Bekanntmachung
der Neufassung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofsgesetzes
Vom 5. Juli 2024
Aufgrund des Artikels 3 des Gesetzes vom 17. April 2024 (SächsGVBl. S. 432) wird nachstehend der Wortlaut des Sächsischen Verfassungsgerichtshofsgesetzes in der seit dem 1. Mai 2024 geltenden Fassung bekannt gemacht. Die Neufassung berücksichtigt:
- 1.
- das am 5. März 1993 in Kraft getretene Gesetz vom 18. Februar 1993 (SächsGVBl. S. 177, 495),
- 2.
- den am 3. Oktober 1995 in Kraft getretenen Artikel 1 des Gesetzes vom 27. September 1995 (SächsGVBl. S. 321),
- 3.
- den am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Artikel 3 des Gesetzes vom 14. Dezember 2012 (SächsGVBl. S. 748),
- 4.
- das am 14. März 2013 in Kraft getretene Gesetz vom 14. Februar 2013 (SächsGVBl. S. 94),
- 5.
- den am 1. April 2014 in Kraft getretenen Artikel 20 des Gesetzes vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 970),
- 6.
- den teils am 9. Dezember 2017, teils am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2017 (SächsGVBl. S. 598),
- 7.
- den am 17. März 2021 in Kraft getretenen Artikel 2 des Gesetzes vom 26. Februar 2021 (SächsGVBl. S. 318),
- 8.
- den am 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Artikel 8 Absatz 11 des Gesetzes vom 6. Juli 2023 (SächsGVBl. S. 467),
- 9.
- den am 1. Mai 2024 in Kraft getretenen Artikel 2 des eingangs genannten Gesetzes.
Dresden, den 5. Juli 2024
Die Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung
Katja Meier
Gesetz
über den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen
(Sächsisches Verfassungsgerichtshofsgesetz – SächsVerfGHG)
Erster Teil
Organisatorische Bestimmungen
§ 1
Bezeichnung und Sitz
1Der Verfassungsgerichtshof führt die Bezeichnung „Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen“. 2Er hat seinen Sitz in Leipzig.
§ 2
Zusammensetzung, Stellvertreter, Wählbarkeit
(1) 1Der Verfassungsgerichtshof besteht aus fünf Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern und vier anderen Mitgliedern. 2Die Präsidentin oder der Präsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofes müssen Berufsrichter sein.
(2) 1Für jedes Mitglied wird eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter gewählt. 2Stellvertretende vertreten das Mitglied bei dessen Verhinderung oder nach Beendigung des Amtes bis zur Ernennung des Nachfolgers, soweit kein Fall des § 6 Absatz 2 vorliegt. 3Die Stellvertretenden in der Gruppe der Berufsrichterinnen oder Berufsrichter und in der Gruppe der anderen Mitglieder vertreten sich jeweils gegenseitig. 4Zur Vertretung ist der lebensälteste nicht verhinderte Stellvertretende berufen. 5Für die Stellvertretenden gelten die Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nichts anderes bestimmt ist. 6Durch die Beendigung des Amtes des Mitglieds, das sie vertreten, wird ihr eigenes Amt nicht berührt.
(3) 1Zum Mitglied des Verfassungsgerichtshofes kann gewählt werden, wer das 35. Lebensjahr vollendet hat und zum Deutschen Bundestag wählbar ist. 2Mitglied des Verfassungsgerichtshofes kann nicht sein, wer dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, einem entsprechenden Organ eines Landes oder der Europäischen Gemeinschaft, dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof angehört. 3Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes dürfen beruflich weder im Dienst eines Landes oder des Bundes noch einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht eines Landes oder des Bundes stehen; ausgenommen ist der Dienst als Berufsrichterin oder Berufsrichter und als Hochschullehrerin oder Hochschullehrer.
(4) Mitglied des Verfassungsgerichtshofes kann nicht sein, wer
- 1.
- gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundrechte verletzt hat oder
- 2.
- für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik tätig war.
§ 3
Wahl
(1) 1Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes sollen frühestens drei Monate und spätestens einen Monat vor Beendigung des Amtes ihrer Vorgänger gewählt werden. 2Ist der Landtag in dieser Zeit aufgelöst, findet die Wahl innerhalb von drei Monaten nach dem ersten Zusammentritt des neu gewählten Landtages statt.
(2) Vorschlagsberechtigt für die Wahl der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes sind die Staatsregierung und das Landtagspräsidium.
(3) 1Der Landtag wählt die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes ohne Aussprache in geheimer Wahl mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder auf die Dauer von neun Jahren. 2Dasselbe gilt für die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten. 3Eine Anhörung der Vorgeschlagenen findet nicht statt. 4Wiederwahl ist zulässig.
§ 4
Amtseid
(1) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes leisten vor Aufnahme ihres Amtes in öffentlicher Sitzung des Landtages folgenden Eid:
- „Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, getreu der Verfassung des Freistaates Sachsen und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen.“
(2) 1Der Eid kann auch mit der Beteuerung „So wahr mir Gott helfe“ geleistet werden. 2Bekennt sich ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes zu einer Religionsgemeinschaft, deren Angehörigen das Gesetz die Verwendung einer anderen Beteuerungsformel gestattet, so kann es diese gebrauchen.
(3) Im Falle der Wiederwahl bedarf es keiner erneuten Vereidigung.
§ 5
Rechtsstellung
(1) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes sind als Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
(2) 1Die berufsrichterlichen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes üben die Tätigkeit im Verfassungsgerichtshof als Nebenamt aus. 2Die Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes und des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen gelten auch für ihre Tätigkeit beim Verfassungsgerichtshof, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. 3Die anderen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes sind ehrenamtlich tätig.
(3) 1Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes können nur nach den für Richter im Landesdienst geltenden Vorschriften vorläufig und endgültig ihres Amtes enthoben werden. 2Einleitungsbehörde ist die Staatsregierung. 3Die dienstgerichtliche Entscheidung trifft der Verfassungsgerichtshof. 4Die Amtsenthebung bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes; dabei wirkt anstelle des betroffenen Mitglieds dessen Stellvertreter mit.
§ 6
Beendigung der Amtszeit
(1) Vor Ablauf der Amtszeit endet das Amt als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes,
- 1.
- wenn das Mitglied die Wählbarkeit zum Bundestag oder nach § 2 Absatz 3 Satz 3 verliert;
- 2.
- wenn bei dem Mitglied ein Wählbarkeitshindernis nach § 2 Absatz 3 Satz 2 oder 3 eintritt;
- 3.
- wenn der Verfassungsgerichtshof mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner zur Entscheidung berufenen Mitglieder feststellt, dass bei dem Mitglied ein Wählbarkeitshindernis nach § 2 Absatz 4 nachträglich bekannt geworden oder bei der Wahl unbeachtet geblieben ist; anstelle des betroffenen Mitglieds wirkt sein Stellvertreter (§ 2 Absatz 2) mit;
- 4.
- wenn das Mitglied gemäß § 5 Absatz 3 seines Amtes enthoben wird;
- 5.
- wenn das berufsrichterliche Mitglied aus dem Amt als Berufsrichterin oder Berufsrichter ausscheidet;
- 6.
- wenn ein nichtberufsrichterliches Mitglied das 70. Lebensjahr vollendet hat, mit dem Ablauf des betreffenden Monats;
- 7.
- wenn das Mitglied durch Erklärung zur Niederschrift der Präsidentin oder des Präsidenten des Landtages auf sein Amt verzichtet, mit Ablauf des auf die Erklärung folgenden Monats.
(2) Endet das Amt durch Ablauf der Amtszeit oder durch Erreichen der Altersgrenze, so führt das Mitglied die Amtsgeschäfte bis zur Ernennung seiner Nachfolgerin oder seines Nachfolgers fort.
Zweiter Teil
Allgemeine Verfahrensvorschriften
§ 7
Zuständigkeit
Der Verfassungsgerichtshof entscheidet
- 1.
- über die Auslegung der Verfassung des Freistaates Sachsen aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Staatsorgans oder anderer Beteiligter, die durch die Verfassung des Freistaates Sachsen oder in der Geschäftsordnung des Landtages oder der Staatsregierung mit eigener Zuständigkeit ausgestattet sind (Artikel 81 Absatz 1 Nummer 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 2.
- bei Zweifeln oder Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung des Freistaates Sachsen (Artikel 81 Absatz 1 Nummer 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 3.
- über die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit der Verfassung des Freistaates Sachsen, nachdem ein Gericht das Verfahren gemäß Artikel 100 Absatz 1 des Grundgesetzes ausgesetzt hat (Artikel 81 Absatz 1 Nummer 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 4.
- über Verfassungsbeschwerden, die von jeder Person erhoben werden können, die sich durch die öffentliche Gewalt in einem ihrer in der Verfassung des Freistaates Sachsen niedergelegten Grundrechte (Artikel 4, 14 bis 38, 41, 78, 91, 102, 105 und 107 der Verfassung des Freistaates Sachsen) verletzt fühlt (Artikel 81 Absatz 1 Nummer 4 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 5.
- über Beschwerden gegen Entscheidungen des Landtages im Wahlprüfungsverfahren (Artikel 45 Absatz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 5a.
- über Untätigkeit im Wahlprüfungsverfahren;
- 6.
- über die Zulässigkeit von Volksanträgen (Artikel 71 Absatz 2 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 7.
- über die Zulässigkeit von Anträgen auf Verfassungsänderung (Artikel 74 Absatz 1 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 8.
- über Anträge kommunaler Träger der Selbstverwaltung auf Feststellung, dass ein Gesetz die Bestimmungen des Artikels 82 Absatz 2 oder der Artikel 84 bis 89 der Verfassung des Freistaates Sachsen verletzt (Artikel 90 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 9.
- über Anträge, Mitgliedern des Landtages oder der Staatsregierung das Mandat oder Amt abzuerkennen (Artikel 118 der Verfassung des Freistaates Sachsen);
- 10.
- in den ihm durch Gesetz zugewiesenen Angelegenheiten (Artikel 81 Absatz 1 Nummer 6 der Verfassung des Freistaates Sachsen).
§ 8
Vorsitz, Beschlussfähigkeit, Abstimmung
(1) 1Die Präsidentin oder der Präsident hat den Vorsitz im Verfassungsgerichtshof und führt die Geschäfte des Verfassungsgerichtshofes. 2Deren oder dessen ständige Vertretung übt die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident aus. 3Ist auch diese oder dieser verhindert, übernimmt das im Verfassungsgerichtshof dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensältere nicht verhinderte berufsrichterliche Mitglied, bei Verhinderung aller berufsrichterlichen Mitglieder der im Verfassungsgerichtshof dienstälteste und bei gleichem Dienstalter der lebensältere nicht verhinderte berufsrichterliche Stellvertretende die Aufgaben der Präsidentin oder des Präsidenten.
(2) 1Der Verfassungsgerichtshof ist beschlussfähig, wenn mindestens sieben seiner Mitglieder, darunter mindestens vier seiner berufsrichterlichen Mitglieder, mitwirken. 2§ 9 Absatz 1 Satz 2 und § 15 Satz 1 bleiben unberührt.
(3) 1In den Verfahren gemäß § 7 Nummer 9 bedarf es zu einer dem Mitglied des Landtages oder der Staatsregierung nachteiligen Entscheidung einer Mehrheit von zwei Dritteln der zur Entscheidung berufenen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes. 2Im Übrigen entscheidet die Mehrheit der mitwirkenden Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes. 3Bei Stimmengleichheit kann eine Unvereinbarkeit mit der Verfassung des Freistaates Sachsen oder eine Verletzung von Bestimmungen der Verfassung des Freistaates Sachsen oder anderen maßgeblichen Rechts nicht festgestellt werden; ein sonstiger Antrag ist in diesem Fall abgelehnt.
§ 9
Kammern
(1) 1Der Verfassungsgerichtshof beruft für die Dauer eines Geschäftsjahres mehrere Kammern. 2Jede Kammer besteht aus zwei Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern und einem anderen Mitglied.
(2) Der Verfassungsgerichtshof beschließt vor Beginn eines Geschäftsjahres für dessen Dauer die Zahl und Zusammensetzung der Kammern sowie die Verteilung der auf sie zu übertragenden Verfassungsbeschwerden.
§ 10
Anwendbarkeit des Verfahrensrechts des Bundesverfassungsgerichts, Geschäftsordnung
(1) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof die allgemeinen Verfahrensvorschriften des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2730) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend anzuwenden.
(2) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, regelt der Verfassungsgerichtshof sein Verfahren und seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung, die im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen ist.
§ 10a
Elektronische Kommunikation; Verordnungsermächtigung
(1) Beim Verfassungsgerichtshof können Dokumente nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 in elektronischer Form eingereicht werden.
(2) 1Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch den Verfassungsgerichtshof geeignet sein. 2Das Sächsische Staatsministerium der Justiz bestimmt durch Rechtsverordnung technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.
(3) 1Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. 2Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die dem Dokument beigefügt sind.
(4) 1Sichere Übermittlungswege sind
- 1.
- der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn die Absenderin oder der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 666), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
- 2.
- der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 303-8, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Januar 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 12) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
- 3.
- der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Verfassungsgerichtshofes,
- 4.
- der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
- 5.
- der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes in der Fassung vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122, 3138), das zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 28. Juni 2021 (BGBl. I S. 2250; 2023 I Nr. 230) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
- 6.
- sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt wurden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
2Das Nähere zu den Übermittlungswegen gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 2.
(5) 1Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Verfassungsgerichtshofes gespeichert ist. 2Der Absenderin oder dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen.
(6) 1Ist ein elektronisches Dokument für den Verfassungsgerichtshof zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies der Absenderin oder dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. 2Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für den Verfassungsgerichtshof zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.
(8) 1Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. 2Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 oder 3 zur Verfügung steht. 3Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. 4Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.
§ 11
Ablehnung einer Richterin oder eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
(1) 1Wird ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so entscheidet der Verfassungsgerichtshof hierüber unter Ausschluss der oder des Abgelehnten. 2Eine Vertretung der oder des Abgelehnten findet insoweit nicht statt. 3Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme der oder des Vorsitzenden den Ausschlag.
(2) 1Die Ablehnung ist zu begründen. 2Das abgelehnte Mitglied des Verfassungsgerichtshofes hat sich dazu zu äußern. 3Eine Beteiligte oder ein Beteiligter kann ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes nicht mehr wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn sie oder er sich in eine Verhandlung eingelassen hat, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen.
(3) Erklärt sich ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes, das nicht abgelehnt worden ist, selbst für befangen, so gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Nach erfolgreicher Ablehnung (Absätze 1 und 3) wirkt an der Entscheidung in der Sache selbst anstatt des abgelehnten Mitglieds sein Stellvertreter (§ 2 Absatz 2) mit.
§ 12
Zeuginnen oder Zeugen und Sachverständige
Für die Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen und Sachverständigen gelten in den Fällen des § 7 Nummer 9 die Vorschriften der Strafprozessordnung, in den übrigen Fällen die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend.
§ 13
Kein Sondervotum
[zu § 30 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes]
§ 30 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes findet keine Anwendung.
§ 14
Verbindlichkeit der Entscheidungen
[anstatt § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes]
(1) Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes binden alle Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte.
(2) 1In den Fällen des § 7 Nummer 2, 3 und 8 hat die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Gesetzeskraft. 2Dasselbe gilt in den Fällen des § 7 Nummer 4, wenn der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz als mit der Verfassung des Freistaates Sachsen vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt.
(3) Soweit ein Gesetz als mit der Verfassung des Freistaates Sachsen vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch die Staatsministerin oder den Staatsminister der Justiz im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.
§ 15
Einstweilige Anordnungen
[anstatt § 32 Absatz 7 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes]
1Bei besonderer Dringlichkeit kann die einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn mindestens drei berufsrichterliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes mitwirken und der Beschluss einstimmig gefasst wird. 2Sie tritt nach einem Monat außer Kraft. 3Wird sie durch den Verfassungsgerichtshof in der Besetzung nach § 8 Absatz 2 bestätigt, so tritt sie sechs Monate nach ihrem Erlass außer Kraft.
§ 16
Kosten und Auslagenerstattung
[anstatt §§ 34 und 34a des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes]
(1) 1Das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes ist kostenfrei. 2§ 34 Absatz 2 und 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes findet keine Anwendung.
(2) Erweist sich im Verfahren nach § 7 Nummer 9 der Antrag auf Aberkennung des Mandats oder Amtes als unbegründet, so sind der Angeklagten oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu erstatten.
(3) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind der Beschwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.
(4) In den übrigen Fällen kann der Verfassungsgerichtshof volle oder teilweise Erstattung der notwendigen Auslagen anordnen.
Dritter Teil
Besondere Verfahrensvorschriften
Erster Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 1
(Organstreitverfahren)
§ 17
Antragsteller und Antragsgegner
Antragsteller und Antragsgegner können nur der Landtag, die Staatsregierung und die in der Verfassung des Freistaates Sachsen oder in der Geschäftsordnung des Landtages oder der Staatsregierung mit eigener Zuständigkeit ausgestatteten Teile dieser Organe sein.
§ 18
Zulässigkeit des Antrags
(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung des Freistaates Sachsen übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.
(2) Im Antrag ist die Bestimmung der Verfassung des Freistaates Sachsen zu bezeichnen, gegen welche die beanstandete Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners verstößt.
(3) Der Antrag muss binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Handlung oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden.
(4) Soweit die Frist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes verstrichen ist, kann der Antrag noch binnen drei Monaten nach Inkrafttreten gestellt werden, wenn die beanstandete Handlung oder Unterlassung nach Inkrafttreten der Verfassung des Freistaates Sachsen erfolgt ist.
§ 19
Beitritt zum Verfahren
(1) Dem Antragsteller und dem Antragsgegner können in jeder Lage des Verfahrens andere in § 17 genannte Antragsberechtigte beitreten, wenn die Entscheidung auch für ihre Zuständigkeiten von Bedeutung ist.
(2) Der Verfassungsgerichtshof gibt dem Landtag und der Staatsregierung von der Einleitung des Verfahrens Kenntnis.
§ 20
Entscheidung
(1) Der Verfassungsgerichtshof stellt in seiner Entscheidung fest, ob die beanstandete Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners den Antragsteller in seinen ihm durch die Verfassung des Freistaates Sachsen übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet und, wenn dies der Fall ist, gegen welche Bestimmung der Verfassung des Freistaates Sachsen dadurch verstoßen wird.
(2) Soweit die Entscheidung von der Auslegung einer Verfassungsbestimmung abhängig ist, kann der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidungsformel feststellen, wie diese Verfassungsbestimmung auszulegen ist.
Zweiter Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 2
(abstrakte Normenkontrolle)
§ 21
Zulässigkeit des Antrags
Der Antrag der Staatsregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Landtages gemäß Artikel 81 Absatz 1 Nummer 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist nur zulässig, wenn einer der Antragsberechtigten Landesrecht
- 1.
- wegen seiner förmlichen oder sachlichen Unvereinbarkeit mit der Verfassung des Freistaates Sachsen für nichtig hält oder
- 2.
- für gültig hält, nachdem ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Organ des Bundes oder des Landes das Recht als unvereinbar mit der Verfassung des Freistaates Sachsen nicht angewendet hat.
§ 22
Anhörung der betroffenen Verfassungsorgane
Der Verfassungsgerichtshof gibt dem Landtag und der Staatsregierung Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist.
§ 23
Entscheidung
1Kommt der Verfassungsgerichtshof zu der Überzeugung, dass Landesrecht mit der Verfassung des Freistaates Sachsen unvereinbar ist, so erklärt er die zur Prüfung gestellten Bestimmungen für nichtig. 2Sind weitere Bestimmungen desselben Gesetzes aus denselben Gründen mit der Verfassung des Freistaates Sachsen unvereinbar, so kann der Verfassungsgerichtshof sie gleichfalls für nichtig erklären.
§ 24
Wirkungen der Entscheidung
Für die Wirkungen der Entscheidung gilt § 79 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes entsprechend.
Dritter Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 3
(konkrete Normenkontrolle)
§ 25
Vorlage
(1) Sind die Voraussetzungen des Artikels 81 Absatz 1 Nummer 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen gegeben, so holen die Gerichte unmittelbar die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein.
(2) 1Die Begründung muss angeben, inwiefern von der Gültigkeit des Gesetzes die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher Bestimmung der Verfassung des Freistaates Sachsen das Gesetz unvereinbar sein soll. 2Die Akten sind beizufügen.
(3) Der Antrag des Gerichts ist unabhängig von der Rüge der Nichtigkeit des Gesetzes durch einen Prozessbeteiligten.
§ 26
Verfahren, Entscheidung
(1) Die §§ 22 bis 24 gelten entsprechend.
(2) Die in § 22 genannten Verfassungsorgane können in jeder Lage des Verfahrens beitreten.
(3) Der Verfassungsgerichtshof gibt auch den Beteiligten des Verfahrens vor dem Gericht, das den Antrag gestellt hat, Gelegenheit zur Äußerung; er lädt sie zur mündlichen Verhandlung und erteilt den anwesenden Prozessbevollmächtigten das Wort.
(4) § 82 Absatz 4 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Ersuchen an oberste Landesgerichte ergehen können.
(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nur über die Rechtsfrage.
Vierter Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 4
(Verfassungsbeschwerde)
§ 27
Rügefähige Rechte, Rechtswegerschöpfung
(1) Jede Person kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt des Landes in einem ihrer Grundrechte (Artikel 4, 14 bis 38, 41, 78, 91, 102, 105 und 107 der Verfassung des Freistaates Sachsen) verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof erheben.
(2) 1Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtsweges erhoben werden. 2Der Verfassungsgerichtshof kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtsweges eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn der Beschwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.
§ 28
Begründung der Verfassungsbeschwerde
In der Begründung der Verfassungsbeschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch welche die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.
§ 29
Einlegungsfrist
(1) 1Die Verfassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat zu erheben und zu begründen. 2Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. 3In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an die Beschwerdeführerin oder den Beschwerdeführer; wird dabei der Beschwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, dass die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefassten Entscheidung beantragt. 4Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form der Beschwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem anderen an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.
(2) 1War eine Beschwerdeführerin oder ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, die Frist des Absatzes 1 einzuhalten, so ist ihr oder ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 2Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. 3Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. 4Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. 5Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. 6Das Verschulden von Bevollmächtigten steht dem Verschulden einer Beschwerdeführerin oder eines Beschwerdeführers gleich.
(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlass des Hoheitsaktes erhoben werden.
(4) 1Ist ein Gesetz vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes in Kraft getreten, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum Ablauf eines Jahres seit dem Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes erhoben werden. 2War ein sonstiger Hoheitsakt bei Inkrafttreten der Verfassung des Freistaates Sachsen noch nicht rechtskräftig oder bestandskräftig und der Rechtsweg erschöpft, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum Ablauf eines Monats seit dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden.
§ 30
Anhörung Dritter, Entscheidung
(1) Der Verfassungsgerichtshof gibt dem Verfassungsorgan, dessen Handlung oder Unterlassung in der Verfassungsbeschwerde beanstandet wird, Gelegenheit, sich binnen einer zu bestimmenden Frist zu äußern.
(2) Ging die Handlung oder Unterlassung von einer Staatsministerin oder einem Staatsminister oder einer Behörde des Landes aus, so ist der zuständigen Staatsministerin oder dem zuständigen Staatsminister Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(3) 1Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, so gibt der Verfassungsgerichtshof auch der oder dem durch die Entscheidung Begünstigten Gelegenheit zur Äußerung. 2Er kann hiervon absehen, wenn die Verfassungsbeschwerde als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet erscheint.
(4) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar oder mittelbar gegen ein Gesetz, so ist § 22 entsprechend anzuwenden.
(5) Die in den Absätzen 1, 2 und 4 genannten Verfassungsorgane können dem Verfahren beitreten.
(6) Der Verfassungsgerichtshof überträgt die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde durch Beschluss auf die zuständige Kammer, wenn die Verfassungsbeschwerde die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht erfordert und die Angelegenheit nicht von besonderer Bedeutung ist.
(7) 1Der Verfassungsgerichtshof entscheidet über Verfassungsbeschwerden ohne mündliche Verhandlung, wenn er nichts anderes beschließt. 2Die Kammern entscheiden über Verfassungsbeschwerden im schriftlichen Verfahren.
§ 31
Entscheidungsinhalt
(1) 1Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift der Verfassung des Freistaates Sachsen durch welche Handlung oder Unterlassung verletzt wurde. 2Der Verfassungsgerichtshof kann zugleich aussprechen, dass auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme die Verfassung des Freistaates Sachsen verletzt.
(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt der Verfassungsgerichtshof die Entscheidung auf, in den Fällen des § 27 Absatz 2 verweist er die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.
(3) 1Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. 2Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. 3§ 79 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes gilt entsprechend.
(4) Bleibt die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg, weil sie unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist oder der Verfassungsgerichtshof die für ihre Beurteilung erhebliche verfassungsrechtliche Frage bereits entschieden hat, so genügt zur Begründung des Beschlusses der Hinweis auf den maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt.
Fünfter Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 5 und 5a
(Wahlprüfungsbeschwerde und Untätigkeit im Wahlprüfungsverfahren)
§ 32
Beschwerdebefugnis
1Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landtages über die Gültigkeit einer Wahl oder den Verlust der Mitgliedschaft im Landtag kann innerhalb eines Monats seit der Beschlussfassung des Landtages beim Verfassungsgerichtshof erhoben werden. 2Beschwerdebefugt ist
- 1.
- das Mitglied des Landtages, dessen Mitgliedschaft bestritten ist,
- 2.
- eine Wahlberechtigte oder ein Wahlberechtigter, deren oder dessen Einspruch vom Landtag verworfen worden ist,
- 3.
- eine Fraktion,
- 4.
- eine Gruppe von mindestens einem Zehntel der Mitglieder des Landtages oder
- 5.
- jede Partei, deren Wahlvorschlag Gegenstand der Wahlprüfung war.
3Eine Gruppe von Wahlberechtigten, für die bei der Wahl ein Wahlvorschlag zugelassen wurde und die beim Landtag Einspruch eingelegt hatte, ist vom Erfordernis des Beitritts weiterer Wahlberechtigter befreit.
§ 32a
Untätigkeit im Wahlprüfungsverfahren
(1) Hat der Landtag über einen Einspruch ohne zureichenden Grund innerhalb der Frist des § 13 Absatz 1 Satz 2 des Sächsisches Wahlprüfungsgesetzes vom 22. Juni 1994 (SächsGVBl. S. 1249), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. April 2024 (SächsGVBl. S. 432) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, nicht entschieden, so kann abweichend von § 32 die Beschwerde über die Gültigkeit der Wahl oder den Verlust der Mitgliedschaft im Landtag erhoben werden.
(2) Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass über den Einspruch noch nicht entschieden worden ist, so setzt der Verfassungsgerichtshof das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus.
(3) Wird dem Einspruch innerhalb der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist durch den Landtag stattgegeben, stellt der Verfassungsgerichtshof das Verfahren ein.
(4) 1Entscheidet der Landtag nicht innerhalb der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist nach Absatz 2, entscheidet der Verfassungsgerichtshof über die Gültigkeit der Wahl. 2Das Wahlprüfungsverfahren gilt als beendet.
Sechster Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 6
(Entscheidung über die Zulässigkeit eines Volksantrags)
§ 33
Antrag, Entscheidung
(1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Antrag der Präsidentin oder des Präsidenten des Landtages über die Zulässigkeit eines Volksantrags.
(2) Der Verfassungsgerichtshof gibt den Antragstellern und der Staatsregierung Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist.
Siebter Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 7
(Prüfung eines Antrags auf Verfassungsänderung)
§ 34
Frist und Inhalt des Antrags
(1) 1Der Antrag auf Entscheidung nach Artikel 74 Absatz 1 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen kann nur bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss der ersten Lesung des Gesetzentwurfs, der die Verfassungsänderung enthält, beim Verfassungsgerichtshof gestellt werden. 2Vor Ablauf dieser Frist darf der Gesetzentwurf nicht abschließend beraten werden. 3Ist der Entwurf des verfassungsändernden Gesetzes während eines Gesetzgebungsverfahrens eingefügt worden, so ist der Antrag innerhalb eines Monats nach dieser Einfügung zulässig; Satz 2 gilt entsprechend.
(2) In dem Antrag ist anzugeben, im Hinblick auf welche Vorschrift der Verfassung des Freistaates Sachsen Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsänderung bestehen.
§ 35
Verfahren, Entscheidung
(1) Der Verfassungsgerichtshof gibt dem Landtag und der Staatsregierung Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist.
(2) 1Der Verfassungsgerichtshof stellt fest, ob der Antrag auf Verfassungsänderung zulässig ist. 2Gelangt er zur Unzulässigkeit des Änderungsantrags, so spricht der Verfassungsgerichtshof auch aus, welche Bestimmung der Verfassung des Freistaates Sachsen hierfür maßgeblich ist.
Achter Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 8
(Normenkontrolle auf kommunalen Antrag)
§ 36
Antragsfrist, Verfahren
(1) 1Der Antrag ist nur innerhalb eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zulässig. 2Ist ein Gesetz vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes in Kraft getreten, so kann der Antrag bis zum Ablauf eines Jahres seit dem Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes gestellt werden.
(2) Für das Verfahren und die Entscheidung gelten die §§ 22 bis 24 entsprechend.
Neunter Abschnitt
Verfahren in den Fällen des § 7 Nummer 9
(Aberkennung des Mandats oder der Mitgliedschaft in der Staatsregierung)
§ 37
Anklageschrift
(1) 1Aufgrund eines Beschlusses des Landtages auf Erhebung der Anklage gegen ein Mitglied des Landtages oder der Staatsregierung (Artikel 118 der Verfassung des Freistaates Sachsen) übersendet die Präsidentin oder der Präsident des Landtages dem Verfassungsgerichtshof binnen eines Monats eine von ihm gefertigte Anklageschrift. 2Mit deren Eingang beim Verfassungsgerichtshof ist die Anklage erhoben.
(2) 1Die Anklageschrift muss die Handlung oder Unterlassung, auf der die Anklage beruht, und die Beweismittel bezeichnen. 2Der Anklageschrift ist eine Niederschrift über die Sitzung des Landtages beizufügen, in welcher der Beschluss, Anklage zu erheben, gefasst worden ist.
§ 38
Anklagefrist
(1) Die Anklage kann nur innerhalb eines Jahres, nachdem der ihr zugrundeliegende Sachverhalt dem Landtag bekanntgeworden ist, erhoben werden.
(2) Soweit die Frist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes verstrichen ist, kann die Anklage noch binnen drei Monaten seit Inkrafttreten erhoben werden, wenn der ihr zugrundeliegende Sachverhalt nach Inkrafttreten der Verfassung des Freistaates Sachsen eingetreten ist.
§ 39
Zurücknahme der Anklage
(1) 1Der Landtag kann die Anklage bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung aufgrund eines Beschlusses zurücknehmen. 2Ein Antrag auf Rücknahmebeschluss muss von mindestens einem Drittel der Mitglieder des Landtages gestellt werden. 3Der Beschluss erfordert bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages eine Zweidrittelmehrheit, die jedoch mehr als die Hälfte der Mitglieder des Landtages betragen muss.
(2) 1Die Anklage wird von der Präsidentin oder vom Präsidenten des Landtages durch Übersendung einer Ausfertigung des Beschlusses an den Verfassungsgerichtshof zurückgenommen. 2§ 37 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. 3Die Präsidentin oder der Präsident des Verfassungsgerichtshofes teilt der oder dem Angeklagten den Eingang des Rücknahmebeschlusses mit.
(3) Die Zurücknahme der Anklage ist unwirksam, wenn ihr die oder der Angeklagte innerhalb eines Monats nach Erhalt der Mitteilung nach Absatz 2 Satz 3 schriftlich gegenüber der Präsidentin oder dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes widerspricht.
§ 40
Vertretung der Anklage
1Der Landtag bestimmt, wer die Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof vertritt. 2§ 22 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes findet entsprechende Anwendung.
§ 41
Vorbereitung der Verhandlung
(1) 1Die Präsidentin oder der Präsident des Verfassungsgerichtshofes kann nach Anhörung der Berichterstatterin oder des Berichterstatters zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Vorermittlungen anordnen. 2Sie oder er muss sie in den Grenzen der für Beweiserhebungen geltenden Bestimmungen der Strafprozessordnung anordnen, soweit die Vertretung der Anklage, die oder der Angeklagte sie beantragt. 3Vorermittlungen sind einem der berufsrichterlichen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes zu übertragen. 4Der oder dem Angeklagten ist bei Vorermittlungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(2) Nach Abschluss von Vorermittlungen gibt die Präsidentin oder der Präsident des Verfassungsgerichtshofes dem Landtag Gelegenheit zur Entscheidung, ob die Anklage zurückgenommen wird.
§ 42
Mündliche Verhandlung
(1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet aufgrund mündlicher Verhandlung.
(2) 1Zur Verhandlung ist die oder der Angeklagte zu laden. 2In der Ladung ist sie oder er darauf hinzuweisen, dass ohne sie oder ihn verhandelt und entschieden werden kann, wenn sie oder er unentschuldigt ausbleibt oder sich ohne ausreichenden Grund vorzeitig entfernt.
(3) 1In der Verhandlung trägt der Vertreter der Anklage zunächst die Anklage vor. 2Danach erhält die oder der Angeklagte Gelegenheit, sich zur Anklage zu erklären. 3Hierauf findet die Beweiserhebung statt. 4Zum Schluss werden die Vertreterin oder der Vertreter der Anklage mit ihrem oder seinem Antrag und die oder der Angeklagte mit seiner Verteidigung gehört. 5Die oder der Angeklagte hat das letzte Wort.
§ 43
Urteil
(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist der in der Anklage bezeichnete Sachverhalt, wie er sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.
(2) Das Urteil lautet auf Einstellung des Verfahrens, auf Freispruch oder auf Feststellung, dass die fortdauernde Innehabung von Mandat oder Mitgliedschaft in der Staatsregierung durch die oder den Angeklagten aus einem der Gründe des Artikels 118 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen als untragbar erscheint (Verurteilung).
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Wird die oder der Angeklagte freigesprochen, müssen die Urteilsgründe ergeben, ob sie oder er nicht überführt oder ob ihre oder seine Unschuld erwiesen ist.
(5) 1Wird die oder der Angeklagte verurteilt, müssen die Urteilsgründe die erwiesenen Tatsachen darlegen, aus denen sich die Erfüllung des Tatbestandes des Artikels 118 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ergibt. 2Der Verfassungsgerichtshof hat der oder dem Angeklagten das Mandat oder das Amt abzuerkennen. 3Der Verfassungsgerichtshof kann die vollständige oder teilweise Entziehung der als Mitglied des Landtages oder der Staatsregierung erworbenen Versorgungsansprüche aussprechen. 4Der Verlust des Mandats oder der Mitgliedschaft in der Staatsregierung und die Entziehung von Versorgungsansprüchen treten mit der Verkündung des Urteils ein.
§ 44
Ausfertigungen des Urteils
Je eine Ausfertigung des Urteils mit vollständigen Entscheidungsgründen ist der oder dem Angeklagten, dem Landtag und der Staatsregierung zu übersenden.
Vierter Teil
Verzögerungsbeschwerde
§ 45
Anwendbare Vorschriften, Beschwerdekammer
(1) 1Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, gelten die §§ 97a bis 97e des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes entsprechend. 2§ 97e des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass in Satz 1 auf das Datum 14. März 2013 und in Satz 2 auf das Datum 14. Juni 2013 abzustellen ist.
(2) 1Über die Verzögerungsbeschwerde entscheidet die Beschwerdekammer, in die der Verfassungsgerichtshof drei seiner Mitglieder beruft. 2Die Präsidentin oder der Präsident kann nicht Mitglied der Beschwerdekammer sein.
(3) 1Die Mitglieder der Beschwerdekammer werden durch die übrigen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes ohne Berücksichtigung der Stellvertreter vertreten. 2Das Nähere, insbesondere die Bestimmung des Vorsitzes und die Gewährleistung eines kontinuierlichen Nachrückens für ausscheidende Kammermitglieder sowie die Ausgestaltung der Vertretung, regelt die Geschäftsordnung.
Fünfter Teil
Schlussvorschriften
§ 46
Aufwandsentschädigung, Reisekostenvergütung, Unfallfürsorge
(1) 1Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes erhalten eine monatliche Aufwandsentschädigung. 2Die Präsidentin oder der Präsident und die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident erhalten erhöhte Aufwandsentschädigungen. 3Die stellvertretenden Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes erhalten eine Aufwandsentschädigung für jeden Kalendermonat, in dem sie tätig geworden sind.
(2) Das Nähere über die Aufwandsentschädigungen regelt die Staatsregierung durch Rechtsverordnung.
(3) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes erhalten bei Dienstreisen Reisekostenvergütung nach der höchsten Klasse und Stufe des Sächsischen Reisekostengesetzes.
(4) Wird ein nicht berufsrichterliches Mitglied des Verfassungsgerichtshofes durch einen Dienstunfall verletzt, so wird ihm Unfallfürsorge in entsprechender Anwendung des § 32 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und der §§ 33 bis 38 des Sächsischen Beamtenversorgungsgesetzes vom 6. Juli 2023 (SächsGVBl. S. 467, 510), in der jeweils geltenden Fassung, gewährt.