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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Eingliederungshilfe-Schiedsstellenverordnung

Vollzitat: Eingliederungshilfe-Schiedsstellenverordnung vom 23. Juni 2020 (SächsGVBl. S. 336)

Verordnung
der Sächsischen Staatsregierung
über die Schiedsstelle gemäß § 133 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
(Eingliederungshilfe-Schiedsstellenverordnung – EinglSchiedsVO)

Vom 23. Juni 2020

Auf Grund des § 133 Absatz 5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) verordnet die Staatsregierung:

§ 1
Schiedsstelle, Geschäftsstelle und Rechtsaufsicht

(1) Die Schiedsstelle nach § 133 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 14. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2789) geändert worden ist, wird beim Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt errichtet.

(2) 1Die Geschäftsstelle der Schiedsstelle wird beim Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt eingerichtet. 2Der Vorsitzende leitet die Geschäftsstelle.

(3) Die Rechtsaufsicht über die Schiedsstelle führt das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

§ 2
Bestellung der Mitglieder

(1) 1Die Schiedsstelle besteht aus dem Vorsitzenden, fünf Vertretern der Leistungserbringer und fünf Vertretern der Träger der Eingliederungshilfe (Mitglieder). 2Die beteiligten Organisationen bestellen für jedes Mitglied jeweils zwei Stellvertreter und legen die Reihenfolge der Vertretung fest.

(2) Als Vertreter der Leistungserbringer bestellen

1.
die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen drei Mitglieder,
2.
der Sächsische Städte- und Gemeindetag und der Sächsische Landkreistag gemeinsam ein Mitglied,
3.
die im Freistaat Sachsen tätigen Verbände der privaten Leistungserbringer gemeinsam ein Mitglied.

(3) Als Vertreter der Träger der Eingliederungshilfe bestellen

1.
der Kommunale Sozialverband Sachsen drei Mitglieder,
2.
die weiteren Träger der Eingliederungshilfe gemeinsam zwei Mitglieder.

(4) Es dürfen keine Mitglieder bestellt werden, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit die Interessen der Leistungserbringer und der Träger der Eingliederungshilfe vertreten.

(5) Das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt bestellt auf Antrag eines der Beteiligten die Mitglieder und benennt die Kandidaten für die Position des Vorsitzenden, soweit spätestens sechs Wochen nach Beginn einer Amtsperiode von den beteiligten Organisationen kein Mitglied bestellt oder kein Kandidat für das Amt des Vorsitzenden benannt wurde.

(6) Kommt eine Einigung über die Bestellung des Vorsitzenden nicht zustande, führt die Geschäftsstelle spätestens acht Wochen nach Beginn einer Amtsperiode das Losverfahren nach § 133 Absatz 3 Satz 5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch durch.

(7) Die Absätze 2 bis 6 gelten für Stellvertreter entsprechend.

§ 3
Wirksamkeit der Bestellung

(1) 1Die Bestellung des Vorsitzenden und seines Stellvertreters wird wirksam, sobald diese ihre Bereitschaft zur Amtsübernahme der Geschäftsstelle schriftlich oder elek­tronisch erklären. 2Die Geschäftsstelle unterrichtet hierüber das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und die beteiligten Organisationen.

(2) 1Die Bestellung der weiteren Mitglieder und ihrer Stellvertreter wird wirksam, sobald die beteiligten Organisationen ihre Namen der Geschäftsstelle bekannt gegeben haben. 2Die Geschäftsstelle unterrichtet hierüber das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und die beteiligten Organisationen.

§ 4
Amtsperiode

(1) Die Amtsperiode der Schiedsstelle beträgt vier Kalenderjahre.

(2) 1Die Mitglieder und ihre Stellvertreter führen bis zur Bestellung der neuen Mitglieder und ihrer Stellvertreter die Geschäfte weiter. 2Scheidet ein Mitglied oder sein Stellvertreter vorzeitig aus, ist für die restliche Amtsdauer ein Nachfolger zu bestellen.

§ 5
Geschäftsordnung

Die Schiedsstelle gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt bedarf.

§ 6
Abberufung und Amtsniederlegung

(1) Die beteiligten Organisationen können den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter nach vorheriger Anhörung gemeinsam abberufen.

(2) 1Jede beteiligte Organisation kann aus wichtigem Grund ihre Vertreter und Stellvertreter abberufen. 2Die Abberufung ist der Geschäftsstelle schriftlich mitzuteilen. 3Die Abberufung wird mit der Bestellung eines neuen Mitglieds wirksam. 4Bei einer Bestellung nach § 2 Absatz 2 Nummer 2 und 3 sowie § 2 Absatz 3 Nummer 2 ist die Abberufung nur gemeinsam möglich.

(3) Die Mitglieder und ihre Stellvertreter können jederzeit durch Erklärung in schriftlicher oder elektronischer Form gegenüber der Geschäftsstelle ihr Amt niederlegen.

(4) Die Geschäftsstelle unterrichtet alle Mitglieder, die beteiligten Organisationen und das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt schriftlich oder elektronisch über die Abberufung oder die Niederlegung des Amtes.

(5) Ein Nachfolger ist unverzüglich zu bestellen.

§ 7
Amtsführung

(1) 1Die Mitglieder oder im Verhinderungsfall ihre Stellvertreter sind verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen oder bei Verhinderung rechtzeitig ihre Stellvertreter hierüber zu benachrichtigen. 2Die Verhinderung ist der Geschäftsstelle anzuzeigen.

(2) Ein Mitglied darf nicht als Vertreter einer Partei auftreten.

(3) Die Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

(4) Die Mitglieder sind auch nach Ausübung ihres Amtes zur Verschwiegenheit verpflichtet und dürfen die ihnen durch das Amt zugänglich gemachten Informationen nicht an Dritte weitergeben.

§ 8
Beteiligung der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen

(1) Die durch Landesrecht bestimmte maßgebliche Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen nach § 131 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch kann an den Sitzungen der Schiedsstelle beratend teilnehmen.

(2) Die Interessenvertretung nach Absatz 1 bestimmt für die Dauer der Amtsperiode zwei Vertreter und für den Verhinderungsfall zwei Stellvertreter.

(3) § 7 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend.

§ 9
Einleitung des Schiedsverfahrens

1Das Schiedsverfahren beginnt mit dem Zugang des Antrags einer Partei in schriftlicher oder elektronischer Form bei der Geschäftsstelle. 2Der Antrag enthält:

1.
die Bezeichnung der Parteien,
2.
den Tag der Aufforderung zu Vertragsverhandlungen,
3.
die Ergebnisse der vorangegangenen Verhandlung und
4.
die strittigen Punkte.

3Die erforderlichen Unterlagen sind beizufügen.

§ 10
Verfahren

(1) 1Die Schiedsstelle entscheidet auf Grund mündlicher, nicht öffentlicher Verhandlung. 2Sie kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn die Parteien auf eine mündliche Verhandlung verzichten.

(2) 1Der Vorsitzende legt Zeit und Ort der mündlichen Verhandlung und der Sitzung fest. 2Die Geschäftsstelle lädt die Parteien zur mündlichen Verhandlung und die Mitglieder sowie die Interessenvertretung nach § 8 zur Sitzung ein. 3Der Ladung zur mündlichen Verhandlung sind der Antragsschriftsatz und alle weiteren Schriftsätze sowie die Unterlagen, die die Parteien eingereicht haben, beizufügen. 4Die Ladungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen. 5Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass bei Ausbleiben einer Partei auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann. 6Die Sitzungstermine sind frühzeitig durch den Vorsitzenden mit den Mitgliedern abzustimmen.

(3) 1Die Schiedsstelle ermittelt den Sachverhalt auf der Grundlage der von den Parteien vorgelegten Unterlagen. 2Zur Klärung des Sachverhalts können Zeugen und Sachverständige vom Vorsitzenden oder auf Beschluss der Schiedsstelle hinzugezogen werden.

(4) Eine Aussetzung des Schiedsverfahrens ist nur mit Zustimmung der Parteien zulässig.

(5) 1Über die mündliche Verhandlung ist eine Niederschrift zu führen. 2Näheres regelt die Geschäftsordnung der Schiedsstelle.

§ 11
Beratung und Entscheidung

(1) Die Schiedsstelle ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäß geladen wurden und neben dem Vorsitzenden mindestens drei Vertreter der Leistungserbringer sowie mindestens drei Vertreter der Träger der Eingliederungshilfe anwesend sind.

(2) 1Die Beratung und Beschlussfassung erfolgt in Abwesenheit der Parteien. 2Das Nähere regelt die Geschäftsordnung der Schiedsstelle.

(3) 1Der Tenor der Entscheidung ist schriftlich abzufassen und vom Vorsitzenden und den anderen Mitgliedern im Anschluss an die mündliche Verhandlung zu unterzeichnen. 2Er wird den Parteien durch die Geschäftsstelle unverzüglich übermittelt. 3Entscheidet die Schiedsstelle ohne mündliche Verhandlung, wird der Tenor der Entscheidung den Parteien durch die Geschäftsstelle unverzüglich zugestellt.

(4) 1Die Entscheidung der Schiedsstelle, mit der die strittigen Punkte festgesetzt werden (Schiedsspruch), ist innerhalb von drei Monaten nach Erlass schriftlich zu begründen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und vom Vorsitzenden zu unterzeichnen. 2Die Entscheidung ist den Parteien durch die Geschäftsstelle unverzüglich zuzustellen.

§ 12
Gebühr

(1) 1Für jedes Verfahren der Schiedsstelle wird zur Deckung der Verfahrenskosten eine Gebühr in Höhe von 750 bis 3 000 Euro erhoben. 2Zu den Verfahrenskosten gehören insbesondere

1.
anteilige Sach- und Personalausgaben der Geschäftsstelle,
2.
Aufwandsentschädigung und Reisekosten des Vorsitzenden sowie
3.
sonstige Auslagen.

(2) 1Die Schiedsstelle setzt die Gebühr im Schiedsspruch nach der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls fest. 2Sofern sich der Antrag vor der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung erledigt, kann der Vorsitzende die Gebühr bis auf 250 Euro reduzieren. 3Der Vorsitzende kann abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine geringere Gebühr festsetzen, wenn sich das Schiedsverfahren vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung durch Rücknahme des Antrags oder auf andere Art erledigt. 4Soweit nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung kein Schiedsspruch ergeht, kann die Gebühr im Umlaufverfahren festgesetzt werden. 5Werden Verfahren zusammengefasst, kann die Schiedsstelle abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Gesamtgebühr für die zusammengefassten Verfahren erheben.

(3) 1Die unterliegende Partei trägt die Gebühr nach Absatz 2 Satz 1. 2Soweit eine Partei nur teilweise unterliegt oder ein Vergleich geschlossen wird, wird die Gebühr verhältnismäßig geteilt. 3Gleiches gilt, sofern der Antrag noch vor der Beratung der Schiedsstelle zurückgenommen wird, weil nach Antragstellung eine Einigung erzielt wurde. 4Der Vorsitzende wirkt darauf hin, dass sich die Parteien über die Gebührenverteilung einigen, soweit kein Schiedsspruch ergeht. 5Soweit keine Einigung erzielt werden kann, entscheidet der Vorsitzende durch Beschluss über die Gebührenverteilung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands.

(4) Die Gebühr wird mit ihrer Festsetzung fällig.

§ 13
Entschädigung

(1) 1Der Vorsitzende oder im Vertretungsfall sein Stellvertreter erhalten von der Geschäftsstelle nach Abschluss jedes Schiedsverfahrens eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 40 Prozent der gemäß § 12 festgesetzten Gebühr. 2Damit sind sämtliche Kosten mit Ausnahme der Reisekosten abgegolten. 3Die Erstattung von Reisekosten erfolgt entsprechend dem Sächsischen Reisekostengesetz vom 12. Dezember 2008 (SächsGVBl. S. 866, 876), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 970) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. 4Die Ansprüche sind gegenüber der Geschäftsstelle unverzüglich geltend zu machen.

(2) 1Wirken der Vorsitzende und sein Stellvertreter am gleichen Schiedsverfahren mit, setzen sie gemeinsam die Vergütung, entsprechend dem jeweiligen Arbeitsaufwand, fest. 2Soweit keine Einigung erzielt werden kann, entscheidet die Schiedsstelle im Umlaufverfahren. 3Die Entscheidung ist der Geschäftsstelle bekannt zu geben.

(3) 1Die durch die Interessenvertretungen nach § 8 in die Schiedsstelle entsandten Vertreter erhalten auf Antrag eine Erstattung der notwendigen Reisekosten entsprechend Ziffer II der VwV Beiratsentschädigung vom 25. Januar 2010 (SächsABl. S. 252), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 9. Dezember 2019 (SächsABl. SDr. S. S 352), in der jeweils geltenden Fassung, und bei Bedarf eine Erstattung von behinderungsbedingten Mehraufwendungen, soweit diese Kosten nicht bereits nach anderen Vorschriften abgegolten sind. 2Die Gewährung von Sitzungsentschädigung richtet sich nach Ziffer III der VwV Beiratsentschädigung in entsprechender Anwendung. 3Die Ansprüche sind bei der Geschäftsstelle geltend zu machen.

(4) Die übrigen Mitglieder oder im Vertretungsfall ihre Stellvertreter erhalten Reisekostenerstattung sowie Auslagenersatz von der Organisation, die sie bestellt hat, nach deren Regelungen.

§ 14
Entschädigung von Zeugen
und Vergütung von Sachverständigen

Zeugen und Sachverständige erhalten von der Geschäftsstelle eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 2 des Gesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2222) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

§ 15
Übergangsregelung

Abweichend von § 4 Absatz 1 beginnt die erste Amtsperiode mit dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung und endet am 31. Dezember 2023.

§ 16
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Dresden, den 23. Juni 2020

Der Ministerpräsident
Michael Kretschmer

Die Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Petra Köpping

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsGVBl. 2020 Nr. 21, S. 336
    Fsn-Nr.: 840-11

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 16. Juli 2020