstaltsleiter den Gefangenen gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten entsprechend.
§ 37
Pakete
(1) Den Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu empfangen. Der Empfang von Paketen mit Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln ist untersagt. Die Anstalt kann Anzahl, Gewicht und Größe von Sendungen und einzelnen Gegenständen festsetzen. Über § 46 Abs. 1 Satz 2 hinaus kann sie Gegenstände und Verpackungsformen ausschließen, die einen unverhältnismäßigen Kontrollaufwand bedingen.
(2) Die Anstalt kann die Annahme von Paketen, deren Einbringung nicht gestattet ist oder die die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllen, ablehnen oder solche Pakete an den Absender zurücksenden.
(3) Pakete sind zu öffnen und zu durchsuchen, in der Regel in Anwesenheit des Gefangenen. Mit nicht zugelassenen oder ausgeschlossenen Gegenständen ist gemäß § 49 Abs. 3 zu verfahren. Sie können auch auf Kosten der Gefangenen zurückgesandt werden.
(4) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.
(5) Den Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Der Inhalt kann aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt überprüft werden. Der Versand kann untersagt werden, wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde oder ein schädlicher Einfluss auf Opfer der Straftaten zu befürchten wäre.
(6) Die Kosten des Paketversandes tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
Teil 7
Lockerungen und sonstige Aufenthalte außerhalb der Anstalt
§ 38
Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels
(1) Aufenthalte außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht (Lockerungen) sind insbesondere
- 1.
- das Verlassen der Anstalt für bis zu 24 Stunden in Begleitung einer von der Anstalt zugelassenen Person (begleiteter Ausgang),
- 2.
- das Verlassen der Anstalt für bis zu 24 Stunden ohne Begleitung (unbegleiteter Ausgang),
- 3.
- das Verlassen der Anstalt für mehrere Tage (Langzeitausgang) und
- 4.
- die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt (Freigang).
(2) Die Lockerungen sollen gewährt werden, wenn sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen und verantwortet werden kann zu erproben, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe nicht entziehen und die Lockerungen nicht zu Straftaten missbrauchen werden.
(3) Ein Langzeitausgang nach Absatz 1 Nr. 3 soll grundsätzlich erst gewährt werden, wenn Gefangene sich mindestens sechs Monate im Strafvollzug befunden haben oder ihre Eignung für den offenen Vollzug festgestellt wurde oder sie sich in Ausgängen nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 bewährt haben. Zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Gefangene können einen Langzeitausgang erst erhalten, wenn sie sich einschließlich einer vorhergehenden Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung in der Regel zehn Jahre im Vollzug befunden haben oder wenn sie im offenen Vollzug untergebracht sind.
(4) Durch Lockerungen wird die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht unterbrochen.
§ 39
Lockerungen aus sonstigen Gründen
Lockerungen sollen auch aus wichtigem Anlass gewährt werden, wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe nicht entziehen und die Lockerungen nicht zu Straftaten missbrauchen werden. Wichtige Anlässe sind insbesondere die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung der Gefangenen sowie der Tod oder eine lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger der Gefangenen. § 38 Abs. 4 gilt entsprechend.
§ 40
Weisungen für Lockerungen
Für Lockerungen sind die nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Weisungen zu erteilen. Bei der Ausgestaltung der Lockerungen ist nach Möglichkeit auch den Belangen des Opfers der Straftaten Rechnung zu tragen.
§ 41
Ausführung, Außenbeschäftigung, Vorführung, Ausantwortung
(1) Den Gefangenen kann das Verlassen der Anstalt unter Aufsicht gestattet werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist (Ausführung). Die Gefangenen können auch gegen ihren Willen ausgeführt werden. Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse der Gefangenen, können ihnen die Kosten auferlegt werden, soweit dies die Behandlung oder die Eingliederung nicht behindert oder nicht anderweitig unbillig ist.
(2) Den Gefangenen kann gestattet werden, außerhalb der Anstalt einer regelmäßigen Beschäftigung unter ständiger Aufsicht oder unter Aufsicht in unregelmäßigen Abständen (Außenbeschäftigung) nachzugehen. § 39 Satz 1 gilt entsprechend.
(3) Auf Ersuchen eines Gerichts werden Gefangene, denen Ausgang nicht gewährt werden kann, vorgeführt.
(4) Gefangene dürfen befristet der Obhut eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft, einer Dienststelle des Polizeivollzugsdienstes oder einer Zoll- oder Finanzbehörde überlassen werden (Ausantwortung).
Teil 8
Vorbereitung der Eingliederung,
Entlassung und nachgehende Betreuung
§ 42
Vorbereitung der Eingliederung
(1) Die Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung sind auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung in die Freiheit auszurichten. Die Gefangenen sind bei der Ordnung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.
(2) Durch eine frühzeitige Zusammenarbeit mit Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs soll insbesondere erreicht werden, dass die Gefangenen nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen. Bewährungshilfe und Führungsaufsichtsstelle beteiligen sich frühzeitig an der sozialen und beruflichen Eingliederung der Gefangenen.
(3) Den Gefangenen können Aufenthalte in Einrichtungen außerhalb des Vollzugs (Übergangseinrichtungen) gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. Haben sich die Gefangenen mindestens sechs Monate im Vollzug befunden, kann ihnen auch ein zusammenhängender Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. § 38 Abs. 2 und 4 und § 40 gelten entsprechend.
(4) In einem Zeitraum von sechs Monaten vor der voraussichtlichen Entlassung sind den Gefangenen die zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlichen Lockerungen zu gewähren, sofern nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen zu Straftaten missbrauchen werden.
§ 43
Entlassung
(1) Die Gefangenen sollen am letzten Tag ihrer Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.
(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 2. Januar , können die Gefangenen an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies, gemessen an der Dauer der Strafzeit, vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.
(3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn dies die Eingliederung der Gefangenen erleichtert.
(4) Bedürftigen Gefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.
§ 44
Nachgehende Betreuung
Mit Zustimmung des Anstaltsleiters können Bedienstete an der nachgehenden Betreuung Entlassener mit deren Einverständnis mitwirken, wenn ansonsten die Eingliederung gefährdet wäre. Die nachgehende Betreuung kann auch außerhalb der Anstalt erfolgen. In der Regel ist sie auf die ersten sechs Monate nach der Entlassung beschränkt.
§ 45
Verbleib oder Aufnahme auf freiwilliger Grundlage
(1) Sofern es die Belegungssituation zulässt, können die Gefangenen auf Antrag ausnahmsweise vorübergehend in einer Anstalt verbleiben oder wieder aufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet und ein Aufenthalt in einer Anstalt aus diesem Grunde gerechtfertigt ist.
(2) Gegen die in der Anstalt untergebrachten Entlassenen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.
(3) Bei Störung des Anstaltsbetriebes durch die Entlassenen oder aus vollzugsorganisatorischen Gründen kann die Unterbringung jederzeit beendet werden.
Teil 9
Grundversorgung und Freizeit
§ 46
Einbringen von Gegenständen
(1) Gegenstände dürfen durch oder für die Gefangenen nur mit Zustimmung der Anstalt eingebracht werden. Die Anstalt kann die Zustimmung verweigern, wenn die Gegenstände geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden oder ihre Aufbewahrung nach Art oder Umfang offensichtlich nicht möglich ist.
(2) Das Einbringen von Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln ist nicht gestattet. Der Anstaltsleiter kann eine abweichende Regelung treffen.
§ 47
Gewahrsam an Gegenständen
(1) Die Gefangenen dürfen nur Gegenstände in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihnen von der jeweiligen Anstalt oder mit deren Zustimmung überlassen werden.
(2) Ohne Erlaubnis dürfen sie Gegenstände von geringem Wert an andere Gefangene weitergeben und von anderen Gefangenen annehmen; die jeweilige Anstalt kann Abgabe und Annahme dieser Gegenstände und den Gewahrsam daran von ihrer Erlaubnis abhängig machen.
§ 48
Ausstattung des Haftraums
Die Gefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten oder diese dort aufbewahren. Gegenstände, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt, insbesondere die Übersichtlichkeit des Haftraumes, oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden, dürfen nicht in den Haftraum eingebracht werden oder werden daraus entfernt.
§ 49
Aufbewahrung und Vernichtung von Gegenständen
(1) Gegenstände, die die Gefangenen nicht im Haftraum aufbewahren dürfen oder wollen, werden von der Anstalt aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist.
(2) Den Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, ihre Gegenstände, die sie während des Vollzugs und für ihre Entlassung nicht benötigen, zu versenden. § 37 Abs. 6 gilt entsprechend.
(3) Werden eingebrachte Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, von den Gefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, können diese auf Kosten der Gefangenen aus der Anstalt entfernt, außerhalb der Anstalt verwahrt, verwertet oder vernichtet werden. Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 29 Abs. 1 und 2 des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1999 (SächsGVBl. S. 466), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 890) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.
(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.
§ 50
Zeitungen und Zeitschriften,
religiöse Schriften und Gegenstände
(1) Die Gefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind lediglich Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben können den Gefangenen vorenthalten oder entzogen werden, wenn deren Inhalte die Erreichung des Vollzugsziels oder die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erheblich gefährden würden.
(2) Die Gefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften und in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen den Gefangenen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.
§ 51
Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik
(1) Der Zugang zum Rundfunk ist zu ermöglichen. Der Zugang zum Rundfunk kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.
(2) Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte werden zugelassen, wenn nicht Gründe des § 48 Satz 2 entgegenstehen oder in der Anstalt Mietgeräte oder ein Haftraummediensystem zur Verfügung gestellt werden. Ein Ausschluss eigener Geräte nach Satz 1 Alternative 2 und 3 setzt zudem voraus, dass den Gefangenen für den Zugang zu einer Grundversorgung mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk keine Kosten für die Zurverfügungstellung der Geräte berechnet werden. Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter den Voraussetzungen von Satz 1 zugelassen werden. § 36 bleibt unberührt.
(3) Die Anstalt kann die Bereitstellung und den Betrieb von Empfangsanlagen, die Bereitstellung, Vermietung oder Ausgabe von Hörfunk- und Fernsehgeräten sowie von anderen Geräten der Informations- und Unterhaltungselektronik einem Dritten gestatten oder übertragen.
§ 52
Kleidung
(1) Die Gefangenen tragen Anstaltskleidung oder eigene Kleidung. Näheres regelt der Anstaltsleiter.
(2) Für Reinigung und Instandsetzung eigener Kleidung haben die Gefangenen auf ihre Kosten zu sorgen.
§ 53
Verpflegung und Einkauf
(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung hat den Anforderungen an eine gesunde Ernährung zu entsprechen. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Es soll den Gefangenen ermöglicht werden, Gebote ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft zu befolgen.
(2) Den Gefangenen wird ermöglicht einzukaufen. Die Anstalt wirkt auf ein Angebot hin, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt. Das Verfahren des Einkaufs regelt der Anstaltsleiter. Nahrungs-, Genuss- oder Körperpflegemittel können nur vom Haus- und Taschengeld, andere Gegenstände in angemessenem Umfang auch vom Eigengeld eingekauft werden.
(3) Den Gefangenen kann dreimal im Jahr ein weiterer Einkauf von Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln in angemessener Höhe gestattet werden. Dazu können die Gefangenen Eigengeld verwenden. Dritten kann gestattet werden, zum Zwecke des Einkaufs nach Satz 1 Geld auf das Hausgeldkonto der Gefangenen einzuzahlen.
§ 54
Freizeit
(1) Zur Ausgestaltung der Freizeit hat die Anstalt insbesondere Angebote zur sportlichen und kulturellen Betätigung sowie Bildungsangebote vorzuhalten. Die Anstalt stellt eine angemessen ausgestattete Bücherei zur Verfügung.
(2) Die Gefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten.
Teil 10
Vergütung, Gelder der Gefangenen und Kosten
§ 55
Vergütung
(1) Die Gefangenen erhalten eine Vergütung in Form von
- 1.
- finanzieller Anerkennung für die Teilnahme an Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 bis 10 und Satz 2, soweit sie nach § 9 Abs. 2 Satz 1 für zwingend erforderlich erachtet wurden oder Teil des Behandlungsprogramms der sozialtherapeutischen Abteilung sind und die Gefangenen wegen der Teilnahme an diesen Maßnahmen keine nach den Nummern 2 oder 3 vergütete Maßnahme oder Arbeit ausüben können,
- 2.
- Ausbildungsbeihilfe für die Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 oder
- 3.
- Arbeitsentgelt für arbeitstherapeutische Maßnahmen oder Arbeitstraining nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 oder für Arbeit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13.
(2) Der Bemessung der Vergütung sind neun Prozent der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973, 2011 I S. 363), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2651) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der 250. Teil der Eckvergütung; die Vergütung kann nach einem Stundensatz bemessen werden.
(3) Die Vergütung kann je nach Art der Maßnahme und Leistung der Gefangenen gestuft werden. Sie beträgt mindestens 60 Prozent der Eckvergütung. Das Staatsministerium der Justiz wird ermächtigt, eine Rechtsverordnung über die Vergütungsstufen nach Satz 1 zu erlassen.
(4) Soweit Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann vom Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Vergütung als Arbeitnehmer erhielten.
(5) Die Höhe der Vergütung ist den Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.
(6) Die Gefangenen, die an einer Maßnahme nach § 21 teilnehmen, erhalten hierfür nur eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt besteht, die außerhalb des Vollzugs aus solchem Anlass gewährt werden.
§ 56
Eigengeld
(1) Das Eigengeld besteht aus den Beträgen, die die Gefangenen bei Strafantritt in die Anstalt mitbringen und die sie während der Haftzeit erhalten, und den Teilen der Vergütung, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden.
(2) Die Gefangenen können über das Eigengeld verfügen, soweit dieses nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist. § 53 Abs. 2 und 3, §§ 59 und 60 bleiben unberührt.
§ 57
Taschengeld
(1) Gefangenen, die ohne eigenes Verschulden nicht über ausreichendes Arbeitsentgelt oder über ausreichende Ausbildungsbeihilfe verfügen, wird auf Antrag ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind. Bedürftig sind Gefangene, soweit ihnen im laufenden Monat aus Hausgeld nach § 59 und Eigengeld nach § 56 nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes zur Verfügung steht. Finanzielle Anerkennungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 bleiben bis zur Höhe des Taschengeldbetrages unberücksichtigt.
(2) Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung nach § 55 Abs. 2. Es kann insbesondere im ersten Monat des Vollzugs im Voraus gewährt werden. Gehen den Gefangenen im Falle der Vorauszahlung im Laufe des Monats Gelder zu, wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.
(3) Der Anspruch auf Taschengeld kann für die Dauer von bis zu drei Monaten entfallen, wenn den Gefangenen ein Betrag nach Absatz 1 Satz 2 deshalb nicht zur Verfügung steht, weil sie eine ihnen angebotene zumutbare Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahme nicht angenommen haben oder eine ausgeübte Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahme verschuldet verloren haben.
(4) Die Gefangenen dürfen über das Taschengeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Es wird dem Hausgeldkonto gutgeschrieben.
(5) Leisten Gefangene gemeinnützige Arbeit, kann das Taschengeld angemessen erhöht werden.
§ 58
Konten, Bargeld
(1) Gelder der Gefangenen werden auf Hausgeld- und Eigengeldkonten in der Anstalt geführt.
(2) Der Besitz von Bargeld in der Anstalt ist den Gefangenen nicht gestattet. Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter.
(3) Geld in Fremdwährung wird zur Habe genommen.
§ 59
Hausgeld
(1) Das Hausgeld wird aus sechs Zehnteln der in diesem Gesetz geregelten Vergütung gebildet.
(2) Für Gefangene, die aus einem freien Beschäftigungsverhältnis, aus einer Selbstbeschäftigung oder anderweitig regelmäßige Einkünfte haben, wird daraus ein angemessenes monatliches Hausgeld festgesetzt.
(3) Für Gefangene, die über Eigengeld nach § 56 verfügen und keine hinreichende Vergütung nach diesem Gesetz erhalten, gilt Absatz 2 entsprechend.
(4) Die Gefangenen dürfen über das Hausgeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.
§ 60
Zweckgebundene Einzahlungen
Für Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere Kosten der Gesundheitsfürsorge und der Aus- und Fortbildung, und für Maßnahmen der Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich Lockerungen, kann zweckgebunden Geld eingezahlt werden. Das Geld darf nur für diese Zwecke verwendet werden. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.
§ 61
Haftkostenbeitrag, Kostenbeteiligung
(1) Die Anstalt erhebt von Gefangenen, die sich in einem freien Beschäftigungsverhältnis befinden, sich selbst beschäftigen oder über anderweitige regelmäßige Einkünfte verfügen, für diese Zeit einen Haftkostenbeitrag. Von Gefangenen, die sich selbst beschäftigen, kann der Haftkostenbeitrag monatlich im Voraus ganz oder teilweise gefordert werden. Vergütungen nach § 55 Abs. 1 bleiben unberücksichtigt. Den Gefangenen muss täglich ein Tagessatz gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 verbleiben. Von der Geltendmachung des Anspruchs ist abzusehen, soweit die Wiedereingliederung der Gefangenen hierdurch gefährdet würde.
(2) Der Haftkostenbeitrag wird in Höhe des Betrages erhoben, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Bei Selbstverpflegung entfallen die für die Verpflegung vorgesehenen Beträge. Für den Wert der Unterkunft ist die festgesetzte Belegungsfähigkeit maßgebend.
(3) Die Gefangenen können an den Betriebskosten der in ihrem Gewahrsam befindlichen Geräte beteiligt werden.
§ 62
Überbrückungsgeld
(1) Den Gefangenen kann gestattet werden, ein Überbrückungsgeld in der Höhe zu bilden, die zur Vorbereitung der Entlassung erforderlich ist. Über diese Möglichkeit sind die Gefangenen frühzeitig zu informieren. Einmal gebildetes Überbrückungsgeld darf nur gemäß den Absätzen 2 und 3 verwendet werden.
(2) Das Überbrückungsgeld wird den Gefangenen so zur Verfügung gestellt, dass sie darüber vor der Entlassung für Ausgaben zur Entlassungsvorbereitung verfügen können. Das Überbrückungsgeld kann auch in Anspruch genommen werden, um die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden.
(3) Der Anstaltsleiter soll gestatten, dass Gefangene das Überbrückungsgeld zur Entschädigung von Opfern ihrer Straftaten in Anspruch nehmen können.
Teil 11
Gesundheitsfürsorge
§ 63
Art und Umfang der medizinischen Leistungen, Kostenbeteiligung
(1) Die Gefangenen haben einen Anspruch auf notwendige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit nach dem allgemeinen Standard der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch umfasst auch Vorsorgeleistungen, ferner die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln, soweit diese mit Rücksicht auf die Dauer des Freiheitsentzugs nicht ungerechtfertigt ist und die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.
(2) An den Kosten nach Absatz 1 können die Gefangenen in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter. Für Leistungen, die über Absatz 1 hinausgehen, können den Gefangenen die gesamten Kosten auferlegt werden.
(3) Erhalten Gefangene Leistungen nach Absatz 1 infolge einer mutwilligen Selbstverletzung, sind sie in angemessenem Umfang an den Kosten zu beteiligen. Die Kostenbeteiligung unterbleibt, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung der Gefangenen, gefährdet würde.
§ 64
Durchführung der medizinischen Leistungen, Forderungsübergang
(1) Medizinische Diagnose, Behandlung und Versorgung kranker und hilfsbedürftiger Gefangener erfolgen in der Anstalt, erforderlichenfalls in einer hierfür besser geeigneten Anstalt oder einem Vollzugskrankenhaus, ausnahmsweise auch außerhalb des Vollzugs.
(2) Wird die Strafvollstreckung während einer Behandlung von Gefangenen unterbrochen oder beendet, hat der Freistaat Sachsen nur diejenigen Kosten zu tragen, die bis zur Unterbrechung oder Beendigung der Strafvollstreckung angefallen sind.
(3) Gesetzliche Schadensersatzansprüche, die Gefangenen infolge einer Körperverletzung gegen Dritte zustehen, gehen insoweit auf das Land über, als den Gefangenen Leistungen nach § 63 Abs. 1 zu gewähren sind. Von der Geltendmachung der Ansprüche ist im Interesse Gefangener abzusehen, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung, gefährdet würde.
§ 65
Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung
Mit Zustimmung der Gefangenen soll die Anstalt ärztliche Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen, durchführen lassen, die die soziale Eingliederung fördern. Die Kosten tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
§ 66
Gesundheitsschutz und Hygiene
(1) Die Anstalt unterstützt die Gefangenen bei der Wiederherstellung oder Erhaltung ihrer Gesundheit. Sie fördert das Bewusstsein für gesunde Ernährung und Lebensführung. Die Gefangenen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.
(2) Den Gefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.
(3) Der Nichtraucherschutz ist angemessen zu gewährleisten.
§ 67
Krankenbehandlung während Lockerungen
(1) Während Lockerungen oder des Vollzugs in freien Formen haben die Gefangenen einen Anspruch auf medizinische Leistungen gegen den Freistaat Sachsen in der Regel nur in der für sie zuständigen Anstalt. § 39 bleibt unberührt.
(2) Der Anspruch auf Leistungen ruht, solange die Gefangenen aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind.
§ 68
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sind ohne Einwilligung der Gefangenen zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuchs zu verhindern. Gleiches gilt für eine zwangsweise Ernährung, wenn die Gefangenen mit dem Ziel der Selbsttötung die Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme verweigern. Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von Gefangenen eine Gefahr für die Gesundheit anderer Personen ausgeht.
(2) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise auch bei einer Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der Gefangenen zulässig, wenn die Gefangenen auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können und eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahmen gerichtet sind, der Anstalt nicht vorliegt.
(3) Zwangsmaßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur angeordnet werden, wenn
- 1.
- erfolglos versucht worden ist, das auf Vertrauen gegründete Einverständnis der Gefangenen zu der Untersuchung, Behandlung oder Ernährung zu erwirken,
- 2.
- die Gefangenen über Notwendigkeit, Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen durch einen Arzt aufgeklärt wurden,
- 3.
- die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefahr geeignet und erforderlich sowie nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit der Gefangenen verbunden sind und
- 4.
- der zu erwartende Nutzen der Maßnahmen nicht außer Verhältnis zum Behandlungsrisiko steht und den möglichen Schaden der Nichtbehandlung deutlich überwiegt.
(4) Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung Erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar ist und die Gefahr nach Absatz 1 oder Absatz 2 unmittelbar bevorsteht. Die Anordnung bedarf der Zustimmung des Anstaltsleiters. Die Verteidiger der Gefangenen sind unverzüglich zu benachrichtigen. Die Gründe und die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2, die ergriffenen Maßnahmen einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.
(5) Anordnungen von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 sind den Gefangenen unverzüglich bekannt zu geben. Sie sind darüber zu belehren, dass sie gegen die Anordnung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen können. Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zu warten, bis die Gefangenen Gelegenheit hatten, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
(6) Bei Gefahr im Verzug finden die Bestimmungen in Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 Satz 2 sowie Absatz 5 keine Anwendung. Die Voraussetzungen nach Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 Satz 1 bis 3 sowie Absatz 5 Satz 2 sind unverzüglich nachzuholen.
(7) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Fall der Absätze 1 und 2 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Sie bedarf der Anordnung eines Arztes und ist unter dessen Leitung durchzuführen.
§ 69
Benachrichtigungspflicht
Erkranken Gefangene schwer oder versterben sie, werden die nahen Angehörigen in der Regel unverzüglich benachrichtigt. Dem Wunsch der Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.
Teil 12
Religionsausübung
§ 70
Seelsorge
Den Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger in Verbindung zu treten.
§ 71
Religiöse Veranstaltungen
(1) Die Gefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.
(2) Die Zulassung zu Gottesdiensten oder religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers dieser Religionsgemeinschaft.
(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.
§ 72
Weltanschauungsgemeinschaften
Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die § 50 Abs. 2, §§ 70 und 71 entsprechend.
Teil 13
Sicherheit und Ordnung
§ 73
Grundsatz
(1) Sicherheit und Ordnung in der Anstalt bilden die Grundlage des auf die Erreichung des Vollzugsziels ausgerichteten Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.
(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt auferlegt werden, müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen die Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.
§ 74
Allgemeine Verhaltenspflichten
(1) Die Gefangenen sind für das geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. Ihr Bewusstsein hierfür ist zu entwickeln und zu stärken. Die Gefangenen sind zu einvernehmlicher Streitbeilegung zu befähigen.
(2) Die Gefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.
(3) Die Gefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.
(4) Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.
§ 75
Durchsuchung
(1) Die Gefangenen, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.
(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nicht in Gegenwart von Frauen, bei weiblichen Gefangenen nicht in Gegenwart von Männern erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Anstaltsleiter allgemein anordnen, dass bei der Aufnahme der Gefangenen, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder unbeaufsichtigten Abwesenheit von der Anstalt in der Regel eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen ist. Dies gilt nicht bei Kontakten mit den in § 28 Abs. 5 genannten Besuchern.
(4) Die Anordnung nach Absatz 2 ist zu begründen. Durchführung und Ergebnis der Durchsuchungen nach den Absätzen 2 und 3 sind aktenkundig zu machen.
§ 76
Sichere Unterbringung
Gefangene können in eine Anstalt verlegt werden, die zu ihrer sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung oder Befreiung gegeben ist oder sonst ihr Verhalten oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt darstellt.
§ 77
Erkennungsdienstliche Maßnahmen
(1) Zur Sicherung des Vollzugs, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt oder zur Identitätsfeststellung sind mit Kenntnis des Gefangenen zulässig:
- 1.
- die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
- 2.
- die Aufnahme von Lichtbildern,
- 3.
- die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale und
- 4.
- Messungen.
(2) Die hierbei gewonnenen Unterlagen oder Daten werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen oder in personenbezogenen Dateien gespeichert. Sie dürfen an die Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder oder Staatsanwaltschaften übermittelt werden, soweit dies für die in Absatz 1, § 82 Abs. 2 und § 96 Abs. 2 Nr. 4 genannten Zwecke erforderlich ist. Sie dürfen ferner an Ausländerbehörden übermittelt werden, soweit dies für die in § 96 Absatz 4 Satz 1 Nummer 7 genannten Zwecke erforderlich ist.
(3) Die Unterlagen und Daten sind zu vernichten, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung, die dem Vollzug zugrunde gelegen hat, abgeschlossen ist.
§ 78
Lichtbildausweise
Die Anstalt kann die Gefangenen verpflichten, einen Lichtbildausweis mit sich zu führen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. Dieser ist bei der Entlassung oder bei der Verlegung in eine andere Anstalt einzuziehen und zu vernichten.
§ 79
Videoüberwachung
(1) Die optische Überwachung des Anstaltsgebäudes einschließlich des Gebäudeinneren, des Anstaltsgeländes und der unmittelbaren Umgebung der Anstalt mit technischen Mitteln (Videoüberwachung) sowie die Anfertigung von Aufzeichnungen hiervon sind zulässig, wenn dies für die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. Gleiches gilt für die Beobachtung während des Gefangenentransports. Die Videoüberwachung von Hafträumen ist ausgeschlossen, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Auf die Videoüberwachung und die Anfertigung von Videoaufzeichnungen ist durch geeignete Maßnahmen hinzuweisen. Sie dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. § 28 Abs. 2 Satz 4 bleibt unberührt.
(3) Von einer Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 96 Abs. 2 sind die Betroffenen zu benachrichtigen, sofern sie nicht auf andere Weise davon Kenntnis erlangt haben oder die Benachrichtigung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Sie kann unterbleiben, solange sie den Zweck der Maßnahme vereiteln würde.
(4) Die personenbezogenen Daten sind einen Monat nach ihrer Erhebung zu löschen, sofern nicht ihre Speicherung zu den in § 96 Abs. 2 genannten Zwecken weiterhin erforderlich ist. Sie sind unverzüglich zu löschen, soweit schutzwürdige Belange der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.
§ 80
Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch
(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen, insbesondere den Einsatz geeigneter technischer Verfahren und technischer Mittel, zum Nachweis des Konsums von Suchtmitteln anordnen, um deren Gebrauch festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein. Abweichend von Satz 2 sind Speicheltests unter Nutzung eines Mundschleimhautabstrichs zulässig. Die den Gefangenen entnommenen Körperzellen dürfen nur für Zwecke der der Entnahme zugrundeliegenden Maßnahme verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.
(2) Verweigern Gefangene die Mitwirkung an Maßnahmen nach Absatz 1 ohne hinreichenden Grund, ist davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.
(3) Wird verbotener Suchtmittelgebrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahmen den Gefangenen auferlegt werden.
§ 81
Auslesen von Datenspeichern
(1) Der Anstaltsleiter kann das Auslesen von Datenspeichern schriftlich anordnen, die Gefangene ohne Erlaubnis besitzen, soweit dies zur Erreichung des Vollzugsziels, zum Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten der Gefangenen, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder zur Sicherung des Vollzugs erforderlich ist. Die Gefangenen sind bei der Aufnahme über die Möglichkeit des Auslesens von Datenspeichern zu belehren.
(2) Die beim Auslesen erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit dies zu den in Absatz 1 genannten Zwecken erforderlich ist. Sie dürfen nicht weiter verarbeitet werden, soweit sie zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Gefangener oder Dritter gehören.
(3) Die beim Auslesen erhobenen personenbezogenen Daten sind unverzüglich zu löschen, soweit eine Verarbeitung nach Absatz 2 unzulässig ist. Die übrigen personenbezogenen Daten sind spätestens 72 Stunden nach dem Ende des Auslesens zu löschen, soweit nicht die weitere Aufbewahrung im Einzelfall zu Beweiszwecken unerlässlich ist.
§ 82
Festnahmerecht
(1) Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden. Führt die Verfolgung oder die von der Anstalt veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, sind die weiteren Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.
(2) Nach § 77 Abs. 1, § 96 Abs. 1 und § 97 erhobene und zur Identifizierung oder Festnahme erforderliche Daten dürfen den Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, soweit dies für Zwecke der Fahndung und Festnahme der entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltenden Gefangenen erforderlich ist.
§ 83
Besondere Sicherungsmaßnahmen
(1) Gegen Gefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.
(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:
- 1.
- der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
- 2.
- die Beobachtung der Gefangenen, auch mit optisch-technischen Hilfsmitteln in dafür vorgesehenen Hafträumen,
- 3.
- die Trennung von allen anderen Gefangenen (Absonderung),
- 4.
- die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
- 5.
- die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
- 6.
- die Fesselung.
(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1 und 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann. Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 1 und 3 sind darüber hinaus auch zulässig, wenn Gefangene bei anderen Personen auf Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3a des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes vom 16. Oktober 1992 (SächsGVBl. S. 459), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 890) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, hinwirken.
(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person der Gefangenen liegenden Gefahr unerlässlich ist.
(5) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse der Gefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.
(6) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn eine Gefahr der Entweichung besteht, die das nach Absatz 1 erforderliche Maß nicht erreicht.
§ 84
Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren
(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.
(2) Werden die Gefangenen ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der besonderen Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.
(3) Die Entscheidung wird den Gefangenen mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst. Dies gilt nicht für die Fälle des § 83 Abs. 6.
(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.
(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 83 Abs. 2 Nr. 3, 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde und auf Antrag des Gefangenen seinem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als 48 Stunden aufrechterhalten werden. Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum von jeweils mehr als 20 Tagen Gesamtdauer innerhalb von zwölf Monaten bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.
(6) Während der Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum sind die Gefangenen in besonderem Maße zu betreuen. Sind die Gefangenen darüber hinaus gefesselt, sind sie durch einen Bediensteten ständig und in unmittelbarem Sichtkontakt zu beobachten.
§ 84a
Einsatz optisch-technischer Hilfsmittel zur Beobachtung
(1) Der Aufsichtsbehörde und auf Antrag des Gefangenen seinem Verteidiger ist die Beobachtung mit optisch-technischen Hilfsmitteln nach § 83 Absatz 2 Nummer 2 unverzüglich mitzuteilen, wenn diese länger als 24 Stunden aufrechterhalten wird. Vor der Durchführung der optisch-technischen Beobachtung ist der Gefangene in geeigneter Weise darüber zu informieren. Es ist sicherzustellen, dass für den Gefangenen die Durchführung der optisch-technischen Beobachtung erkennbar ist. Das Schamgefühl ist zu schonen. Die Beobachtung weiblicher Gefangener soll durch weibliche Bedienstete und die Beobachtung männlicher Gefangener soll durch männliche Bedienstete erfolgen.
(2) Die mittels optisch-technischer Hilfsmittel zulässig erhobenen Daten dürfen nur gespeichert werden (Videoaufzeichnung), wenn dies zur Erreichung des die Erhebung gestattenden Zwecks erforderlich ist. Die Daten sind spätestens nach 72 Stunden zu löschen. Eine Speicherung darüber hinaus ist nur zulässig, soweit und solange dies zur Verfolgung einer Straftat erforderlich ist.
§ 85
Ärztliche Überwachung
(1) Sind die Gefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt, sucht sie der Arzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes sowie bei Bewegungen innerhalb der Anstalt.
(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, sobald die Gefangenen länger als 24 Stunden abgesondert sind.
Teil 14
Unmittelbarer Zwang
§ 86
Begriffsbestimmungen
(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen.
(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.
(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln.
(4) Waffen sind die von der Aufsichtsbehörde zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.
§ 87
Allgemeine Voraussetzungen
(1) Soweit es zur Durchführung von Vollzugs- oder Sicherungsmaßnahmen erforderlich ist, dürfen Bedienstete unmittelbaren Zwang anwenden. Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.
(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.
§ 88
Androhung
Unmittelbarer Zwang ist anzudrohen. Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.
§ 89
Schusswaffengebrauch
(1) Der Gebrauch von Schusswaffen durch Bedienstete ist innerhalb der Anstalt verboten. Das Recht zum Schusswaffengebrauch aufgrund anderer Vorschriften durch Polizeivollzugsbedienstete bleibt davon unberührt.
(2) Außerhalb der Anstalt dürfen Schusswaffen nur bei Gefangenentransporten sowie Aus- und Vorführungen von den dazu bestimmten Bediensteten nach Maßgabe der folgenden Absätze gebraucht werden. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.
(3) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann.
(4) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
(5) Gegen Gefangene dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden,
- 1.
- wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
- 2.
- wenn sie eine Meuterei (§ 121 des Strafgesetzbuches) unternehmen oder
- 3.
- um ihre Entweichung zu vereiteln,
und nur, um sie angriffs- oder fluchtunfähig zu machen.
(6) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien und nur, um sie angriffsunfähig zu machen.
Teil 15
Disziplinarverfahren
§ 90
Disziplinarmaßnahmen
(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn die Gefangenen rechtswidrig und schuldhaft
- 1.
- andere Personen verbal oder tätlich angreifen,
- 2.
- Lebensmittel oder fremde Sachen zerstören oder beschädigen,
- 3.
- in sonstiger Weise gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
- 4.
- verbotene Gegenstände in die Anstalt einbringen, sich an deren Einbringung beteiligen, sie besitzen oder weitergeben,
- 5.
- unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe konsumieren,
- 6.
- entweichen oder zu entweichen versuchen,
- 7.
- gegen Weisungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lockerungen verstoßen oder
- 8.
- wiederholt oder schwerwiegend gegen sonstige Pflichten verstoßen, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, und dadurch das geordnete Zusammenleben in der Anstalt stören.
(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind
- 1.
- der Verweis,
- 2.
- die Beschränkung oder der Entzug des Fernsehempfangs bis zu drei Monaten,
- 3.
- die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs bis zu drei Monaten,
- 4.
- die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu drei Monaten,
- 5.
- die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten,
- 6.
- die Kürzung des Arbeitsentgelts um zehn Prozent bis zu drei Monaten,
- 7.
- der Entzug der übertragenen Arbeit bis zu vier Wochen und
- 8.
- die disziplinarische Trennung von bis zu zwei Wochen.
(3) Eine disziplinarische Trennung darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.
(4) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.
(5) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.
§ 91
Vollstreckung der Disziplinarmaßnahmen,
Aussetzung zur Bewährung
(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Die Vollstreckung ist auszusetzen, soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.
(2) Für die Dauer der disziplinarischen Trennung werden die Gefangenen getrennt von anderen Gefangenen untergebracht. Sie können in einem besonderen Haftraum untergebracht werden. Dieser muss den Anforderungen entsprechen, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen zur Teilnahme an Maßnahmen außerhalb des Raumes, in dem die disziplinarische Trennung vollstreckt wird, und die Befugnisse zur Ausstattung des Haftraums mit eigenen Gegenständen, zum Fernsehempfang und zum Einkauf. Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. Die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.
(3) Bevor eine disziplinarische Trennung vollstreckt wird, ist ein Arzt zu hören. Während der disziplinarischen Trennung stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Die Vollstreckung unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der Gefangenen gefährdet würde.
(4) Die Verhängung einer disziplinarischen Trennung ist der Aufsichtsbehörde und auf Antrag der Gefangenen ihrem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen, wenn diese länger als 48 Stunden vollstreckt wird.
(5) Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann mit Auflagen oder Weisungen verbunden werden. Sie kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Gefangenen die ihr zugrundeliegenden Erwartungen nicht erfüllen.
(6) Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt oder entzogen, wird der vorenthaltene Betrag dem Eigengeld gutgeschrieben.
§ 92
Disziplinarbefugnis
(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist der Leiter der Bestimmungsanstalt zuständig.
(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.
(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen die Gefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 91 Absatz 5 gilt entsprechend.
§ 93
Verfahren
(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Hierbei sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Die betroffenen Gefangenen werden gehört. Sie werden darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihnen zur Last gelegt werden. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht sich zu äußern. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der Gefangenen wird vermerkt.
(2) In geeigneten Fällen können zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib im Haftraum in Betracht. Erfüllen die Gefangenen die Vereinbarung, ist die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme aufgrund dieser Verfehlung unzulässig.
(3) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.
(4) Bei schweren Verfehlungen soll sich der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die maßgeblich an der Vollzugsgestaltung mitwirken. Auf Antrag der Gefangenen sind ihre Verteidiger zu benachrichtigen.
(5) Vor der Anordnung von schwerwiegenden Disziplinarmaßnahmen gegen Schwangere, stillende Mütter oder bei Gefangenen, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, ist ein Arzt zu hören.
(6) Vor der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme erhalten die Gefangenen Gelegenheit, sich zu dem Ergebnis der Ermittlungen und der beabsichtigten Disziplinarmaßnahme zu äußern. Die Entscheidung wird den Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.
Teil 16
Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerde
§ 94
Aufhebung von Maßnahmen
(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs richtet sich nach den Absätzen 2 bis 4, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.
(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft zurückgenommen werden.
(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn
- 1.
- aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten versagt oder die Anordnungen hätten unterlassen werden können,
- 2.
- die Maßnahmen missbraucht werden oder
- 3.
- Weisungen nicht befolgt werden.
(4) Begünstigende Maßnahmen dürfen nach Absatz 2 oder 3 nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn eine Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit in der Anstalt zu gewährleisten.
(5) Der gerichtliche Rechtsschutz bleibt unberührt.
§ 95
Beschwerderecht
(1) Die Gefangenen erhalten Gelegenheit, sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden an den Anstaltsleiter zu wenden.
(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Gefangenen sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.
(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.
Teil 17
Aktenführung und Datenschutz
§ 96
Verarbeitung
(1) Die Anstalt und die Aufsichtsbehörde dürfen personenbezogene Daten verarbeiten, soweit dies für die ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben erforderlich ist.
(2) Die Verarbeitung personenbezogener Daten für andere Zwecke ist zulässig, soweit dies
- 1.
- zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen
- a)
- gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,
- b)
- eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder
- c)
- auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
- 2.
- zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
- 3.
- zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person,
- 4.
- zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie zur Verhinderung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung in einer Anstalt gefährdet werden oder
- 5.
- für Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen
erforderlich ist.
(3) Eine Verarbeitung für andere Zwecke liegt nicht vor, soweit sie dem gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz oder den in § 13 Abs. 3 des Sächsischen Datenschutzgesetzes vom 25. August 2003 (SächsGVBl. S. 330), das zuletzt durch Artikel 46 des Gesetzes vom 26. April 2018 (SächsGVBl. S. 198) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, genannten Zwecken dient.
(4) Über die in den Absätzen 1 und 2 geregelten Zwecke hinaus dürfen zuständigen öffentlichen Stellen personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit dies für
- 1.
- die Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht oder forensischen Ambulanzen,
- 2.
- Entscheidungen in Gnadensachen,
- 3.
- gesetzlich angeordnete Statistiken der Rechtspflege,
- 4.
- sozialrechtliche Maßnahmen,
- 5.
- die Einleitung von Hilfsmaßnahmen für Angehörige der Gefangenen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches,
- 6.
- dienstliche Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Aufnahme und Entlassung von Soldaten,
- 7.
- ausländerrechtliche Maßnahmen oder
- 8.
- die Durchführung der Besteuerung
erforderlich ist. Eine Übermittlung für andere Zwecke ist auch zulässig, soweit eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf personenbezogene Daten über Gefangene bezieht.
(5) Öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen hat die Anstalt oder die Aufsichtsbehörde auf schriftlichen Antrag mitzuteilen, ob sich eine Person in Haft befindet sowie ob und wann ihre Entlassung voraussichtlich innerhalb eines Jahres bevorsteht und wie die Entlassungsadresse lautet, soweit
- 1.
- die Mitteilung zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der öffentlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist oder
- 2.
- von nicht öffentlichen Stellen ein berechtigtes Interesse an dieser Mitteilung glaubhaft dargelegt wird und die Gefangenen kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung haben.
Den Verletzten einer Straftat sowie deren Rechtsnachfolgern können darüber hinaus auf schriftlichen Antrag Auskünfte über die Entlassungsadresse oder die Vermögensverhältnisse von Gefangenen erteilt werden, wenn die Erteilung zur Feststellung oder Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich ist. Die Gefangenen werden vor der Mitteilung gehört, es sei denn, es ist zu besorgen, dass dadurch die Verfolgung der Interessen der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde, und eine Abwägung ergibt, dass diese Interessen der Antragsteller die Interessen der Gefangenen an ihrer vorherigen Anhörung überwiegen. Ist die Anhörung unterblieben, werden die betroffenen Gefangenen über die Mitteilung der Anstalt nachträglich unterrichtet. Den Verletzten einer Straftat ist auf schriftlichen Antrag Auskunft über die Unterbringung der Gefangenen im offenen Vollzug, die Gewährung von Lockerungen des Vollzugs und von Weisungen nach § 40 Satz 2 zu erteilen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen und kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Gefangenen am Ausschluss der Mitteilung vorliegt. Der Darlegung eines berechtigten Interesses bedarf es nicht, wenn der Verletzte Opfer einer Straftat war, für die in den in § 395 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 der Strafprozessordnung genannten Fällen die Möglichkeit der Erhebung der Nebenklage besteht sowie in den Fällen des § 395 Abs. 3 der Strafprozessordnung.
(6) Bei der Überwachung der Besuche oder des Schriftwechsels sowie bei der Überwachung des Inhaltes von Paketen bekannt gewordene personenbezogene Daten dürfen nur für die in Absatz 2 aufgeführten Zwecke, für den gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit diesem Gesetz und im Rahmen außerordentlicher Rechtsbehelfsverfahren, zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt oder nach Anhörung der Gefangenen zur Erreichung des Vollzugsziels verarbeitet werden.
(7) Die Übermittlung von personenbezogenen Daten unterbleibt, soweit die in § 98 Abs. 2 und § 101 Abs. 2 sowie 4 geregelten Einschränkungen oder besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.
(8) § 14 Abs. 2 des Sächsischen Datenschutzgesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Übermittlung auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle die Anstalt auch prüft, ob die Absätze 6 und 7 sowie § 97 Abs. 3 der Übermittlung entgegenstehen.
§ 97
Datenerhebung
(1) Personenbezogene Daten sind bei den Betroffenen zu erheben. Für die Erhebung ohne Mitwirkung der Betroffenen, die Erhebung bei anderen Personen oder Stellen und für die Hinweis- und Aufklärungspflichten gilt § 12 Abs. 3 bis 5 des Sächsischen Datenschutzgesetzes.
(2) Daten über Dritte dürfen ohne ihre Kenntnis bei Personen oder Stellen außerhalb der Anstalt nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 und nur soweit erhoben werden, wie dies für die Erreichung des Vollzugsziels der Gefangenen, die Sicherheit in der Anstalt oder die Sicherung des Vollzugs unerlässlich ist und die Art der Erhebung schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt.
(3) Personenbezogene Daten, die gemäß Absatz 2 über Dritte erhoben worden sind, dürfen nur zur Erfüllung des Erhebungszweckes oder für die in § 96 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 geregelten Zwecke verarbeitet werden.
(4) Über eine ohne ihre Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten werden die Betroffenen unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit der in § 96 Abs. 1 genannte Zweck dadurch nicht gefährdet wird. Sind die Daten bei anderen Personen oder Stellen erhoben worden, kann die Unterrichtung unterbleiben, soweit
- 1.
- die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder wegen des überwiegenden berechtigten Interesses von Dritten geheim gehalten werden müssen oder
- 2.
- der Aufwand der Unterrichtung außer Verhältnis zum Schutzzweck steht und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden.
(5) Im Rahmen der Bemühungen, beim Gefangenen Einsicht in die beim Opfer verursachten Tatfolgen zu wecken, dürfen weitere Daten über das Opfer nicht erhoben werden.
§ 98
Schutz besonderer Daten
(1) Mit Ausnahme des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses und personenbezogener Daten von Gefangenen, die anlässlich ärztlicher Untersuchungen erhoben worden sind, dürfen Daten von Gefangenen in der Anstalt allgemein kenntlich gemacht werden, soweit dies für ein geordnetes Zusammenleben erforderlich ist; § 96 Abs. 6 und 7 sowie § 97 Abs. 3 bleiben unberührt.
(2) Personenbezogene Daten, die
- 1.
- Ärzten, Zahnärzten oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
- 2.
- Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung oder
- 3.
- staatlich anerkannten Sozialarbeitern oder staatlich anerkannten Sozialpädagogen
von Gefangenen als Geheimnis anvertraut oder über Gefangene sonst bekannt geworden sind, unterliegen auch gegenüber der Anstalt und der Aufsichtsbehörde der Schweigepflicht. Die in Satz 1 genannten Personen haben sich gegenüber dem Anstaltsleiter zu offenbaren, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Anstalt oder der Aufsichtsbehörde oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben von Gefangenen oder Dritten erforderlich ist. Die in Satz 1 genannten Personen sind gegenüber dem Anstaltsleiter zur Offenbarung ihnen im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfürsorge bekannt gewordenen Geheimnisse befugt, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Anstalt oder der Aufsichtsbehörde unerlässlich oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. Sonstige Offenbarungsbefugnisse und -pflichten bleiben unberührt. Die Gefangenen sind vor der Erhebung über die nach den Sätzen 2 und 3 bestehenden Offenbarungsbefugnisse zu unterrichten.
(3) Die nach Absatz 2 offenbarten Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie offenbart wurden oder für den eine Offenbarung zulässig gewesen wäre, und nur unter denselben Voraussetzungen verarbeitet werden, unter denen eine in Absatz 2 Satz 1 genannte Person selbst hierzu befugt wäre. Der Anstaltsleiter kann unter diesen Voraussetzungen die unmittelbare Offenbarung gegenüber bestimmten Bediensteten allgemein zulassen. Warnhinweise, die keinen Rückschluss auf konkrete Erkrankungen zulassen, sind zulässig, soweit dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist.
(4) Sofern die in Absatz 2 Satz 1 genannten Personen außerhalb des Vollzugs mit der Untersuchung, Behandlung oder Betreuung von Gefangenen beauftragt werden, gilt Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass sie auch zur Unterrichtung einer in Absatz 2 Satz 1 genannten und in der Anstalt tätigen Person befugt sind.
§ 99
Zentrale Vollzugsdatei,
Einrichtung automatisierter Abrufverfahren
(1) Die nach § 96 Abs. 1 und § 97 erhobenen Daten dürfen in einer zentralen Vollzugsdatei des Freistaates Sachsen verarbeitet werden, soweit dies für Zwecke der Suizidprophylaxe, der Sicherheit oder Ordnung in einer Anstalt sowie für Zwecke der Aufsichtsbehörde erforderlich ist.
(2) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf personenbezogener Daten aus der zentralen Vollzugsdatei des Freistaates Sachsen ermöglicht, ist zulässig, soweit dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen und der Aufgaben der beteiligten Stellen angemessen ist. § 32 Absatz 2 Satz 1 des Bundeskriminalamtgesetzes vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1354), in der jeweils geltenden Fassung, bleibt unberührt.
(3) Erfolgt die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens nach Absatz 2 für eine Laufzeit von mehr als drei Monaten, hat die zentrale Vollzugsdatei des Freistaates Sachsen bei durchschnittlich jedem zehnten Abruf den Zeitpunkt, die Angaben, die die Feststellung der abgerufenen Datensätze ermöglichen, sowie die für den Abruf verantwortliche Dienststelle für Zwecke der Datenschutzkontrolle zu protokollieren. Die protokollierten Daten dürfen nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage verwendet werden, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass ohne ihre Verwendung die Verhinderung oder Verfolgung einer schwerwiegenden Straftat gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Protokolldaten sind nach sechs Monaten zu löschen. Die zentrale Vollzugsdatei des Freistaates Sachsen trifft die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach § 9 des Sächsischen Datenschutzgesetzes.
(4) Das Staatsministerium der Justiz bestimmt durch Rechtsverordnung die Einzelheiten des automatisierten Abrufverfahrens. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte ist vorher zu hören. Die Rechtsverordnung hat den Datenempfänger, die Datenart und den Zweck des Abrufs festzulegen. Sie hat Maßnahmen zur Datensicherung und zur Kontrolle vorzusehen, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen.
(5) Die Aufsichtsbehörde darf anderen Ländern und dem Bund personenbezogene Daten nach § 96 Abs. 1 bis 4 übermitteln, soweit dies im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist.
§ 100
Akten
(1) Über jeden Gefangenen wird eine Personalakte geführt (Gefangenenpersonalakte). Sie ist vertraulich zu behandeln und vor unbefugter Einsicht zu schützen.
(2) Für jeden Gefangenen sind vom Anstaltsarzt Gesundheitsakten zu führen.
(3) Über Daten im Sinne von § 98 Abs. 2, die im Rahmen einer Therapie erhoben wurden, sind Therapieakten zu führen.
(4) Gesundheitsakten und Therapieakten sind getrennt von anderen Unterlagen zu führen und besonders zu sichern.
(5) Akten mit personenbezogenen Daten dürfen nur anderen Anstalten, den zur Dienst- oder Fachaufsicht oder zu dienstlichen Weisungen befugten Stellen, den für strafvollzugs-, strafvollstreckungs- und strafrechtliche Entscheidungen zuständigen Gerichten, den Strafvollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie den Sozialen Diensten der Justiz, den Führungsaufsichtsstellen und forensischen Ambulanzen überlassen werden, soweit dies im Einzelfall zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. Entsprechendes gilt für die Überlassung von Akten an die von der Anstalt mit Gutachten beauftragten Stellen. Die Überlassung an andere öffentliche Stellen ist zulässig, soweit die Erteilung einer Auskunft einen unvertretbaren Aufwand erfordert oder nach Darlegung der Akteneinsicht begehrenden Stellen für die Erfüllung der Aufgabe nicht ausreicht.
(6) § 13 Abs. 5 des Sächsischen Datenschutzgesetzes ist entsprechend anzuwenden.
§ 101
Berichtigung, Löschung und Sperrung
(1) Die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten sind spätestens zwei Jahre nach der Entlassung der Gefangenen oder der Verlegung der Gefangenen in eine andere Anstalt zu löschen. Hiervon können bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist für die Gefangenenpersonalakte die Angaben über Familienname, Vorname, Geburtsname, Geburtstag, Geburtsort, Eintritts- und Austrittsdatum der Gefangenen ausgenommen werden, soweit dies für das Auffinden der Gefangenenpersonalakte erforderlich ist. § 77 Abs. 3 bleibt unberührt, soweit es sich um in Gefangenenpersonalakten gespeicherte Daten handelt.
(2) Personenbezogene Daten in Akten dürfen nach Ablauf von zwei Jahren seit der Entlassung der Gefangenen nur übermittelt oder genutzt werden, soweit dies
- 1.
- zur Verfolgung von Straftaten,
- 2.
- für die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben gemäß §§ 103 und 105,
- 3.
- zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder
- 4.
- zur Feststellung, Durchsetzung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit dem Vollzug
erforderlich ist. Diese Verwendungsbeschränkungen enden, wenn die Gefangenen erneut zum Vollzug aufgenommen werden oder die Betroffenen eingewilligt haben.
(3) Bei der Aufbewahrung von Akten mit nach Absatz 2 gesperrten Daten darf für Gefangenenpersonalakten, Gesundheitsakten und Therapieakten sowie für Gefangenenbücher eine Frist von 30 Jahren nicht überschritten werden. Dies gilt nicht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Aufbewahrung für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem auf das Jahr der aktenmäßigen Weglegung folgenden Kalenderjahr. Die archivrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder bleiben unberührt.
(4) Die Berichtigung unrichtiger Daten richtet sich nach § 19 des Sächsischen Datenschutzgesetzes.
§ 102
Auskunft an den Betroffenen, Akteneinsicht
Der Betroffene erhält nach Maßgabe des § 18 des Sächsischen Datenschutzgesetzes Auskunft und, soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreicht und er hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist, Akteneinsicht.
§ 103
Auskunft und Akteneinsicht für wissenschaftliche Zwecke
§ 476 der Strafprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können.
§ 104
Anwendbarkeit des Sächsischen Datenschutzgesetzes
Das Sächsische Datenschutzgesetz ist anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes geregelt ist.
Teil 18
Kriminologische Forschung
§ 105
Evaluation, kriminologische Forschung
(1) Behandlungsprogramme für die Gefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.
(2) Der Strafvollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien sowie die Behandlungsprogramme und deren Wirkungen auf die Erreichung des Vollzugsziels, soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden. § 476 der Strafprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können.
Teil 19
Aufbau und Organisation der Anstalten
§ 106
Anstalten
(1) Es werden Anstalten und Abteilungen eingerichtet, die den unterschiedlichen vollzuglichen Anforderungen Rechnung tragen. Insbesondere sind sozialtherapeutische Abteilungen und Abteilungen für Gefangene, die sich erstmals im Vollzug befinden, vorzusehen.
(2) Es ist eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen für therapeutische Maßnahmen, schulische und berufliche Qualifizierung, Arbeitstraining und Arbeitstherapie sowie zur Ausübung von Arbeit vorzusehen. Entsprechendes gilt für Besuche, Freizeit, Sport und Seelsorge.
(3) Haft- und Funktionsräume sind zweckentsprechend auszustatten.
(4) Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeit können auch in geeigneten privaten Einrichtungen und Betrieben erfolgen. Die technische und fachliche Leitung kann Angehörigen dieser Einrichtungen und Betriebe übertragen werden.
(5) Das Staatsministerium der Justiz bestimmt die für den Strafvollzug in freien Formen zugelassenen Einrichtungen und seine nähere Ausgestaltung. Während der Unterbringung im Strafvollzug in freien Formen besteht das Vollzugsverhältnis der Gefangenen zur jeweiligen Justizvollzugsanstalt fort.
§ 107
Festsetzung der Belegungsfähigkeit,
Verbot der Überbelegung
(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung der Gefangenen gewährleistet ist. § 106 Abs. 2 ist zu berücksichtigen.
(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Gefangenen als zugelassen belegt werden.
(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.
§ 108
Anstaltsleitung
(1) Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt nach außen. Er kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.
(2) Für jede Anstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.
§ 109
Bedienstete
(1) Die Aufgaben der Anstalten werden von Beamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Anstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.
(2) Die Anstalt wird mit dem für die Erreichung des Vollzugsziels erforderlichen Personal, unter anderem Sozialarbeitern, Psychologen und Pädagogen, ausgestattet. Fortbildung, Praxisberatung und -begleitung sowie die zur Qualitätssicherung erforderliche Supervision für die Bediensteten sind zu gewährleisten.
(3) Für die Betreuung von Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist besonders qualifiziertes Personal vorzusehen und eine fachübergreifende Zusammenarbeit zu gewährleisten. Soweit erforderlich, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.
(4) Alle am Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, die Aufgaben des Vollzugs zu erfüllen.
§ 110
Seelsorger
(1) Seelsorger werden im Benehmen mit der Aufsichtsbehörde von der jeweiligen Religionsgemeinschaft bestellt.
(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.
(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters darf der Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.
§ 111
Medizinische Versorgung
(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.
(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeführt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), das zuletzt durch Artikel 1a des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.
§ 112
Mitverantwortung der Gefangenen
(1) Die Gefangenen sind an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse zu beteiligen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für die Mitwirkung der Gefangenen eignen.
(2) Die dafür zu schaffenden Gremien sind nach demokratischen Regeln zu wählen.
(3) Mitglieder der Gremien können sich mit Vorschlägen, insbesondere zu sozialen Belangen, an den Anstaltsleiter wenden. Ausgenommen sind Angelegenheiten, die die Sicherheit in der Anstalt oder das Personal betreffen.
(4) Näheres regelt die Aufsichtsbehörde.
§ 113
Hausordnung
Der Anstaltsleiter erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags eine Hausordnung. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung vorbehalten.
Teil 20
Aufsicht, Beirat
§ 114
Aufsichtsbehörde
(1) Aufsichtsbehörde für die Anstalten ist das Staatsministerium der Justiz.
(2) Es kann sich Entscheidungen über Verlegungen und Überstellungen vorbehalten oder sie einer zentralen Stelle übertragen.
§ 115
Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften
(1) Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten in einem Vollstreckungsplan.
(2) Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.
§ 116
Beirat
(1) Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. Dem Beirat gehören zwei Abgeordnete des Landtags und mindestens ein Vertreter der Kommune oder des Landkreises, in dem die jeweilige Anstalt belegen ist, sowie weitere Personen des öffentlichen Lebens an. Die Mitglieder werden von der Aufsichtsbehörde ernannt. Dies gilt nicht für die Mitglieder des Landtags, die von diesem benannt werden. Bedienstete der Anstalt dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. Die Amtszeit der Mitglieder des Beirats endet mit der Konstituierung des nach Ablauf der Legislaturperiode des Landtags neu zu besetzenden Beirats.
(2) Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Gefangenen beratend mit. Sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen. Sie sind ebenso Ansprechpartner für den Personalrat.
(3) Die Mitglieder des Beirats können insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt besichtigen. Sie können die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht. Mit Zustimmung der Gefangenen kann der Anstaltsleiter dem Beirat oder einzelnen Mitgliedern aus den Gefangenenpersonalakten Mitteilungen machen oder sie Einsicht nehmen lassen, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Beirates erforderlich ist.
(4) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.
(5) Näheres regelt die Aufsichtsbehörde.
Teil 21
Vollzug des Strafarrests
§ 117
Grundsatz
(1) Für den Vollzug des Strafarrests in Anstalten gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechend, soweit § 118 nicht Abweichendes bestimmt.
(2) § 118 Abs. 1 bis 3, 7 und 8 gilt nicht, wenn Strafarrest in Unterbrechung einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme vollzogen wird.
§ 118
Besondere Bestimmungen
(1) Strafarrestanten sollen im offenen Vollzug untergebracht werden.
(2) Eine gemeinsame Unterbringung mit Gefangenen ist nur mit Einwilligung der Strafarrestanten zulässig.
(3) Besuche, Telefongespräche und Schriftwechsel dürfen nur untersagt oder überwacht werden, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt notwendig ist. § 28 Abs. 4 bis 6, § 29 Satz 2, § 33 Abs. 3 und 4, § 34 Satz 2, § 116 Abs. 3 Satz 4 bleiben unberührt.
(4) Den Strafarrestanten soll gestattet werden, einmal wöchentlich Besuch zu empfangen.
(5) Strafarrestanten dürfen eigene Kleidung tragen und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit in der Anstalt nicht entgegenstehen und sie für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgen.
(6) Sie dürfen Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben.
(7) Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung ist nur bei Gefahr im Verzug zulässig.
(8) Zur Vereitelung einer Entweichung dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden.
Teil 22
Schlussbestimmungen
§ 119
Einschränkung von Grundrechten
Durch dieses Gesetz werden die nachfolgenden Grundrechte aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und aus der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt:
- 1.
- das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
- 2.
- die Freiheit der Person nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
- 3.
- das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
- 4.
- das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 27 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie
- 5.
- das Recht der Freizügigkeit nach Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.
§ 120
Verhältnis zum Bundesrecht
Dieses Gesetz ersetzt gemäß Artikel 125a Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland im Freistaat Sachsen das Strafvollzugsgesetz. Die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes über
- 1.
- den Pfändungsschutz (§ 50 Abs. 2 Satz 5, § 51 Abs. 4 und 5, § 75 Abs. 3), den Nachrang der Sozialhilfe bei der Zahlung von Ausbildungsbeihilfe (§ 44 Abs. 1 Satz 2), das gerichtliche Verfahren (§§ 109 bis 121, 50 Abs. 5 Satz 2),
- 2.
- die entsprechende Geltung der Regelungen des Pfändungsschutzes (§ 176 Abs. 4, soweit darin auf § 51 Abs. 4 und 5 verwiesen wird),
- 3.
- die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt (§§ 136 bis 138),
- 4.
- den Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§§ 171 bis 175),
- 5.
- den Vollzug von Freiheitsstrafe und Jugendhaft der Deutschen Demokratischen Republik (§ 202),
- 6.
- den unmittelbaren Zwang in Justizvollzugsanstalten für andere Arten des Freiheitsentzugs (§ 178)
gelten fort.
§ 121
Übergangsbestimmungen
(1) Bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 55 Abs. 3 Satz 3 gilt die Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57), die durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2894) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, für die Anwendung des § 55 fort. § 55 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits gebildetes Überbrückungsgeld kann bis zu der sich nach § 62 Abs. 1 Satz 1 ergebenden Höhe nur nach § 62 Abs. 2 und 3 verwendet werden. Gefangene, die bereits Überbrückungsgeld darüber hinaus gebildet haben, können bis zum 30. Juni 2014 verlangen, dass der übersteigende Betrag ihrem Eigengeld gutgeschrieben wird.
(3) Für einen bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits erworbenen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit gilt § 43 Abs. 6 bis 11 des Strafvollzugsgesetzes fort.
(4) In den zum 3. Oktober 1990 bestehenden Anstalten dürfen abweichend von § 11 Abs. 1 während der Einschlusszeiten bis zu drei Gefangene gemeinsam in einem Haftraum untergebracht werden, so lange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern. Gleiches gilt für die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Abteilungen des offenen Vollzugs. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Anstaltsbereiche, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes neu errichtet oder grundlegend umgebaut werden.