Sächsisches Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetz
(SächsAusrGewahrsVollzG)

Vom 24. Mai 2017

Der Sächsische Landtag hat am 17. Mai 2017 das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Ausreisegewahrsamseinrichtungen

(1) Der Ausreisegewahrsam nach § 62b des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 6 Absatz 15 des Gesetzes vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, wird in Ausreisegewahrsamseinrichtungen vollzogen.

(2) Den in Ausreisegewahrsamseinrichtungen untergebrachten Personen dürfen nur die zum Zweck des Vollzugs des Ausreisegewahrsams und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Ausreisegewahrsamseinrichtung erforderlichen Beschränkungen auferlegt werden. Der Situation und den Belangen schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ergänzend dazu gelten für den Vollzug die §§ 3 bis 36, 53 bis 70, 76 bis 108, 178 Absatz 2 und §§ 179 bis 187 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 152 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend, soweit nicht in den §§ 173 bis 175 des Strafvollzugsgesetzes oder in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere § 62b des Aufenthaltsgesetzes, etwas anderes bestimmt ist oder Eigenart und Zweck des Ausreisegewahrsams oder die besonderen Verhältnisse der Ausreisegewahrsamseinrichtung entgegenstehen.

(3) Frauen und Männer sind grundsätzlich in verschiedenen, voneinander getrennten Bereichen einer Ausreisegewahrsamseinrichtung unterzubringen. Eine gemeinsame Unterbringung von Personen gleichen Geschlechts in einem Raum ist zulässig. Eine gemeinsame Unterbringung von Frauen und Männern in einem Bereich im Sinne des Satzes 1 oder einem Raum setzt die Zustimmung der betroffenen Personen voraus. Familien sind getrennt von anderen Ausreisepflichtigen unterzubringen. Unbegleitete Minderjährige sind getrennt von Erwachsenen unterzubringen.

(4) Die Ausreisegewahrsamseinrichtungen werden von der höheren Unterbringungsbehörde geschaffen und betrieben. Sie ist in diesen Ausreisegewahrsamseinrichtungen auch für die Durchführung der Aufgaben nach § 1 Nummer 2 des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 25. Juni 2007 (SächsGVBl. S. 190), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 15. Dezember 2016 (SächsGVBl. S. 630) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zuständig.

(5) Für den Vollzug des Ausreisegewahrsams werden dem Leiter der Ausreisegewahrsamseinrichtung die Befugnisse des Anstaltsleiters und den Bediensteten des Freistaates Sachsen, denen die höhere Unterbringungsbehörde die Aufgaben des Vollzugsdienstes in der Einrichtung überträgt, die Befugnisse der Vollzugsbediensteten und Bediensteten der Justizvollzugsanstalten im Sinne der Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes übertragen, soweit diese entsprechende Anwendung finden. Davon ausgenommen ist der Gebrauch von Schusswaffen. Die sichernden Aufgaben innerhalb der Ausreisegewahrsamseinrichtung werden von den Bediensteten im Sinne des Satzes 1 wahrgenommen.

§ 2
Beirat

(1) Bei der Einrichtung ist ein Beirat zu bilden. Dem Beirat gehören zwei Abgeordnete des Landtags, der Sächsische Ausländerbeauftragte, zwei Vertreter der Zivilgesellschaft sowie ein Vertreter des Staatsministeriums des Innern an. Die Mitglieder werden von der obersten Ausländerbehörde ernannt. Dies gilt nicht für die Mitglieder des Landtags, die von diesem benannt werden, und den Sächsischen Ausländerbeauftragten. Bedienstete und Insassen der Einrichtung dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. Die Amtszeit der Mitglieder des Beirats endet mit der Konstituierung des nach Ablauf der Legislaturperiode des Landtags neu zu besetzenden Beirats.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Ausreisegewahrsams und bei der Betreuung der Untergebrachten beratend mit.

(3) Die Mitglieder des Beirats können sich insbesondere über die Unterbringung, Beschäftigung, Verpflegung und ärztliche Versorgung unterrichten lassen sowie die Einrichtung besichtigen.

(4) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Untergebrachten, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

(5) Näheres regelt die oberste Ausländerbehörde.

§ 3
Dienstrechtliche Bestimmungen

(1) Für Beamte, welche im Vollzugsdienst einer Ausreisegewahrsamseinrichtung verwendet werden, gelten § 139 Absatz 1, 2 und 6 des Sächsischen Beamtengesetzes vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 970, 971), in der jeweils geltenden Fassung, sowie § 91 des Sächsischen Beamtenversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 970, 1045), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Oktober 2016 (SächsGVBl. S. 514) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend.

(2) Die Beamten, welche im Vollzugsdienst einer Ausreisegewahrsamseinrichtung verwendet werden, erhalten freie Dienstkleidung. Das Staatsministerium des Innern wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen

1.
durch Rechtsverordnung zu bestimmen,
 
a)
in welcher Weise der Anspruch auf Dienstkleidung erfüllt wird,
 
b)
in welchen Fällen, in denen längere Zeit keine Dienstgeschäfte geführt werden, der Anspruch auf Dienstkleidung ausgeschlossen ist,
2.
Art, Umfang und Ausführung der Dienstkleidung zu bestimmen.

(3) Beamte in Ämtern der Besoldungsordnung A, welche im Vollzugsdienst einer Ausreisegewahrsamseinrichtung verwendet werden, erhalten eine Stellenzulage. Die Stellenzulage entspricht der Zulage nach § 51 Absatz 1 des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 970, 1005), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 15. Dezember 2016 (SächsGVBl. S. 630) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und wird nicht neben einer Stellenzulage nach § 49 Absatz 1 des Sächsischen Besoldungsgesetzes gewährt.

(4) § 6 Absatz 2 Nummer 2 der Sächsischen Erschwerniszulagen- und Mehrarbeitsvergütungsverordnung vom 16. September 2014 (SächsGVBl. S. 530, 550), die durch die Verordnung vom 12. April 2016 (SächsGVBl. S. 146) geändert worden ist, gilt für Beamte, welche im Vollzugsdienst einer Ausreisegewahrsamseinrichtung verwendet werden, entsprechend.

§ 4
Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die nachfolgenden Grundrechte aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und aus der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt:

1.
das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
2.
die Freiheit der Person nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
3.
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie
4.
das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 27 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen.

§ 5
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Es tritt mit Ablauf des 8. Juni 2019 außer Kraft.

Dresden, den 24. Mai 2017

Der Landtagspräsident
Dr. Matthias Rößler

Der Ministerpräsident
Stanislaw Tillich

Der Staatsminister des Innern
Markus Ulbig