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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Historische Fassung war gültig vom 27.05.2016 bis 21.08.2019

Vertrag des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden

Vollzitat: Vertrag des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden vom 7. Juni 1994 (SächsGVBl. S. 1346), der zuletzt durch den Staatsvertrag vom 5. März 2019 (SächsGVBl. S. 311) geändert worden ist

Zustimmungsgesetz

Vertrag
des Freistaates Sachsen
mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden

[Rechtsbereinigt mit Stand vom 7. Mai 2016]

Der Freistaat Sachsen
(im folgenden: der Freistaat)

und

der Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden, derzeit bestehend aus den Gemeinden Chemnitz, Dresden und Leipzig
(im folgenden: der Landesverband)

haben

in dem Bewußtsein, für das jüdische Leben in diesem Lande eine besondere Verantwortung zu tragen, die aus der Geschichte Deutschlands gewachsen ist,
in dem Bestreben, das kulturelle Erbe des Judentums im Freistaat zu wahren und zu pflegen,
in dem Wunsch, das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Freistaat und der jüdischen Glaubensgemeinschaft zu fördern und zu festigen,

auf der Grundlage von Artikel 109 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen folgendes vereinbart:

Artikel 1
Glaubensfreiheit

Der Freistaat gewährt der Freiheit, den jüdischen Glauben zu bekennen und auszuüben, den gesetzlichen Schutz.

Artikel 2
Friedhöfe

(1) Der Freistaat gewährt jüdischen Friedhöfen in gleichem Maße staatlichen Schutz wie Friedhöfen, die sich in kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft befinden. Die jüdischen Gemeinden sind berechtigt, nach Maßgabe der Gesetze neue Friedhöfe anzulegen und bestehende zu erweitern.

(2) Der Freistaat wird für die angemessene Sicherung und für die Instandsetzung im Falle mutwilliger Beschädigung oder Zerstörung Sorge tragen.

(3) Der Freistaat fördert die Betreuung verwaister jüdischer Friedhöfe.

Artikel 3
Feiertage der jüdischen Gemeinden

(1) Folgende jüdische Feiertage sind religiöse Feiertage im Sinne des § 3 des Gesetzes über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen:

1.
Pessach – Überschreitungsfest/Fest des ungesäuerten Brotes –
 
a)
2 Tage am 15. und 16. Nissan
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr
 
b)
2 Tage am 21. und 22. Nissan
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr
2.
Schawuoth – Wochenfest – 2 Tage – am 6. und 7. Siwan
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr
3.
Rosch Haschana – Neujahrsfest – 2 Tage – am 1. und 2. Tischri
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr
4.
Jom Kippur – Versöhnungstag – 1 Tag – am 10. Tischri
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr
5.
Sukkot – Laubhüttenfest – 2 Tage – am 15. und 16. Tischri
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr
6.
Schemini Azeret – Schlußfest – 1 Tag am 22. Tischri
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr
7.
Simchat Thora – Freudenfest – 1 Tag – am 23. Tischri
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr

(2) Die Daten der Feiertage nach Absatz 1 beziehen sich auf den jüdischen Mondkalender unter Beachtung der allgemein geltenden Kalenderregeln.1

Artikel 4
Landesleistung

(1) Zur Erhaltung und Pflege des jüdischen Lebens in Sachsen beteiligt sich der Freistaat an den laufenden Ausgaben der Jüdischen Glaubensgemeinschaft in Sachsen für deren religiöse und kulturelle Bedürfnisse sowie für deren Verwaltung ab dem Jahr 2015 mit einem Gesamtbetrag von jährlich 950 000 Euro. Dieser Betrag schließt die Personal- und Sachkosten für die rabbinischen Belange ein.

(2) Mit dieser Zahlung sind sämtliche Fördermaßnahmen des Freistaats an die Jüdische Glaubensgemeinschaft erfasst, soweit dieser Vertrag nicht Ausnahmen vorsieht oder die Leistung auf einer rechtlichen Verpflichtung beruht.

(3) Die Leistung wird vierteljährlich im Voraus erbracht.

(4) Die Landesleistung wird auf den Landesverband und auf nicht verbandsangehörige jüdische Gemeinden in Sachsen entsprechend der Anzahl der Mitglieder verteilt.

(5) Leistungsempfänger für die verbandsangehörigen Gemeinden ist der Landesverband. Die Zahlung an nicht verbandsangehörige Gemeinden in Sachsen erfolgt durch den Freistaat. Die Anerkennung als leistungsberechtigte jüdische Gemeinde erfolgt auf Grundlage der hierzu im Schlussprotokoll festgelegten Kriterien.2

Artikel 5
Denkmalpflege und Baumaßnahmen

(1) Der Landesverband verpflichtet sich, seine Kulturdenkmale im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten, zu pflegen und nach Möglichkeit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für die Erhaltung seiner Kulturdenkmale hat er Anspruch auf angemessene Kostenerstattung durch den Freistaat nach Maßgabe der Gesetze und wird bei der Vergabe staatlicher Mittel entsprechend berücksichtigt. Bei Maßnahmen der Denkmalschutzbehörden, die sich auf jüdische Kulturdenkmale beziehen, ist der Landesverband vorher zu hören.

(2) Bei der Errichtung von Gebäuden, die Kultuszwecken dienen, sowie bei wesentlichen baulichen Maßnahmen an solchen Gebäuden wird der Freistaat im Rahmen seiner haushaltsmäßigen Möglichkeiten weitere Zuschüsse gewähren, wenn der Landesverband und die einzelne Gemeinde nicht in der Lage sind, die erforderlichen Mittel aufzubringen.

Artikel 6
Zusammenwirken

Die Staatsregierung und der Landesverband werden zur Pflege ihrer Beziehungen regelmäßige Begegnungen anstreben. Sie werden sich vor der Regelung von Angelegenheiten, die beiderseitige Interessen berühren, miteinander ins Benehmen setzen und zur Besprechung solcher Fragen zur Verfügung stehen.

Artikel 7
Freundschafts- und Anpassungsklausel

(1) Die Vertragschließenden werden in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung einer Bestimmung dieses Vertrages auf freundschaftliche Weise beseitigen.

(2) Im Falle einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere bei erheblichem Zuzug von Juden aus anderen Staaten oder der Bildung neuer jüdischer Gemeinden in Sachsen werden der Freistaat und der Landesverband erneut Verhandlungen aufnehmen mit dem Ziel, den Vertrag angemessen an die neuen Verhältnisse anzupassen. Unabhängig hiervon werden die Vertragsinhalte alle sechs Jahre auf etwaigen Anpassungsbedarf überprüft.3

Artikel 8
Schlußbestimmungen

(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifizierung. Die Ratifikationsurkunden sollen möglichst bald ausgetauscht werden.

(2) Der Vertrag einschließlich des Schlußprotokolls, das Bestandteil dieses Vertrages ist, tritt am Tag nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. 4

Dresden, den 7. Juni 1994

Für den Freistaat Sachsen
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf
Ministerpräsiden

Für den Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden
Siegmund Rotstein
Vorsitzender

Für die Jüdische Gemeinde Chemnitz
Siegmund Rotstein
Vorsitzender

Für die Jüdische Gemeinde zu Dresden
Roman König
Vorsitzender

Für die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig
Aron Adlerstein
Vorsitzender

Schlußprotokoll: 5

Zu Artikel 2 Absatz 2 und 3:

Die Beteiligung des Freistaates an der Betreuung verwaister Jüdischer Friedhöfe erfolgt grundsätzlich nach Maßgabe der Absprache vom 21. Juni 1957 betreffend die Durchführung der Betreuung verwaister jüdischer Friedhöfe [Anlage 1 der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales über die Betreuung der verwaisten Friedhöfe der ehemaligen jüdischen Gemeinden im Freistaat Sachsen (VwV verwaiste jüdische Friedhöfe) vom 27. Dezember 2002 (SächsABl. 2003 S. 60), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 26. November 2013 (SächsABl. SDr. S. S 911)].

Zu Artikel 3:

Maßgebend ist das Gesetz über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen vom 10. November 1992 (SächsGVBl. S. 536), das zuletzt durch das Gesetz vom 30. Januar 2013 (SächsGVBl. S. 2) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

Zu Artikel 3 Absatz 1:

An den genannten jüdischen Feiertagen können:

1.
Schüler und Auszubildende sowie
2.
Personen, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, soweit keine zwingenden betrieblichen Erfordernisse entgegenstehen,
ihren religiösen Pflichten nachkommen und in dem erforderlichen Umfang ihrer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle fernbleiben.

Zu Artikel 3 Absatz 2:

Der Landesverband wird jeweils für zwei Jahre im voraus die entsprechenden Termine der jüdischen Feiertage nach dem staatlichen Kalender dem zuständigen Staatsministerium mitteilen. Die Termine der jüdischen Feiertage nach dem staatlichen Kalender werden im Sächsischen Amtsblatt veröffentlicht.

Zu Artikel 4:

Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, dass die Zahlung der Landesleistung, soweit sie gegenüber dem Landesverband erfolgt, auf ein vom Landesverband zu benennendes Konto fließen soll. Der Landesverband wird nach den Regelungen seines Statuts die Gelder an seine Mitgliedsgemeinden verteilen. Der Leistungsempfänger der Landesleistung legt jährlich, spätestens mit Ablauf des ersten Halbjahres des neuen Geschäftsjahres, einen Geschäftsbericht vor, der auch die zweckentsprechende Verwendung der Dotation in den Gemeinden und im Landesverband ausweist. Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, dass der Sächsische Rechnungshof berechtigt ist, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landesverbandes und der Jüdischen Gemeinden insoweit jährlich zu prüfen. Inhalt und Umfang der Prüfung bestimmen sich nach den §§ 89 und 90 der Sächsischen Haushaltsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 2001 (SächsGVBl. S. 153), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. April 2015 (SächsGVBl. S. 349) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

Zu Artikel 4 Absatz 1:

Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, dass der Gesamtbetrag nach Absatz 1 spätestens alle sechs Jahre überprüft und neu festgelegt wird. Artikel 7 Absatz 2 bleibt unberührt.

Zu Artikel 4 Absatz 2:

Von der Abgeltung ausgenommen sind ferner etwaige Kostenerstattungen für die Erteilung jüdischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Das Sächsische Staatsministerium für Kultus prüft in Abstimmung mit dem Landesverband das Vorliegen der Voraussetzungen für die Einrichtung eines Fachs Jüdische Religion als ordentliches Lehrfach gemäß Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes, Artikel 105 der Verfassung des Freistaates Sachsen und § 18 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen. Das Sächsische Staatsministerium für Kultus wird bei Vorliegen der Voraussetzungen die entsprechenden schulrechtlichen, schulfachlichen und schulorganisatorischen Maßnahmen treffen und die notwendigen Vereinbarungen mit dem Landesverband vornehmen.
Die Vertragschließenden sind sich weiter darüber einig, dass die Mittel anteilsmäßig den Gemeinden unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum Landesverband zufließen sollen und dass die Zahlungen des Freistaates die Zuschüsse für neu entstehende Gemeinden einschließen. Soweit eine jüdische Gemeinde, die selbst Mitglied im Landesverband ist, Ansprüche gegenüber dem Freistaat geltend macht, ist der Landesverband verpflichtet, den Freistaat von diesen Ansprüchen freizustellen.

Zu Artikel 4 Absatz 4:

Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, dass die Regelung zur Verteilung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgenommen wird.
Grundlage für die Verteilung der Landesleistung zwischen dem Landesverband einerseits und weiteren nicht verbandsangehörigen Gemeinden andererseits ist die Gesamtzahl der Mitglieder. Der gemäß Artikel 4 vom Freistaat zur Verfügung gestellte Gesamtbetrag wird durch die Gesamtzahl der Mitglieder aller Leistungsberechtigten geteilt (Summe pro Mitglied). Die Summe pro Mitglied wird mit der Gesamtzahl der Mitglieder der Mitgliedsgemeinden des Landesverbandes (Anteil des Landesverbandes) und mit der Zahl der Mitglieder der einzelnen leistungsberechtigten nicht verbandsangehörigen Gemeinde multipliziert (jeweiliger Anteil der nicht verbandsangehörigen Gemeinde). Maßgeblich für den Mitgliederstand ist die Mitgliedsstatistik der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. für das vergangene Jahr vor Antragstellung. Es werden nur Mitglieder berücksichtigt, die im Freistaat Sachsen ihren ersten Wohnsitz haben.
Scheidet eine Gemeinde aus dem Landesverband aus, so hat der Freistaat das Recht, die an den Landesverband zu verteilende Landesleistung entsprechend zu kürzen. Besteht die Gemeinde nach ihrem Ausscheiden aus dem Landesverband als anerkannte jüdische Gemeinde fort, erhält sie als nicht verbandsangehörige Gemeinde den ihrer Mitgliederzahl entsprechenden Anteil an der finanziellen Leistung zugewiesen.

Zu Artikel 4 Absatz 5:

Eine Gruppierung wird als leistungsberechtigte jüdische Gemeinde unterstützt, wenn sie

a)
mindestens sechs Jahre besteht,
b)
über mindestens 75 Mitglieder mit erstem Wohnsitz im Freistaat Sachsen verfügt,
c)
ein aktives Gemeindeleben aufweist, insbesondere regelmäßige wöchentliche Gottesdienste durchführt,
d)
eine ordnungsgemäße Satzung im Sinne der staatlichen Rechtsordnung hat,
e)
ordnungsgemäß bestellte Vertretungsorgane hat,
f)
im Rechtsverkehr durch privatrechtliche Organisationsform oder als Körperschaft des öffentlichen Recht voll rechtsfähig ist,
g)
durch das Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie durch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland oder die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschland anerkannt worden ist,
h)
rechtstreu ist, insbesondere die grundlegenden Prinzipien des Grundgesetzes und der Sächsischen Verfassung achtet und
i)
eine nicht unerhebliche Eigenfinanzierung durch ihre Mitglieder vorweist.

Die unter Buchstaben a bis i genannten Kriterien müssen kumulativ vorliegen. Bei Mehrfachmitgliedschaft erfolgt eine anteilige Aufteilung der Gelder.

Zu Artikel 5 Absatz 1:

Gleiches gilt für Kulturdenkmale der einzelnen jüdischen Gemeinden.

Dresden, den 7. Juni 1994

Für den Freistaat Sachsen
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf
Ministerpräsident

Für den Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden
Siegmund Rotstein
Vorsitzender

Für die Jüdische Gemeinde Chemnitz
Siegmund Rotstein
Vorsitzender

Für die Jüdische Gemeinde zu Dresden
Roman König
Vorsitzender

Für die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig
Aron Adlerstein
Vorsitzender

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsGVBl. 1994 Nr. 45, S. 1346
    Fsn-Nr.: 73-7V

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 27. Mai 2016

    Fassung gültig bis: 21. August 2019