Verordnung
der Sächsischen Staatsregierung
zur Bestimmung der Gebiete mit Begrenzung
der zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn
(Sächsische Mietpreisbegrenzungsverordnung – SächsMPBVO)
Vom 31. Mai 2022
Aufgrund des § 556d Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), dessen Satz 1 durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. März 2020 (BGBl. I S. 540) geändert worden ist, verordnet die Staatsregierung:
§ 1
Anwendungsbereich
Die Landeshauptstadt Dresden und die Kreisfreie Stadt Leipzig sind Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne des § 556d Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
§ 2
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft.
Dresden, den 31. Mai 2022
Der Ministerpräsident
Michael Kretschmer
Der Staatsminister für Regionalentwicklung
Thomas Schmidt
Begründung zur Sächsischen Mietpreisbegrenzungsverordnung
nach § 556d des Bürgerlichen Gesetzbuches
A) Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes
I. Rechtsgrundlage
Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 (BGBl. I S. 610) wurden unter anderem Regelungen zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn in den §§ 556d bis 556g des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aufgenommen. Die Landesregierungen werden mit § 556d Absatz 2 Satz 1 BGB ermächtigt, durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren die Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu bestimmen, in denen die Begrenzung der zulässigen Miete bei Mietbeginn greift.
Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen nach § 556d Absatz 2 Satz 2 BGB vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
Dies kann nach § 556d Absatz 2 Satz 3 BGB insbesondere dann der Fall sein, wenn
- 1.
- die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
- 2.
- die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
- 3.
- die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird oder
- 4.
- geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
Die Rechtsverordnung tritt nach § 556d Absatz 2 Satz 4 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft.
Sie ist gemäß § 556d Absatz 2 Satz 5 BGB zu begründen. Aus ihrer Begründung wird zum einen deutlich, aufgrund welcher Tatsachen ein oder mehrere Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegen (§ 556d Absatz 2 Satz 6 BGB). Zum anderen ergibt sich aus ihr nach § 556d Absatz 2 Satz 7 BGB, welche Maßnahmen die Sächsische Staatsregierung in dem durch die Rechtsverordnung jeweils bestimmten Gebiet und Zeitraum ergreift, um zeitgleich Abhilfe zu schaffen (dazu unter B).
Der Erlass der Rechtsverordnung ist mit Tatsachen zu begründen, die die angespannten Wohnungsmärkte belegen. Dies erfolgt durch die Beurteilung der Wohnungsmarktsituation anhand von vorhandenen und geeigneten Daten.
II. Allgemeine Anforderungen an die Begründung von Mietpreisbegrenzungs-Verordnungen und Verfahren
1. Begründungserfordernis der materiell-rechtlichen Gebietsausweisung
Der Sächsischen Staatsregierung kommt die Aufgabe zu, mit Blick auf die vorhandenen Daten und unter Würdigung sächsischer und regionaler Besonderheiten geeignete Indikatoren zu bestimmen, anhand derer Gebiete in Sachsen mit entsprechend angespannten Wohnungsmärkten identifiziert werden können. Sie hat die für die Gebietsausweisung maßgeblichen Tatsachen in dieser Begründung mitzuteilen. Das Begründungserfordernis besteht aber nur insoweit, wie Gebiete als angespannte Wohnungsmärkte ausgewiesen werden. In der Verordnung muss daher nur die Begründung erfolgen für die Gebiete, die materiell-rechtlich als Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen werden.
2. Beurteilungsgrundlage
In der Begründung zu § 556d BGB wird ausgeführt, dass die Ermittlung und Ausweisung eines Gebiets mit angespanntem Wohnungsmarkt auf Basis einer statistischen Analyse erfolgt. Hierzu liegen der Staatsregierung jährliche Daten des unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstituts empirica ag vor, die zur weiteren Analyse verwendet wurden.
In § 556d Absatz 2 Satz 3 BGB werden Beurteilungskriterien aufgeführt, die in einer Gesamtschau einen angespannten Wohnungsmarkt oder Gefährdungsgebiete anzeigen können. Entscheidend für die Ermittlung von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt sind die individuellen Gegebenheiten, weshalb der Gesetzgeber keine starren Vorgaben erlassen, sondern nur mögliche Indikatoren aufgeführt hat. Grundsätzlich definiert der Gesetzgeber angespannte Wohnungsmärkte im Vergleich mit bundesweiten Durchschnittswerten. Es besteht aber keine Pflicht, die in Satz 3 genannten Beurteilungskriterien zur Ermittlung der angespannten Wohnungsmarktlage im Zusammenhang mit der Ermittlung der Gebiete anzuwenden, sondern es ist anhand geeigneter Indikatoren zu prüfen, ob ein entsprechend angespannter Wohnungsmarkt vorliegt.
Die folgende Verordnungsbegründung wird insofern von den in § 556d Absatz 2 Satz 3 BGB aufgezählten möglichen Kriterien abweichen, als dass die unter Nummer 1 und Nummer 2 genannten Beurteilungskriterien nicht in Relation zu bundesweiten Durchschnittswerten in Bezug gesetzt werden, sondern zum landesweiten Median der jeweiligen Indikatoren. Zur Verwendung landesweiter Vergleichswerte siehe Nummer 3.
Der Median stellt den Wert dar, der die untere Hälfte der Werte von der oberen Hälfte trennt. Der Durchschnitt stellt im Gegensatz dazu den rechnerischen Mittelwert aller Werte dar. Der Median wird im Unterschied zu Durchschnittswerten weniger durch einzelne Extremwerte beeinflusst und bildet daher die Gesamtsituation besser ab, Fehlinterpretationen des Wertes werden damit besser vermieden.
Die Kriterien gemäß § 556d BGB sehen nur die Steigerung der Angebotsmieten als Indikator vor. Daneben ist jedoch auch die Höhe der Angebotsmieten von besonderer Bedeutung für die Beurteilung der Wohnungsmärkte, da die konkrete Höhe der Angebotsmiete für die Möglichkeit bezahlbaren Wohnraum zu finden, entscheidend ist. Daher wird die Höhe der Angebotsmiete im Vergleich zur landesweiten Höhe der Angebotsmiete als weiterer wichtiger Indikator betrachtet (Indikator 1). Somit werden für die Beurteilung eines angespannten Wohnungsmarktes insgesamt fünf Indikatoren verwendet.
3. Begründung zur Anwendung des landesweiten Medians
Ziel ist es, mit einer Landesverordnung den vom Gesetzgeber in § 556d BGB angestrebten sozialen Regelungszweck umzusetzen, der darin besteht, mit der beabsichtigten Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten dazu beizutragen, der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren beziehungsweise Gemeinden entgegenzuwirken. Dies betrifft oft nicht nur einkommensschwache Haushalte, sondern auch Durchschnittsverdienerinnen und Durchschnittsverdiener, insbesondere Familien mit Kindern. Die Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung soll ihnen bei Bedarf einen Umzug innerhalb ihres angestammten Quartiers ermöglichen, Wohnraum bezahlbar erhalten und Anreize für Verdrängungsmaßnahmen verringern (vgl. BT-Drs 18/3121, S. 15).
Verdrängung kann eine direkte Folge von Mietsteigerungen sein, etwa aufgrund der Marktmacht von Vermietern bei zu wenig Wohnungsangeboten im Verhältnis zur Nachfrage. An dieser Stelle setzt eine staatlich verordnete Mietpreisbegrenzung an.
Der Vergleich mit bundesweiten Durchschnittwerten, die von den teilweise extrem hohen Durchschnittswerten großer westdeutscher Metropolen geprägt sind, ist für den Freistaat Sachsen nicht zielführend. Aufgrund der teilweise deutlich anderen Situation hinsichtlich Demografie, Wirtschaftsentwicklung und Einkommen werden daher die Wohnungsmarktdaten sächsischer Gemeinden in das Verhältnis zum Median der sächsischen Landesdaten gesetzt. Bei Anwendung bundesdeutscher Vergleichswerte würde der soziale Regelungszweck des Gesetzgebers im § 556d BGB nicht angemessen erfüllt werden. Wenngleich in den Landesmedian auch ländliche Räume mit hohen Leerständen und niedrigen Mieten eingehen, wird davon ausgegangen, dass ein Vergleich mit den Landeszahlen der Alltagsrealität sächsischer Bürger näherliegt als der Vergleich mit Bundeswerten, in die in erheblichem Umfang extreme Wohnungsmärkte wie München, Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und andere einfließen.
4. Indikatorenauswahl für Sachsen
Der Regelungszeitraum einer Mietpreisbegrenzungs-Verordnung wirkt zwar auf zukünftige Jahre, die Entscheidung zur Einführung einer Mietpreisbremse basiert jedoch auf dem gegenwärtigen Zustand der Wohnungsmärkte und ihrer Entwicklung in den vergangenen Jahren. Es ist schwer möglich, die Entwicklung der maßgeblichen Indikatoren für die Zukunft präzise vorauszusagen. Einzig die Bevölkerungsentwicklung wird im Rahmen der Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamtes fundiert prognostiziert, was jedoch für eine umfassende Gesamtschau nicht ausreicht.
Abweichend von den Vorschlägen des § 556d BGB werden nachfolgend nicht die Durchschnitte der Parameter (zum Beispiel Angebotsmiete) betrachtet, sondern der Median. Wie bereits ausgeführt fallen damit Extremwerte, die für die Beurteilung des hier relevanten Marktsegmentes nicht relevant sind, weniger ins Gewicht. Eine Verfälschung der Ergebnisse wird damit besser vermieden.
Zur Feststellung derzeit angespannter Wohnungsmärkte im Freistaat Sachsen nach § 556d Absatz 2 Satz 3 BGB werden somit folgende Beurteilungskriterien (Indikatoren) bewertet:
- 1.
- Der Median der Angebotsmieten in der Gemeinde liegt über dem landesweiten Median der Angebotsmieten.
- 2.
- Der Median der Angebotsmieten der Gemeinde steigt deutlich stärker als der landesweite Median der Angebotsmieten.
- 3.
- Die Mietbelastung der Haushalte in der Gemeinde übersteigt den landesweiten Median der Mietbelastung deutlich.
- 4.
- Die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit in mindestens gleichem Umfang Wohnraum geschaffen wird.
- 5.
- Es besteht geringer Leerstand in Höhe von nicht mehr als vier Prozent bei großer Nachfrage.
5. Veröffentlichung der Daten
Die Begründung einer Mietpreisbremse für den Freistaat Sachsen wird zusammen mit der Mietpreisbegrenzungs-Verordnung im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt abgedruckt. Die zugrunde gelegten Indikatoren („Indikatorentabelle zur MPB“) werden auf der Internetseite www.bauen-wohnen.sachsen.de unter der Rubrik „Recht des Wohnungswesens“ im Themenbereich Mietpreisbremse öffentlich zugänglich gemacht.
III. Bewertung aller Gemeinden anhand der Indikatorentabelle von empirica ag
Die Sächsische Staatsregierung lässt sich bereits seit 2016 im Zusammenhang mit der FRL gebundener Mietwohnraum jährlich eine umfassende, gemeindegenaue Indikatorentabelle wichtiger wohnungswirtschaftlicher Kenndaten vom unabhängigen Marktforschungsinstituts empirica ag erarbeiten und veröffentlicht diese im Internet, damit alle am Markt Beteiligten damit arbeiten können. Die für alle über 400 Gemeinden ausgewiesenen Indikatoren dienen zunächst als Grundlage für die Entscheidung, in welchen Gemeinden aufgrund eines entsprechend problematischen Wohnungsmarktes eine Förderung von Sozialwohnungen erfolgen darf. Die Indikatorentabelle zur FRL gebundener Mietwohnraum wurde nunmehr als Indikatorentabelle zur Sächsischen Mietpreisbegrenzungsverordnung um Daten ergänzt, die für die ausgewählten Kriterien hinsichtlich der Einführung der Mietpreisbremse relevant sind. Sie dient im Weiteren als Instrument für eine Vorauswahl der Gemeinden im Freistaat Sachsen, die für die Einführung einer Mietpreisbremse in die engere Wahl kommen.
Eine detailliertere Betrachtung und Gesamtschau soll für alle Gemeinden erfolgen, in denen mindestens vier der fünf definierten Beurteilungskriterien zutreffen. Grund dafür ist, dass im Rahmen der vertieften Einzelbetrachtung und einer Gesamtschau auch in Gemeinden mit nur vier erfüllten Indikatoren eine gravierende Anspannung am Wohnungsmarkt vorliegen kann. Alle Gemeinden mit bis zu drei Indikatoren werden jedoch nicht näher betrachtet.
Diese Vorauswahl führt zu folgendem Ergebnis (Datenstand jeweils 31.12.2020):
Zwischenergebnis:
In der Stadt Leipzig sind sämtliche fünf Indikatoren erfüllt. Vier der fünf Indikatoren sind in der Stadt Dresden und der Gemeinde Rackwitz erfüllt. Daher werden im Weiteren die Städte Leipzig, Dresden und die Gemeinde Rackwitz anhand der Indikatoren einer vertieften Betrachtung unterzogen.
IV. Erläuterung der ausgewählten Indikatoren
1. Zu Indikator 1:
Der Median der Angebotsmieten in der Gemeinde liegt über dem landesweiten Median der Angebotsmieten.
§ 556d Absatz 1 Satz 1 BGB begrenzt die Miete, die bei einem neuen Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen wird, die sogenannte Neuvertragsmiete. Ihre Höhe wäre ein naheliegender Indikator für die Beurteilung der Gefährdung einer angemessenen Wohnraumversorgung. Da es jedoch keine valide Statistik der Neuvertragsmieten gibt, wird auf die Angebotsmieten zurückgegriffen, zumal in der Regel nur geringe Unterschiede zwischen Angebotspreis und vertraglich vereinbartem Preis bestehen. Die Daten über Angebotsmieten basieren auf der empirica-Preisdatenbank und stammen aus veröffentlichten Wohnungsanzeigen aus Tageszeitungen und Anzeigen im Internet.
Ein angespannter Wohnungsmarkt ist durch hohe Angebotsmieten gekennzeichnet, welche auf Marktanspannungen meist direkt mit Erhöhungen reagieren. Die Entwicklung der Bestandsmieten folgt dieser Entwicklung in der Regel mit deutlichem Zeitverzug und gegebenenfalls auch mit geringeren Ausschlägen. Daher ist eine Angebotsmiete oberhalb des sächsischen Medians ein Hinweis auf eine Marktanspannung. Angebotsmieten sind im Gegensatz zu Bestandsmieten flächendeckend verfügbar. Gemeindegenaue Angaben zu Bestandsmieten liegen insbesondere im ländlichen Raum nicht flächendeckend vor.
Die Analyse der Daten zeigt, dass nur in 40 Gemeinden der Median der Angebotsmiete über dem sächsischen Median in Höhe von 5,91 Euro/m² liegt. Bei 378 sächsischen Gemeinden liegen die Angebotsmieten unter dem sächsischen Landesmedian.
2. Zu Indikator 2:
Der Median der Angebotsmieten der Gemeinde steigt deutlich stärker als der landesweite Median der Angebotsmieten.
Ein überdurchschnittlicher Anstieg der Angebotsmieten ist ein klares und frühes Indiz dafür, dass der entsprechende Wohnungsmarkt diese Mieterhöhungen akzeptiert beziehungsweise akzeptieren muss und kann damit ein Indiz für einen Wohnungsmarkt unter Druck sein, insbesondere wenn gleichzeitig wenig Leerstand vorhanden ist und die Nachfrage stärker wächst als die Wohnungszahl. Wenn eine hohe Nachfrage auf ein zu geringes Angebot trifft, wird dies an (schnell) steigenden Angebotsmieten sichtbar. Für einkommensschwache Haushalte, die neu in die Gemeinde ziehen oder umziehen müssen, wird durch einen starken Anstieg der Angebotsmieten eine Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen erschwert.
Der landesweite Median der Angebotsmiete hat sich in der Zeit von 2015 bis 2020 von 5,35 Euro/m² auf 5,91 Euro/m² erhöht. Das entspricht einer Steigerung von 10,5 Prozent. Der Indikator wäre also erfüllt, wenn der Median der Angebotsmiete in der Gemeinde deutlich stärker als 10,5 Prozent steigt.
Die Steigerung einer Miete im zu beurteilenden Zeitraum (2015–2020) ist auch im Kontext zum Median der Angebotsmiete zu Beginn der Steigerung (Ausgangsniveau) zu beurteilen, da ein niedriges Ausgangsniveau die Steigerung relativieren kann. Außerdem ist wichtig, welche durchschnittliche Mietbelastung in der jeweiligen Gemeinde vorherrscht. Beispielsweise kann eine Gemeinde mit zwar hoher Angebotsmiete, aber gleichzeitig hohem Einkommensniveau eine hohe Mietsteigerung besser verkraften. In der Gemeinde ist dann aufgrund des hohen Einkommensniveaus immer noch eine durchschnittliche und tragbare Mietbelastung vorzufinden.
Der Begriff „deutlich“ wurde vom Bundesgesetzgeber nicht definiert. Auch die Begründung zum Mietrechtsnovellierungsgesetz sieht von konkreten Vorgaben ab. Insofern ist eine Definition des Begriffs „deutlich“ durch die ausführenden Länderverwaltungen erforderlich. Weil sich die Indikatoren gegenseitig beeinflussen, kann für die Begriffsdefinition keine starre Festlegung getroffen werden. Das Kriterium muss vielmehr für jede einzelne Gemeinde im Kontext aller Indikatoren beurteilt werden. Diese Gesamtschau wird unter Ziffer V vorgenommen.
3. Zu Indikator 3:
Die Mietbelastung der Haushalte in der Gemeinde übersteigt den landesweiten Median der Mietbelastung deutlich.
Der Indikator der Mietbelastung ist ein wichtiger Indikator, weil er zeigt, in welchem Umfang eine starke Dynamik (zum Beispiel infolge starker Anstiege der Angebotsmiete – siehe Indikator 2.) sozial „abgefedert“ oder durch ein hohes Einkommensniveau relativiert wird – oder nicht. Die Mietbelastung wird rechnerisch ermittelt, indem der Median der örtlichen Angebotsmieten durch das verfügbare durchschnittliche Haushalts-Nettoeinkommen der privaten Haushalte je Einwohner dividiert wird.1 Damit bildet die Relation zwischen Angebotsmiete und Einkommen in Form der Mietbelastung ein wesentliches Beurteilungskriterium für eine Gefährdung der Wohnraumversorgung.
Eine Definition, wann der Median „deutlich“ überschritten ist, existiert weder in den Rechtsdokumenten noch in der Fachliteratur. Es erfolgt daher keine zahlenmäßige Definition, wann die Überschreitung als „deutlich“ definiert wird. In die Vorauswahl wurden alle 22 Gemeinden einbezogen, die einen Indexwert von mindestens 105 ausweisen. Die weitere Abwägung erfolgt in der Gesamtschau.
4. Zu Indikator 4:
Die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit in mindestens gleichem Umfang Wohnraum geschaffen wird.
Ein naheliegender Gefährdungsindikator wird in einer wachsenden Wohnbevölkerung ohne entsprechenden Zuwachs an Wohnungen gesehen. Die Zahl nachfragender Haushalte errechnet sich aus der Bevölkerungsentwicklung durch Division mit der durchschnittlichen Haushaltsgröße. Dem Zuwachs an Haushalten wird der Zuwachs an Wohnraum gegenübergestellt. Wenn einer zunehmenden Zahl von Haushalten keine entsprechende Zahl von zusätzlichen Wohnungen (einschließlich Einfamilienhäusern) gegenübersteht, könnte der zusätzliche Bedarf im Wesentlichen nur aus dem Leerstand gedeckt werden. Wenn dieser jedoch gleichzeitig gering ist (siehe Indikator 5), muss von einer Versorgungsgefährdung ausgegangen werden.
Allerdings kann aufgrund der begrenzt vorhandenen Daten keine sachsenweite Differenzierung nach Wohnungsgröße, Ausstattungsniveau oder besonderen Bedarfen, wie zum Beispiel Barrierefreiheit erfolgen. Für eine Prüfung aller sächsischen Gemeinden ist ausschließlich ein Vergleich der im Zensus 2011 erhobenen Wohnungszahl, fortgeschrieben mit den jährlichen Bau- und Rückbauzahlen, zur Entwicklung der nachfragenden Haushalte möglich.
In der Betrachtung werden zudem auch die Baugenehmigungen betrachtet, die einen Hinweis auf zukünftige Baufertigstellungen geben. Geringe Baugenehmigungszahlen ermöglichen nur geringe zukünftige Bautätigkeit. Allerdings sind hohe Baugenehmigungszahlen kein sicheres Indiz für eine zukünftige hohe Bautätigkeit, da viele Baugenehmigungen nicht realisiert werden.
5. Zu Indikator 5:
Es besteht geringer Leerstand in Höhe von nicht mehr als vier Prozent bei großer Nachfrage.
Ein Wohnungsmarkt gilt dann als ausgeglichen, wenn sich das Wohnungsangebot und die Wohnungsnachfrage (bei bezahlbaren Mieten) in einem ausgeglichenen Verhältnis befinden. Damit steht Wohnungssuchenden so viel Wohnraum zur Verfügung, dass ein Wohnungswechsel oder ein Zuzug von außen problemlos möglich ist.
Die Begriffe „geringer Leerstand“ und „große Nachfrage“ sind nicht definiert, beschreiben jedoch einen Missstand entweder hinsichtlich fehlenden Angebots oder hinsichtlich übermäßiger Nachfrage, der sich letztlich auf die (Miet-)Preise am Markt auswirkt. Die Begründung zum Mietrechtsnovellierungsgesetz sieht von konkreten Vorgaben ab. Insofern obliegt es auch bei diesem Indikator den Ländern, die Begriffe „geringer Leerstand“ und „große Nachfrage“ zu bestimmen.
Leerstand ist in gewissem Umfang in einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt notwendig und normal. Dieser sogenannte Fluktuationsleerstand ergibt sich durch Mieterwechsel, die oft mit (kurzen) Leerständen gegebenenfalls auch für kleinere Renovierungen verbunden sind. Darüber hinaus ergibt sich Leerstand zum Beispiel auch, wenn ein Mietwohngebäude umfassend saniert werden soll und hierfür leergezogen sein muss beziehungsweise während der Renovierung leer steht. Der längere Prozess des Leerziehens ist in der Regel mit dem wachsenden Leerstand in dem Gebäude über einige Zeit verbunden. Leerstand kann auch entstehen, wenn zum Beispiel neu gebauter oder entsprechend modernisierter Wohnraum aufgrund der Baukosten oder aufgrund der hochwertigen Ausstattung zu einem Preis angeboten wird, der in diesem Umfang nicht nachgefragt wird.
Der normale Fluktuationsleerstand wird laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in der Literatur meist zwischen zwei und drei Prozent, teilweise auch mit drei bis fünf Prozent, vereinzelt auch mit fünf bis sieben Prozent angegeben.2
„Geringer Leerstand“ bedeutet, dass der Nachfragedruck auf dem Wohnungsmarkt so hoch ist, dass der normale Fluktuationsleerstand unterschritten wird. Dies ist ein wichtiges Indiz für einen Wohnungsmarkt, auf dem die nachfragenden Haushalte eine nicht ausreichende Angebotssituation vorfinden und damit ein mögliches Kriterium zur Feststellung einer Versorgungsgefährdung. Wohnungssuchende finden häufiger keine passende Wohnung für einen Wechsel ihrer Wohnung bei sich ändernden Bedarfen. Das kann zu Missständen führen. Zum Beispiel finden Familien bei Familienzuwachs keine größere Wohnung, gleichzeitig verbleiben alleinstehende Personen in ihrer zu groß gewordenen Wohnung, weil eine kleinere nicht zu finden ist.
Das Bundesverwaltungsgericht3 hat zum Thema Fluktuationsleerstand ausgeführt, dass eine Unterversorgung mit Wohnraum für die breiteren Bevölkerungsschichten sogar schon drohen könne, wenn ein leichtes Übergewicht des Angebots bestehe. Insofern könne erst ab einem gewissen Mindestleerstand sicher von der Abwesenheit eines Wohnungsdefizites ausgegangen werden. Dieser Mindestleerstand sollte daher oberhalb der gemeinhin als notwendig angesehenen Fluktuationsreserve von 2,5 Prozent angesetzt werden.
Problematisch ist, dass aktuelle Leerstandsdaten erst mit dem Zensus 2022 wieder vorliegen werden. Die Fortschreibungen der Zensusdaten von 2011 sind naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden.
Zudem wäre eine Differenzierung notwendig, ob der Leerstand auch tatsächlich dem Bedarf gefährdeter Bevölkerungsgruppen (Menschen mit niedrigen Einkommen und gegebenenfalls besonderen Bedarfen hinsichtlich Wohnungsgröße, Barrierefreiheit und anderem) entspricht. Dies ist mit den vorliegenden Daten nicht möglich.
Als weiteres Problem ist zu beobachten, dass ein Teil des rechnerischen Leerstandes möglicherweise durch Zweckentfremdung von Mietwohnungen nicht zur Deckung von Wohnbedarfen zur Verfügung steht.
Ein weiterer Einflussfaktor auf die Höhe des notwendigen, rechnerischen Leerstandes ist die Passgenauigkeit des Neubaus zur Nachfrage. Wenn beispielsweise – wie in Dresden – viel Neubau erfolgt, dieser aber zu einem sehr großen Teil im höheren Preissegment angeboten wird, in dem nur eine begrenzte Nachfrage besteht, dann stehen die Neubauwohnungen bis zur Erstvermietung überdurchschnittlich lange leer. Dies würde die Beurteilung des Leerstandes hinsichtlich der Versorgungsgefährdung ebenfalls verzerren.
Wenngleich als „normale“ Fluktuationsreserve mehrheitlich von durchschnittlich circa drei Prozent ausgegangen wird, so wird aufgrund der dargestellten Aspekte, die insbesondere in den näher zu prüfenden Städten Dresden und Leipzig relevant sind, davon ausgegangen, dass die normale Fluktuationsreserve eher höher angesetzt werden muss. Da nicht näher erkennbar ist, wie hoch auf einem konkreten Wohnungsmarkt in einem konkreten Zeitraum die normale Fluktuationsreserve wäre und damit unklar ist, wann diese unterschritten ist, wird zur Sicherheit ein Leerstand von nicht mehr als vier Prozent als „gering“ eingestuft. Bei der Gesamtbetrachtung einer Stadt wird dabei ein Leerstand nur knapp unter vier Prozent als ein weniger starker oder eindeutiger Hinweis auf eine problematische Versorgungssituation gewertet als ein Leerstand weit unter drei Prozent. Zur weiteren Indikatorenbeurteilung wird vor dem Hintergrund dieser Aspekte davon ausgegangen, dass bereits bei einem Leerstand in Höhe von weniger als vier Prozent eine Versorgung Wohnungssuchender zunehmend problematisch sein könnte.
Fluktuationsleerstand ist also in jedem Fall erforderlich, um einen Wohnungswechsel zu gewährleisten. Bei zu geringem Leerstand (gegebenenfalls unterhalb der Fluktuationsreserve) ist es deshalb zunächst erforderlich, den Wohnungsleerstand durch Neubautätigkeit so „aufzufüllen“, bis die für einen funktionierenden Wohnungsmarkt erforderliche Fluktuationsreserve wieder gegeben ist.
Für diese Analyse wird der rechnerisch ermittelte Leerstand verwendet, weil amtliche erhobene Daten zum Leerstand auf Gemeindeebene nur für das Jahr 2011 vorliegen (Zensus 2011). Der Leerstand wird wie folgt errechnet:
Math. Zeichen | Beschreibung |
---|---|
Zensusleerstand 2011 | |
– | Anstieg Zahl der Haushalte im zurückliegenden Zeitraum 2011 bis zum aktuellen Stichtag |
+ | Zunahme des Wohnungsbestands im zurückliegenden Zeitraum 2011 bis zum aktuellen Stichtag (beziehungsweise neu errichtete Wohnungen abzgl. Wohnungsabgang [Abriss, Nutzungsänderung, Zusammenlegung]) |
= | aktueller Leerstand |
Diese Vorgehensweise entspricht der Rechnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zur amtlichen Ermittlung des Leerstands auf Kreisebene. (http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/WohnenImmobilien/Immobilienmarktbeobachtung/ProjekteFachbeitraege/Wohnungsleerstand/wohnungsleerstand.html?nn=446432)
Datengrundlage sind die gleichen Quellen wie beim Indikator „Bevölkerungswachstum“), die amtliche Statistik der Baufertigstellungen und Bauabgänge (2011 bis zum aktuellen Stichtag) sowie der Leerstand gemäß Zensus 2011. Die Nachfrage wird bestimmt durch die Anzahl der nachfragenden Haushalte. Hierüber liegen jedoch keine statistischen Daten vor. Daher wird die Nachfrage errechnet, indem die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner durch die durchschnittliche Größe der Haushalte geteilt wird.
Leerstandsdaten der Eigentümer der Wohnungen sind flächendeckend nicht verfügbar. Durch Abfrage ermittelte Grunddaten lagen nur im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) 2011 vor, die nun durch empirica bis heute fortgeschrieben wurden. Nur so war es mit einer einheitlichen Berechnungsmethode möglich, flächendeckende Aussagen für sämtliche sächsische Gemeinden zu formulieren, auch wenn die Berechnungsergebnisse teilweise von realen Ergebnissen abweichen können.
V. Betrachtung der Einzelkriterien und ihre Beurteilung aus einer Gesamtsicht
Jede Gemeinde wurde im Rahmen der Vorauswahl durch die Anzahl erfüllter Indikatoren gekennzeichnet, was einer Punkte-Bewertung gleichkommt. Im Ergebnis kann mit diesem Punktesystem eine Vorauswahl getroffen werden, in welchen sächsischen Gemeinden die ausreichende Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen möglicherweise gefährdet ist. Diese Gefährdung ist zu befürchten, wenn mindestens vier der oben genannten Beurteilungskriterien erfüllt sind. Im Ergebnis bedürfen die Wohnungsmarktbedingungen der Städte Dresden, Leipzig und Rackwitz einer näheren Beurteilung.
Indikator 1: Der Median der Angebotsmieten in der Gemeinde liegt über dem landesweiten Median der Angebotsmieten.
Die Indikatorenanalyse zeigt für die Städte Dresden, Leipzig und die Gemeinde Rackwitz sehr hohe Angebotsmieten. In Rackwitz betrug der Median der Angebotsmieten am 31. Dezember 2020 6,73 Euro/m² und damit 82 Cent über dem sächsischen Median der Angebotsmieten (5,91 Euro/m²). Die Gemeinde Rackwitz befindet sich circa drei Kilometer nördlich der Stadtgrenze zu Leipzig, liegt an der S-Bahn-Strecke nach Leipzig mit eigenem S-Bahnhof und befindet sich im Kreuzungsbereich der Bundesautobahn 14 sowie der Bundesstraßen B 184 und B 2. Mit dieser sehr guten infrastrukturellen Anbindung ist sie Teil des sogenannten „Speckgürtels“ von Leipzig und bietet besonders attraktive Bauplätze zur Schaffung von Wohneigentum. Circa 85 Prozent der Wohngebäude sind Ein- und Zweifamilienhäuser4. Viele neu fertiggestellte Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern ließen den prozentualen Anteil der Mietwohngebäude (drei und mehr Wohnungen*) in der Gemeinde Rackwitz von circa 15,3 Prozent im Jahr 2016 auf circa 14,5 Prozent am 31. Dezember 2020 sinken.5 Damit hat sich der Mietwohnungsmarkt in Rackwitz verkleinert und es ist für sozial bedürftige Haushalte in den letzten fünf Jahren schwerer geworden, eine Mietwohnung zu finden. Tendenzen der Verknappung an Wohnraum und demzufolge einer Anspannung sind nicht auszuschließen.
Mit 7,21 Euro/m² lag auch die Stadt Leipzig am 31. Dezember 2020 insgesamt 1,30 Euro/m² über dem Median der landesweiten Angebotsmieten. Die Stadt Dresden hatte am 31. Dezember 2020 mit 7,86 Euro/m² die zweithöchste Angebotsmiete in Sachsen (höchste Angebotsmiete in Radebeul 7,98 Euro/m²) und liegt damit fast zwei Euro (1,95 Euro/m²) über dem Median sächsischer Angebotsmieten. Da in beiden Städten die Einkommen niedriger liegen als der Landesmedian in Sachsen (näheres siehe Indikator Mietbelastung), muss davon ausgegangen werden, dass insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen schwer angemessenen, bezahlbaren Wohnraum finden. Dies gilt umso mehr, da beide Städte wachsen und die zusätzliche Nachfrage nur durch Neubau befriedigt werden kann (vergleiche Indikator 4), der jedoch in der Regel mit Mieten nicht unter 10,50 Euro6 oft jedoch gerade in Dresden auch für 14 Euro und mehr angeboten wird. Relativ gesehen wird die Chance auf einen bezahlbaren Mietzins für Haushalte mit geringen Einkommen dadurch fortlaufend geringer, da die neuen Haushalte in allen Einkommensgruppen zu finden sind.
Der Indikator wird demnach in den Städten Dresden, Leipzig und der Gemeinde Rackwitz als Problemanzeige gewertet.
Indikator 2: Der Median der Angebotsmieten der Gemeinde steigt deutlich stärker als der landesweite Median der Angebotsmieten.
Die höchste Steigerung der Angebotsmiete ist im Zeitraum 2015–2020 in der Stadt Leipzig festzustellen. Hier stiegen die Angebotsmieten um mehr als ein Viertel (25,4 Prozent). Im Vergleich zur Steigerung des landesweiten Median der Angebotsmiete im gleichen Zeitraum in Höhe von 10,5 Prozent (von 5,35 Euro/m² in 2015 auf 5,91 Euro/m² in 2020) kann eine Mietensteigerung um 25,4 Prozent in Leipzig also als „deutlich“ eingeschätzt werden. Immerhin ist die Miete gegenüber dem landesweiten Median um fast 15 Prozentpunkte und damit um 140 Prozent mehr angestiegen.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) bezeichnet die Stadt Leipzig als „Boomstadt“ in Ostdeutschland, da nach BBSR-Daten die Angebotsmieten in Leipzig in den letzten zehn Jahren um jährlich 3,9 Prozent gestiegen sind – die dritthöchste Mietensteigerung in den ostdeutschen Großstädten nach Berlin (+7,7 Prozent) und Potsdam (+4,0 Prozent).7 Obwohl Leipzig im Jahr 2015 mit 5,75 Euro einen – insbesondere im bundesweiten Vergleich – relativ niedrigen Median der Angebotsmiete hatte, ist die Steigerung so gravierend, dass für Haushalte mit geringen Einkommen fraglos die Entwicklung schwer zu bewältigen ist. Investoren weisen darauf hin, dass die ursprünglich niedrigen Mieten in Leipzig nicht kostendeckend waren und eine Mietsteigerung zur sinnvollen Bewirtschaftung von Mietwohngebäuden notwendig war. Auch wenn dieser Argumentation grundsätzlich gefolgt wird, ist es notwendig, diese Entwicklung bei den zwischenzeitlich erreichten Mieten und ohne das ein Ende der Mietsteigerungen erkennbar wäre zu verlangsamen beziehungsweise zu bremsen. Da die Steigerung der Angebotsmieten die zeitlich versetzte Steigerung der Bestandsmieten nach sich zieht, in der Regel aber auch umgekehrt begrenzte Bestandsmietensteigerung auch die Steigerung der Angebotsmieten bremst, ist es notwendig diese Entwicklungen für einen begrenzten Zeitraum durch eine Mietpreisbremse zu verlangsamen.
In der Stadt Dresden ist die Angebotsmiete in der Zeit zwischen 2015 und 2020 um 13,9 Prozent angestiegen. Der Anstieg liegt damit um 32 Prozent beziehungsweise um 3,4 Prozentpunkte höher als der Anstieg des landesweiten Medians von 10,5 Prozent. Auch dieser Unterschied wird als „deutlich“ im Sinne des Indikators eingestuft. Zudem ist in der Gesamtschau zu beachten, dass das Ausgangsniveau der Angebotsmiete bereits am 31. Dezember 2015 sachsenweit am zweithöchsten war (6,90 Euro/m²). Eine noch höhere Angebotsmiete wurde 2015 nur in der Stadt Radebeul erreicht (7,00 Euro/m). Besonderes Gewicht bekommt diese Steigerung der Angebotsmiete in Dresden durch die Tatsache, dass die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Dresden am 31. Dezember 2020 mit der dritthöchsten Mietbelastung in Sachsen überdurchschnittlich hoch belastet waren (Indexwert: 133) und die Steigerung der Angebotsmiete um 13,91 Prozent in Dresden bei bereits so hohem (Miet-) Belastungsniveau besonders für sozial Benachteiligte kaum zu verkraften sein dürfte.
In der Gemeinde Rackwitz ist mit 25,33 Prozent die Angebotsmiete genauso stark gestiegen, wie in der Stadt Leipzig. Damit stieg dort die Angebotsmiete ebenfalls fast um 15 Prozent mehr, als der Anstieg des landesweiten Medians der Angebotsmiete – und damit deutlich stärker – als der landesweite Median. Umso bedeutsamer wird dies, weil einerseits die in Rackwitz festgestellte hohe Mietbelastung den Landesdurchschnitt (Indexwert: 109) überschreitet und andererseits für 184 neuen Haushalte in Rackwitz nur 143 neu fertiggestellte Wohnungen verfügbar waren. Das heißt, dass sozial bedürftigen Haushalten weniger Angebot am Markt zur Verfügung stand und die gleichzeitige deutliche Steigerung der Angebotsmieten sozial bedürftigen Haushalten die Suche nach bezahlbarem Wohnraum erschwerte.
Damit wird im Rahmen der Gesamtschau deutlich, dass dieser Indikator in den Städten Leipzig, Dresden und der Gemeinde Rackwitz auf eine Versorgungsgefährdung hinweist.
Indikator 3: Die Mietbelastung der Haushalte in der Gemeinde übersteigt den landesweiten Median der Mietbelastung deutlich.
Eine deutliche Überschreitung des landesweiten Durchschnitts mit einem Indexwert von mindestens 105 kann in Sachsen bei insgesamt 22 Gemeinden festgestellt werden. Besonders deutlich überschreiten die Städte Dresden und Leipzig diese Grenze. Die Stadt Leipzig hat in Sachsen die zweithöchste Mietbelastung (Indexwert 136) und die Stadt Dresden die dritthöchste Mietbelastung (Indexwert 131). Diese hohen Mietbelastungen übersteigen den landesweiten Median auf jeden Fall deutlich und müssen nicht weiter analysiert werden.
Die Gemeinde Rackwitz weist zwar ein nur mäßig überdurchschnittliches Niveau der Mietbelastung auf (Indexwert 109). In der Gesamtschau ist jedoch auch im Kontext anderer Indikatoren zu beachten, dass die gleichzeitige deutliche Steigerung der Angebotsmieten (mehr als 25 Prozent in fünf Jahren) sozial bedürftigen Haushalten die Suche nach bezahlbarem Wohnraum erschwerte. Aus diesem Grund gilt die überdurchschnittliche Mietbelastung als Signal, dass in Rackwitz eine problematische Anspannung am Mietwohnungsmarkt vorhanden sein könnte.
Der Indikator ist somit für die Städte Dresden, Leipzig und die Gemeinde Rackwitz erfüllt.
Indikator 4: Die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit in mindestens gleichem Umfang Wohnraum geschaffen wird.
In insgesamt 14 sächsischen Gemeinden konnte das Wachstum der Wohnbevölkerung nicht durch eine adäquate Neubautätigkeit gedeckt werden, so auch in den Städten Dresden, Leipzig und der Gemeinde Rackwitz.
In Leipzig kamen in der Zeit zwischen 2015 und 2020 insgesamt 20 876 neue Haushalte, allerdings nur 11 223 neue Wohnungen hinzu. Das ist eine erhebliche rechnerische Unterdeckung in Höhe von 9 653 Wohnungen. Theoretisch könnte die Lücke auch durch leer stehende Wohnungen geschlossen werden, die Leerstandszahlen (siehe Indikator 5) für Leipzig lassen diese Vermutung jedoch nicht zu. Damit wird in der Unterdeckung ein weiterer Hinweis für eine problematische Versorgungssituation auf dem Wohnungsmarkt in Leipzig gesehen.
In der Stadt Dresden sind seit dem Jahr 2015 bis 2020 6 679 zusätzliche Haushalte hinzugekommen. Im gleichen Zeitraum wurden in Dresden 13 478 Wohnungen fertiggestellt. Damit stand rein rechnerisch der wachsenden Wohnbevölkerung eine adäquate Neubautätigkeit gegenüber.
In der Gesamtschau ist jedoch zu berücksichtigen, dass nur ein Teil der fertiggestellten Wohnungen dem Mietwohnungsmarkt tatsächlich zur Verfügung stehen. Weil jedoch über die spätere Nutzung fertiggestellter Wohnungen (zum Beispiel als Eigentums- oder Mietwohnungen oder insbesondere auch als Ferienwohnung8) keine Statistik geführt wird, ist nicht klar, mit wie viel fertiggestellten Wohnungen die Wohnungsnachfrage neuer (Miet-)Haushalte tatsächlich bedient werden konnte.
Die Stadt Dresden hat jedoch seit mehreren Jahren einen sehr niedrigen Wohnungsleerstand. Damit war in den vergangenen Jahren die ausreichende Mobilität Wohnungssuchender gefährdet. Es bedarf einer mehrjährigen Angebotsüberdeckung, bis das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage in Dresden wieder so ausgeglichen ist, dass mit einer angemessenen Fluktuationsreserve genügend Leerstand existiert, um zu gewährleisten, dass auch Wohnungssuchende mit geringem Einkommen bezahlbaren, angemessenen Wohnraum finden. Dies erscheint mit dem aktuellen rechnerischen Leerstand von 3,1 Prozent noch nicht stabil gegeben.
Der Bauüberhang in einer Gemeinde ist die Grundlage für das Baugeschehen der Zukunft, denn aus Baugenehmigungen entstehen (zum Großteil) Baufertigstellungen. Ab dem Jahr 2018 ist der Bauüberhang von 6 721 auf 5 445 „überhängende“ Wohnungen im Jahr 2020 gesunken. Das heißt, die Baudynamik hat abgenommen.
Das verdeutlicht auch die Zahl der Baugenehmigungen. Während im Jahr 2017 noch 1 153 Baugenehmigungen für 4 768 Wohnungen erteilt wurden, waren es im Jahr 2020 nur noch 901 Baugenehmigungen für 3 403 Wohnungen. Somit wurden weniger Wohnungen genehmigt und bei Fortsetzung des Trends ist ein Defizit an Mietwohnungen für zukünftige Jahre nicht auszuschließen. Zudem bestehen Zweifel, inwieweit die neu gebauten Wohnungen mit ihren Mieten ab 10,50 Euro9 zur Entlastung der Situation für Haushalte mit geringen Einkommen beitragen. Daher wird für Dresden trotz der rechnerischen Deckung der Anzahl neuer Haushalte durch neu gebaute Wohnung nicht eingeschätzt, dass mit Blick auf die Gesamtsituation in Dresden dieser Indikator ein ausreichender Hinweis ist, dass keine Versorgungsgefährdung, insbesondere für Haushalte mit geringen Einkommen, vorliegt.
In die Gemeinde Rackwitz sind zwischen 2015 und 2020 184 neue Haushalte gezogen. Dieser Nachfrage standen lediglich 143 neu fertiggestellte Wohnungen gegenüber, von denen sich nur jede zehnte Wohnung in einem Mehrfamilienhaus befand (Gebäude mit mindestens drei Wohneinheiten). Das bedeutet, dass sich der Großteil der fertiggestellten Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern befanden, die in der Regel zur Eigennutzung bestimmt sind. Das bedeutet, dass nicht nur, aber insbesondere im Mietwohnungsbereich in Rackwitz zu wenige Wohnungen gebaut wurden, um die gestiegene Nachfrage zu decken.
Der Indikator ist für die Stadt Leipzig und die Gemeinde Rackwitz erfüllt. Für Dresden ist der Indikator rechnerisch nicht erfüllt, mit Blick auf die Gesamtsituation erscheinen die Zahlen jedoch kein tragfähiger Hinweis, dass in Dresden keine Versorgungsgefährdung vorliegt.
Indikator 5: Es besteht geringer Leerstand in Höhe von nicht mehr als vier Prozent bei großer Nachfrage
In nur drei sächsischen Gemeinden liegt der Leerstand bei nicht mehr als vier Prozent. Neben Dresden und Leipzig gilt dies nur für die Stadt Brandis 2,9 Prozent. Da sich in Brandis in der Zeit zwischen 2015 und 2020 jedoch nur 98 neue Haushalte ansiedelten und diesen neuen Haushalten 127 neue Wohneinheiten gegenüberstanden, ist im Hinblick auf diesen Indikator keine Gefährdung der Wohnraumversorgung erkennbar. Zurzeit erfüllt Brandis nur drei der vorgegebenen Indikatoren und wurde damit von der Vorauswahl (siehe oben) nicht umfasst. Brandis hat jedoch einen sehr kleinen Mietwohnungsmarkt, weil die Stadt als beliebter Bauort für Ein-/Zweifamilienhäuser gilt und damit der Mietwohnungsmarkt sehr klein ist. Die Stadt befindet sich im sogenannten „Speckgürtel“ und ist durch den Haltepunkt der S-Bahn gut erreichbar. Das geringe Angebot an Mietwohnungen provoziert somit starke Preisschwankungen, so auch in der Zeit zwischen 2015 und 2020. (+17,9 Prozent). Eine unmittelbare Gefährdung der Wohnraumversorgung ist jedoch nicht zu identifizieren. Somit ist auch eine Mietpreisbremse für Brandis nicht begründet.
Der rechnerisch ermittelte Leerstand liegt in Leipzig bei lediglich 0,7 Prozent. Auch in Dresden liegt der Leerstand mit 3,1 Prozent deutlich unterhalb der gesetzten Grenze von nicht mehr als vier Prozent. Dass in beiden Städten große Nachfrage besteht, ergibt sich bereits aus den Darlegungen der vorangegangenen Indikatoren, insbesondere der Bevölkerungsentwicklung.
Die Stadtverwaltung Leipzig hat für Leipzig für das Jahr 2019 einen Leerstand von 2,2 Prozent geschätzt. Die Stadt Leipzig geht dabei wie auch empirica von den Zensuszahlen 2011 aus, rechnet dann jedoch teilweise mit kommunalen Daten etwas differenzierter10.
Die Verbände Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V., Haus&Grund sowie Stadtgestalter Leipzig haben darauf hingewiesen, dass die Leerstandsquoten ihrer Mitglieder höher liegen als die für Leipzig nach dem oben beschriebenen Rechenverfahren errechnete Leerstandsquoten und bezweifeln daher, dass die niedrigen amtlich errechneten Zahlen die Realität gut widerspiegeln. Beispielsweise haben die Verbände der sächsischen Wohnungswirtschaft für die Stadt Leipzig angegeben, dass mehr als 6 000 Wohnungen in der Stadt Leipzig leer stehen, während empirica durch Fortschreibung lediglich 1 513 leer stehende Wohnungen errechnete.
Die Stadt Leipzig führt dazu in einem Schreiben an das Staatsministerium für Regionalentwicklung aus: „Die Leerstandsquote differiert im Stadtgebiet. Ursachen sind vor allem baualtersklassenbezogene beziehungsweise baustrukturelle Unterschiede. So weisen einerseits Ortsteile mit vergleichsweise hohem Anteil unsanierte Gebäude aus der Gründerzeit höhere Leerstandsquoten – nämlich nicht marktaktiver Leerstand – auf. Andererseits konzentrieren sich Leerstände in Ortsteilen mit einem hohen Anteil Gebäude aus der Baualtersklasse 1961–1990, den DDR-Plattenbaubeständen. Dies erklärt auch, dass die organisierte Wohnungswirtschaft mit einem hohen Anteil DDR-Wohnungsbestand höhere Leerstandsquoten aufweisen, als sich aus der gesamtstädtischen Leerstandsschätzung ergibt. Dennoch offenbaren auch die Leerstandszahlen der organisierten Wohnungswirtschaft einen Rückgang des Leerstandes.“
Da der tatsächliche Leerstand erst wieder mit dem kommenden Zensus erhoben wird und dessen Daten erst voraussichtlich im Jahr 2023 zur Verfügung stehen, können die errechneten Leerstandszahlen mit Blick auf die etwas höheren konkreten Zahlen zum marktaktiven Leerstand einiger Wohnungsunternehmen in Leipzig nicht isoliert als Zeichen für einen angespannten Wohnungsmarkt beziehungsweise eine Gefährdung der Versorgungssituation herangezogen werden.
Mit Blick auf die bereits betrachteten Indikatoren, insbesondere die auch für die kommenden Jahre zu erwartende dynamische Bevölkerungsentwicklung und die deutlich steigenden Angebotsmieten sowie der Tatsache, dass der aufgrund der Bevölkerungsentwicklung notwendige Neubau in der Regel nicht unter 10,50 Euro/m² angeboten werden kann und damit weiter zu steigenden Mieten beiträgt, muss für Leipzig in der Gesamtschau ein angespannter Wohnungsmarkt und eine Gefährdung der Versorgung insbesondere der einkommensschwachen Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum vermutet werden.
Auch in Dresden fügen sich die Leerstandszahlen mit 3,1 Prozent bestätigend in ein Gesamtbild ein, dass mit hohen und steigenden Angebotsmieten, hoher Mietbelastung und weiter steigender Bevölkerung bereits als angespannt beschrieben ist.
In der Gemeinde Rackwitz standen zum 31. Dezember 2020 371 rechnerisch ermittelte Wohnungen leer und die Leerstandsquote wurde demnach mit 12,5 Prozent angegeben. Damit ist die angenommene Grenze in Höhe von vier Prozent bei Weitem überschritten. Im Zuge der Gesamtschau ist davon auszugehen, dass sich Haushalte ausreichend mit Wohnraum versorgen können.
Der Indikator ist somit nur für die Städte Leipzig und Dresden erfüllt.
Endergebnis:
Im Ergebnis der Einzelbeurteilung und der jeweiligen Gesamtschau wird besonders für die Stadt Leipzig ein angespannter Wohnungsmarkt festgestellt, weil sich in der Gesamtbeurteilung der fünf Beurteilungskriterien abzeichnet, dass in der Stadt Leipzig die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Die jährlichen Daten ergeben ein eindeutiges Ergebnis, da alle fünf Indikatoren für die Stadt Leipzig erfüllt sind.
Für die Stadt Dresden hat die Analyse ergeben, dass eine nähere Betrachtung nötig war, auch weil nur vier der erforderlichen Indikatoren erfüllt sind. Die Analyse mit amtlichen Daten des Statistischen Landesamtes, ob der wachsenden Wohnbevölkerung adäquate Neubautätigkeit gegenübersteht, hat letztlich auch für die Stadt Dresden ergeben, dass sich in den folgenden Jahren (bis 2025) durchaus eine Unterdeckung des Angebotes an Mietwohnraum ergeben kann. Damit besteht trotz nur vier erfüllter Indikatoren auch für die Stadt Dresden die berechtigte Annahme, dass die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
In der Gemeinde Rackwitz ist diese Annahme jedoch nicht zu rechtfertigen, weil in der Gemeinde ausreichend leer stehende Wohnungen existieren. Zwar ist das Niveau der Mietbelastung überdurchschnittlich hoch, mit dem überdurchschnittlich hohen Einkommensniveau in Rackwitz (Niveauindex 107 zu Sachsen 100) können jedoch progressive Mietpreisentwicklungen auch zukünftig noch gut ausgeglichen werden.
Unter der Maßgabe, dass zur Begründung einer Mietpreisbremse nur aktuelle Wohnungsmarktbedingungen zu bewerten sind, kann aktuell aufgrund der hohen Wohnungsleerstände nicht angenommen werden, dass in Rackwitz die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
Aus der Gesamtbeurteilung ergibt sich abschließend, dass in Sachsen allein in den Städten Leipzig und Dresden anhand der analysierten Indikatoren von einem derzeit und auch zukünftig angespannten Wohnungsmarkt und einer möglichen Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum ausgegangen wird. Die Mietpreisbegrenzungs-Verordnung bestimmt daher die Städte Leipzig und Dresden als Gebietskulisse nach § 556d BGB.
VI. Bezugsebene
Gemäß der Länderermächtigung in § 556d Absatz 2 BGB liegen Gebiete mit anspannten Wohnungsmärkten vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde besonders gefährdet ist.
Im Freistaat Sachsen war daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur Bestimmung einer Stadt als ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt durch Rechtsverordnung in der gesamten Stadt oder lediglich in einzelnen Stadtteilen vorliegen.
Sowohl in der Stadt Leipzig als auch in der Landeshauptstadt Dresden können die Wohnungsmärkte nicht in geografisch geteilte Teilmärkte zerlegt werden. Die in den Mietspiegeln der Stadt Leipzig und der Landeshauptstadt Dresden abgebildete ortsübliche Vergleichsmiete wird über die Wohnlagenzuordnung hinaus (einfach, mittel und gut) nicht weitergehend territorial innerhalb der beiden Städte abgegrenzt. Vielmehr spiegeln die Mietspiegeltabellen in den Mietspiegeln die ortsübliche Vergleichsmiete unter Berücksichtigung der Gliederungsmerkmale grundsätzlich für die gesamten Gebiete Leipzigs und Dresdens einheitlich wider.
Aufgrund der überall bestehenden räumlichen Nähe, der Infrastruktur und insbesondere der guten verkehrstechnischen Erreichbarkeit sowohl in Leipzig, als auch in Dresden sind vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Länderermächtigung in § 556d Absatz 2 BGB keine Gründe erkennbar, um von territorial abgeschlossenen Teilwohnungsmärkten innerhalb der Stadt Leipzig und innerhalb der Landeshauptstadt Dresden auszugehen.
B) Maßnahmen zur Beseitigung des Wohnungsmangels
Das Problem der Wohnungsknappheit kann bei gleichbleibenden oder weiter steigenden Bevölkerungszahlen allein durch eine Zunahme an Wohnraum gelöst werden. Mietpreisregulierungen allein tragen nicht zu Lösung der Wohnungsknappheit bei und können von daher nur die vorübergehende Flankierung von entsprechenden Maßnahmen, wie insbesondere der Neubauförderung im Sozialen Wohnungsbau, sein.
Nachdem eine zunehmende Anspannung der Wohnungsmärkte in Dresden und Leipzig festgestellt wurde, hat der Freistaat als erste Maßnahme im Ende 2016 eine Förderung zur Schaffung von mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum eingeführt. Die Förderung wurde im Jahr 2021 optimiert und die pro Jahr zur Bewilligung zur Verfügung gestellten Fördermittel von bisher 40 Mio. Euro jährlich auf 50 Mio. Euro jährlich für Dresden und Leipzig erhöht.
Die Verbesserung der Förderrichtlinie gebundener Mietwohnraum trägt auch zur besseren Umsetzbarkeit der erhöhten Fördermittel bei:
- 1.
- Die maximale Förderhöhe je Quadratmeter wird von 3,50 Euro auf 3,80 Euro angehoben. Dies ist sachgerecht, da die bisherige Förderung auf Angebotsmieten für den Neubau von bis zu 10,00 Euro/m² ausging, sich diese Basis in den Städten Dresden und Leipzig jedoch zwischenzeitlich auf 10,50 und 10,70/m² erhöhte. Die Erhöhung bildet damit die gestiegenen Baukosten ab.
- 2.
- Neben dem Bau und der Modernisierung wird nun auch der Erwerb bereits bestehenden Wohnraums innerhalb von zwei Jahren nach Fertigstellung ermöglicht. Dies ist eine sachlogische Ergänzung für Investorinnen und Investoren, die nicht selbst Bauherrinnen und Bauherren sind, aber trotzdem in einen Neubau mit Sozialwohnungen investieren wollen.
- 3.
- Die Gebietskulisse wurde in der bisherigen Förderung durch ein transparentes Indikatorensystem definiert. Da die Gesamtsituation eine Förderung von Dresden und Leipzig aus fachlicher Sicht für sinnvoll und notwendig erachten lässt, wird eine Förderung in diesen beiden Städten konkret festgeschrieben. Für weitere Städte bleibt die Förderung möglich, wenn dort entsprechende Indikatoren erfüllt sind. Das Verfahren ist deshalb insofern erleichtert, als dass die Städte Dresden und Leipzig die Erfüllung der Indikatoren nicht mehr ausführlich nachweisen müssen.
- 4.
- Die Dauer der Belegungsrechte kann von den Kommunen selbst zwischen 15 und 20 je nach Einzelfall festgelegt werden. Damit können die Kommunen eigenverantwortlich und situationsbezogen entscheiden.
Ergänzend zur Richtlinienänderung wurden in der Einkommensgrenzen-Verordnung auch die relevanten Einkommensgrenzen für Wohnberechtigungsscheine angehoben, womit nun mehr Bürgerinnen und Bürger in Dresden und Leipzig eine Sozialwohnung beziehen können.
Die Versorgung mit Wohnraum erfolgt auch in den beiden Großstädten zu einem Teil über selbstgenutztes Wohneigentum. Daher wurde auch die Eigentumsförderung für Familien verstärkt, in dem die bisherige Förderung durch zusätzlich Module ergänzt wurde. Familien mit geringen Einkommen und Familien mit einem behinderten Familienmitglied erhalten eine deutlich erhöhte Darlehensförderung zur Schaffung eines Eigenheimes. Auch die neu eingeführte Förderung von Baugemeinschaften stellt einen zwar zahlenmäßig kleinen aber hilfreichen Baustein für die Versorgung mit günstigem Wohnraum in den beiden Großstädten dar.
Zur Entlastung der beiden Großstädte wird auch die im Jahr 2021 neu eingeführte FRL preisgünstiger Mietwohnraum beitragen. Sie fördert den sozialen Wohnraum außerhalb der beiden Großstädte und trägt damit zur einer Verringerung des Umzuges von ländlicheren Regionen nach Dresden und Leipzig bei, da durch sie mehr attraktiver Wohnraum außerhalb der Ballungszentren zur Verfügung steht. Für 2022 ist eine Ergänzung der FRL preisgünstiger Mietwohnraum um einen Klimabaustein geplant. Die deutlich höhere Förderung für Sanierungen, die das Effizienzhausniveau 85 erreichen, soll auch in Dresden und Leipzig ausgereicht werden. Damit soll im Bereich der mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen die notwendige energetische Sanierung bei auch nach Sanierung bezahlbaren Mietpreisen ermöglicht werden.
C) Erfüllungsaufwand
Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Im Entwurf des Mietrechtsnovellierungsgesetzes (Bundestagsdrucksache 18/3121) hat die Bundesregierung umfangreiche Überlegungen zum Erfüllungsaufwand angestellt. Insbesondere zur Mietpreisregulierung werden transparent Berechnungsgrundlagen dargestellt. Für eine bundesweite Geltung wird eine Reihe von Annahmen getroffen. Diese Annahmen gehen entsprechend der Angaben der Bundesregierung und der Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates unter anderem davon aus, dass die entgangenen Mieteinnahmen Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft darstellen und dass bundesweit etwa 20 Prozent aller Mietwohnungen in den auszuweisenden Gebieten liegen. Soweit Erfüllungsaufwand die Gruppe der Vermieter betrifft, sind hiervon sowohl Privatvermieter als auch gewerbliche Vermieter und die Verwaltung (Vermietung als fiskalische Tätigkeit) betroffen. Datengrundlagen für eine belastbare Abgrenzung dieser Vermieter-Gruppen sind nicht vorhanden. Im Folgenden wird der vermieterseitige Erfüllungsaufwand einheitlich nur als Aufwand für die Wirtschaft dargestellt. Für die Gruppe der Vermieter entsteht ein geschätzter jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 309,37 Mio. Euro aus den Maßnahmen zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten. Hiervon entfallen 284,14 Mio. Euro darauf, dass der Mietanstieg in den von der Neuregelung betroffenen Gebieten auf die ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich zehn Prozent begrenzt ist. In Höhe von weiteren 25,23 Mio. Euro beruht er auf dem geschätzten Mehraufwand für die Feststellung der zulässigen Miete. Da von den in der Bundesrepublik vorhandenen Mietwohnungen 6,6 Prozent im Freistaat Sachsen liegen (statista.com – Anzahl der bewohnten Mietwohnungen in Wohngebäuden in Deutschland im Jahr 2018 nach Bundesländern), erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass auch der Anteil der durch die vorliegende Verordnung betroffenen Wohnungen 6,6 Prozent der den bundesweiten Berechnungen zugrunde gelegten Anzahl entspricht. Damit würde bei den Vermietern im Freistaat Sachsen ausgehend vom bundesweiten jährlichen Erfüllungsaufwand in Höhe von 284,14 Mio. Euro und 25,23 Mio. Euro ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 18,75 Mio. Euro und 1,67 Mio. Euro entstehen. Der den Berechnungen zugrunde liegende Gesetzentwurf der Bundesregierung stammt jedoch bereits aus dem Jahr 2014. Inzwischen wurde auf Bundesebene die Berechnungsmethodik für den Erfüllungsaufwand dergestalt geändert, dass wie auch in Sachsen, endende Periodizitäten als einmaliger Erfüllungsaufwand ausgewiesen werden. Vorliegend soll die Begrenzung der zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn bis maximal zum 31. Dezember 2025 gültig sein, weshalb es sich mithin um einen einmaligen Erfüllungsaufwand handelt. Insofern kommt es im Freistaat Sachsen bei einer angenommenen Laufzeit von 3,5 Jahren zu einem einmaligen Sachaufwand in Höhe von 65,63 Mio. Euro und einem einmaligen Personalaufwand in Höhe von 5,85 Mio. Euro.
Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Der Gesetzentwurf führt bei Bürgerinnen und Bürgern zu einer Ersparnis durch die Dämpfung des Mietpreisanstiegs in den Jahren 07/2022 bis 2025 in Höhe von einmalig 65,63 Mio. Euro.
Erfüllungsaufwand für die Verwaltung
Soweit Freistaat und Kommunen als Vermieter oder Mieter auftreten wird auf die obigen Angaben verwiesen.