Verordnung
des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus
über die integrative Unterrichtung von Schülern in öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen
(Schulintegrationsverordnung – SchIVO)
Vom 3. August 2004
[Berichtigt durch Ber. vom 23. August 2004 (SächsGVBl. S. 416)]
Aufgrund von § 62 Abs. 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen (SchulG) vom 3. Juli 1991 (SächsGVBl. S. 213), das zuletzt durch Gesetz vom 19. Februar 2004 (SächsGVBl. S. 52) geändert worden ist, wird verordnet:
§ 1
Geltungsbereich
Diese Verordnung gilt für alle öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen.
§ 2
Integrative Unterrichtung
(1) Schüler, bei denen sonderpädagogischer Förderbedarf im Sinne von § 13 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Förderschulen im Freistaat Sachsen (Schulordnung Förderschulen – SOFS) vom 3. August 2004 (SächsGVBl. S. 317), in der jeweils geltenden Fassung, festgestellt wurde, können nach Maßgabe der nachstehenden Vorschriften zusammen mit nichtbehinderten Schülern in einer öffentlichen Schule gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c und d und Nr. 2 Buchst. a bis e SchulG unterrichtet werden, wenn und solange gewährleistet ist, dass sie in dieser Schule die erforderliche besondere Förderung erhalten.
(2) Die Entscheidung trifft das Regionalschulamt nach Anhörung der Eltern.
§ 3
Formen integrativer Unterrichtung, Klassenstärke
(1) Integrative Unterrichtung kann in folgenden Formen erfolgen:
- die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nehmen in vollem Umfang am Unterricht einer Klasse der öffentlichen Schule teil und gehören auch dieser Schule an; die Lehrer der Klasse beraten sich regelmäßig mit einem Lehrer des jeweiligen Förderschwerpunktes;
- die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nehmen in vollem Umfang am Unterricht einer Klasse der öffentlichen Schule teil und gehören auch dieser Schule an; ein zusätzlicher Lehrer fördert die Schüler in einem der Ausprägung des sonderpädagogischen Förderbedarfs angemessenen Umfang im Klassenunterricht oder in gesondertem Förderunterricht;
- die öffentliche Schule ermöglicht Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf einer benachbarten Förderschule in einzelnen Unterrichtsfächern den Besuch; diese bleiben Schüler der Förderschule;
- die öffentliche Schule arbeitet mit einer benachbarten Förderschule zusammen, indem eine oder mehrere Klassen der Förderschule im Schulgebäude dieser Schule unterrichtet werden; die Schüler dieser Klassen bleiben Schüler der Förderschule.
(2) Bei integrativer Unterrichtung gemäß Absatz 1 Nr. 1 bis 3 soll in der jeweiligen Klasse der öffentlichen Schule eine Klassenstärke von 25 Schülern nicht überschritten werden.
§ 4
Personelle, räumliche und sächliche Voraussetzungen
integrativer Unterrichtung, Obergrenzen
(1) Die Genehmigung nach § 2 Abs. 2 darf nur erteilt werden, wenn folgende Voraussetzungen in der öffentlichen Schule vorliegen:
- es müssen die erforderlichen Lehrkräfte und, wenn aufgrund der Behinderung des Schülers während der Unterrichtszeit auch Betreuung oder Pflege notwendig sind, die entsprechend qualifizierten Betreuungs- oder Pflegekräfte bereitstehen;
- es müssen eine behindertengerechte sächliche Ausstattung einschließlich der erforderlichen Lehr- und Hilfsmittel sowie behindertengerechte bauliche und räumliche Bedingungen gegeben sein.
(2) Die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen gelten auch dann als gegeben, wenn schriftliche und unwiderrufliche Zusagen der Kostenträger dahingehend vorliegen, dass spätestens zu Beginn der integrativen Unterrichtung die Voraussetzungen erfüllt sein werden.
(3) 1Das Regionalschulamt hat in der Genehmigung festzulegen, in welchem zusätzlichen zeitlichen Umfang die für die integrative Unterrichtung benötigten Lehrkräfte und gegebenenfalls sonstigen Kräfte eingesetzt werden. 2Als Obergrenze für die Unterrichtung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gelten fünf Lehrerwochenstunden je integriertem Schüler. 3Die Zuweisung der Lehrerwochenstunden erfolgt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. 4Für Schüler mit gutachterlich bestätigtem Autismus kann von dieser Obergrenze abgewichen werden.
§ 5
Inhalt der integrativen Unterrichtung
(1) 1Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in der Grundschule aufgrund der Entscheidung des Regionalschulamts entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit entweder in allen Fächern nach dem Lehrplan der Grundschule oder in einzelnen Fächern nach dem Lehrplan der Förderschule unterrichtet. 2In allen anderen öffentlichen Schulen wird ausschließlich nach den Lehrplänen der jeweiligen Schulart unterrichtet.
(2) Bei integrativer Unterrichtung ist von der öffentlichen Schule halbjährlich im Voraus ein individueller Förderplan für den Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu erstellen, aus dem ab Klassenstufe 7 auch hervorgehen muss, auf welchen Abschluss der Schüler vorbereitet wird.
§ 6
Ermittlung und Bewertung von Leistungen,
Versetzung, Zeugnisse
(1) 1Für Schüler, die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 lernzielgleich integrativ unterrichtet werden, richten sich Ermittlung und Bewertung von Leistungen, Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung, Versetzung, Wiederholung und Zeugnisse nach den Vorschriften der jeweiligen Schulart. 2Bei Schülern mit autistischem Verhalten kann die Bewertung von Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung ausgesetzt werden.
(2) 1Für Schüler, die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 integrativ unterrichtet werden, richten sich Ermittlung und Bewertung ihrer Leistungen in den Fächern, die nach dem Lehrplan der Förderschule unterrichtet werden, nach den Vorschriften der Förderschule. 2In den übrigen Fächern richten sich Ermittlung und Bewertung ihrer Leistungen nach den Vorschriften der Grundschule. 3Im Zeugnis ist zu vermerken, dass der Schüler an der Grundschule integriert ist und in welchen Fächern er nach dem Lehrplan der Förderschule unterrichtet wurde. 4Für die Versetzung an der Grundschule gilt § 22 Abs. 5 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Grundschulen im Freistaat Sachsen (Schulordnung Grundschulen – SOGS) vom 3. August 2004 (SächsGVBl. S. 312), in der jeweils geltenden Fassung, mit der Maßgabe, dass die Integration wichtiger Grund ist; im Zuge der Versetzungsentscheidung ist rechtzeitig zu prüfen, ob der Schüler voraussichtlich eine Bildungsempfehlung für die Mittelschule oder das Gymnasium in der Klassenstufe 4 erhalten kann und gegebenenfalls unverzüglich das Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs gemäß § 13 SOFS in Verbindung mit § 6 Abs. 2 SOGS einzuleiten. 5Den Eltern ist schriftlich mitzuteilen, dass die Erteilung einer Bildungsempfehlung bis zum Abschluss des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ausgesetzt ist.
§ 7
Schulbezirk
Die integrative Unterrichtung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Grund- oder Berufsschule ist wichtiger Grund im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SchulG.
§ 8
In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten
1Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom 1. August 2004 in Kraft. 2Gleichzeitig tritt die Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die gemeinsame Unterrichtung von behinderten und nichtbehinderten Schülern in öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen (Schulintegrationsverordnung – SchIVO) vom 3. März 1999 (SächsGVBl. S. 153), geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 6. Juli 1999 (SächGVBl. S. 403, 406) außer Kraft.
Dresden, den 3. August 2004
Der Staatsminister für Kultus
In Vertretung
Günther Portune
Staatssekretär